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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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X. Betrachtung.
frommen Einfalt spottet, wer bey jeder unbedeuten-
den Sache den ehrwürdigen Namen Gottes und Je-
su mißbraucht; wer bey dem öffentlichen Gottesdienst
mit sichtbarer Zerstreuung, ohne alle Theilnahme des
Herzens, erscheint; wer die ehrwürdigsten Handlun-
gen der Religion mit frecher Stirne lächerlich macht,
der sage ja nicht, daß er Ehrfurcht gegen Gott habe.

Niemand glaube indessen, daß die Ehrfurcht ge-
gen Gott in Furcht und Zittern bestehe; denn das
Christenthum verlangt ausdrücklich, daß wir Gott
nicht mit ängstlich furchtsamen Gesinnungen, son-
dern mit frohem dankbaren Geiste verehren sollen.
Den Bösewicht wird freilig Furcht und Schauer
durchdringen, wenn er an Gott denkt, und zugleich
überlegt: Gott ist Richter und Rächer alles Bö-
sen.
Aber der Christ, der von dem Geiste des Evan-
gelii und vom wahren Kindessinne regiert wird, der
darf sich nicht ängstlich fürchten. Er feufzet nicht
wie ein Sklave unter dem Joch des Tyrannen, son-
dern er freuet sich der Oberherrschaft Gottes; freuet
sich, daß dieser Gott sein Schöpfer, Erhalter und
Vater ist; freuet sich, daß dieser Gott alles beherr-
schet, alles regiert; freuet sich, daß er mit diesem
Gott, dem König aller Könige, dem Herrn aller
Herrn, in unauflöslicher Verbindung steht. Jm-
mer hat er ihn vor Augen und im Herzen, und hü-
tet sich, daß er in keine Sünde willige, noch thue

wider

X. Betrachtung.
frommen Einfalt ſpottet, wer bey jeder unbedeuten-
den Sache den ehrwürdigen Namen Gottes und Je-
ſu mißbraucht; wer bey dem öffentlichen Gottesdienſt
mit ſichtbarer Zerſtreuung, ohne alle Theilnahme des
Herzens, erſcheint; wer die ehrwürdigſten Handlun-
gen der Religion mit frecher Stirne lächerlich macht,
der ſage ja nicht, daß er Ehrfurcht gegen Gott habe.

Niemand glaube indeſſen, daß die Ehrfurcht ge-
gen Gott in Furcht und Zittern beſtehe; denn das
Chriſtenthum verlangt ausdrücklich, daß wir Gott
nicht mit ängſtlich furchtſamen Geſinnungen, ſon-
dern mit frohem dankbaren Geiſte verehren ſollen.
Den Böſewicht wird freilig Furcht und Schauer
durchdringen, wenn er an Gott denkt, und zugleich
überlegt: Gott iſt Richter und Rächer alles Bö-
ſen.
Aber der Chriſt, der von dem Geiſte des Evan-
gelii und vom wahren Kindesſinne regiert wird, der
darf ſich nicht ängſtlich fürchten. Er feufzet nicht
wie ein Sklave unter dem Joch des Tyrannen, ſon-
dern er freuet ſich der Oberherrſchaft Gottes; freuet
ſich, daß dieſer Gott ſein Schöpfer, Erhalter und
Vater iſt; freuet ſich, daß dieſer Gott alles beherr-
ſchet, alles regiert; freuet ſich, daß er mit dieſem
Gott, dem König aller Könige, dem Herrn aller
Herrn, in unauflöslicher Verbindung ſteht. Jm-
mer hat er ihn vor Augen und im Herzen, und hü-
tet ſich, daß er in keine Sünde willige, noch thue

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[61/0087] X. Betrachtung. frommen Einfalt ſpottet, wer bey jeder unbedeuten- den Sache den ehrwürdigen Namen Gottes und Je- ſu mißbraucht; wer bey dem öffentlichen Gottesdienſt mit ſichtbarer Zerſtreuung, ohne alle Theilnahme des Herzens, erſcheint; wer die ehrwürdigſten Handlun- gen der Religion mit frecher Stirne lächerlich macht, der ſage ja nicht, daß er Ehrfurcht gegen Gott habe. Niemand glaube indeſſen, daß die Ehrfurcht ge- gen Gott in Furcht und Zittern beſtehe; denn das Chriſtenthum verlangt ausdrücklich, daß wir Gott nicht mit ängſtlich furchtſamen Geſinnungen, ſon- dern mit frohem dankbaren Geiſte verehren ſollen. Den Böſewicht wird freilig Furcht und Schauer durchdringen, wenn er an Gott denkt, und zugleich überlegt: Gott iſt Richter und Rächer alles Bö- ſen. Aber der Chriſt, der von dem Geiſte des Evan- gelii und vom wahren Kindesſinne regiert wird, der darf ſich nicht ängſtlich fürchten. Er feufzet nicht wie ein Sklave unter dem Joch des Tyrannen, ſon- dern er freuet ſich der Oberherrſchaft Gottes; freuet ſich, daß dieſer Gott ſein Schöpfer, Erhalter und Vater iſt; freuet ſich, daß dieſer Gott alles beherr- ſchet, alles regiert; freuet ſich, daß er mit dieſem Gott, dem König aller Könige, dem Herrn aller Herrn, in unauflöslicher Verbindung ſteht. Jm- mer hat er ihn vor Augen und im Herzen, und hü- tet ſich, daß er in keine Sünde willige, noch thue wider

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/87>, abgerufen am 21.11.2024.