Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XII. Betrachtung. bewiesen, dadurch über alle Hindernisse und Schwie-rigkeiten gesiegt, und sich bey allen Leiden und Wi- derwärtigkeiten damit beruhiget, so war es ohnstrei- tig Jesus Christus, der als der größte Held der Tu- gend auch in diesem Stücke nie seines gleichen hat- te, und auch nicht haben wird. Dies konnte aber auch nicht anders kommen. Denn da Niemand vor ihm Gottes Vorsehung so deutlich gelehret, da Nie- mand vor ihm so faßlich bewiesen hatte, daß die Für- sorge des himmlischen Vaters sich über alles, vom Größten bis zum Kleinsten, erstrecke, und daß sei- ner Aufsicht gar nichts entgehe;*) so mußte er noth- wendig selbst ein felsenfestes Vertrauen zu diesem Gott hegen. Da er über dieses die Menschen so nachdrücklich vor ängstlichen und mißtrauischen Sor- gen warnte; da er ihnen bey jeder Gelegenheit eine getroste, freudige Zuversicht einflößte; da er das alles mit so voller Ueberzeugung that, so ists unläug- bar gewiß, daß er selbst alles Gute vom allgütigen Gott erwartete. Nie mißbilligte er die Anstalten, die er nach dem Plane Gottes zum Besten der Men- schen ausführen sollte, sondern äußerte vielmehr den schönen Grundsatz: also ists wohlgefällig gewesen vor dir, mein Vater!**) weil er sich in voraus über- zeugt hatte, daß alle traurige Begegnisse mit in den Plan seines himmlischen Vaters hinein gehörten. Voll *) Matth. 6, 24-34. **) Matth. 11, 26. E 4
XII. Betrachtung. bewieſen, dadurch über alle Hinderniſſe und Schwie-rigkeiten geſiegt, und ſich bey allen Leiden und Wi- derwärtigkeiten damit beruhiget, ſo war es ohnſtrei- tig Jeſus Chriſtus, der als der größte Held der Tu- gend auch in dieſem Stücke nie ſeines gleichen hat- te, und auch nicht haben wird. Dies konnte aber auch nicht anders kommen. Denn da Niemand vor ihm Gottes Vorſehung ſo deutlich gelehret, da Nie- mand vor ihm ſo faßlich bewieſen hatte, daß die Für- ſorge des himmliſchen Vaters ſich über alles, vom Größten bis zum Kleinſten, erſtrecke, und daß ſei- ner Aufſicht gar nichts entgehe;*) ſo mußte er noth- wendig ſelbſt ein felſenfeſtes Vertrauen zu dieſem Gott hegen. Da er über dieſes die Menſchen ſo nachdrücklich vor ängſtlichen und mißtrauiſchen Sor- gen warnte; da er ihnen bey jeder Gelegenheit eine getroſte, freudige Zuverſicht einflößte; da er das alles mit ſo voller Ueberzeugung that, ſo iſts unläug- bar gewiß, daß er ſelbſt alles Gute vom allgütigen Gott erwartete. Nie mißbilligte er die Anſtalten, die er nach dem Plane Gottes zum Beſten der Men- ſchen ausführen ſollte, ſondern äußerte vielmehr den ſchönen Grundſatz: alſo iſts wohlgefällig geweſen vor dir, mein Vater!**) weil er ſich in voraus über- zeugt hatte, daß alle traurige Begegniſſe mit in den Plan ſeines himmliſchen Vaters hinein gehörten. Voll *) Matth. 6, 24-34. **) Matth. 11, 26. E 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0097" n="71"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XII.</hi> Betrachtung.</fw><lb/> bewieſen, dadurch über alle Hinderniſſe und Schwie-<lb/> rigkeiten geſiegt, und ſich bey allen Leiden und Wi-<lb/> derwärtigkeiten damit beruhiget, ſo war es ohnſtrei-<lb/> tig Jeſus Chriſtus, der als der größte Held der Tu-<lb/> gend auch in dieſem Stücke nie ſeines gleichen hat-<lb/> te, und auch nicht haben wird. Dies konnte aber<lb/> auch nicht anders kommen. Denn da Niemand vor<lb/> ihm Gottes Vorſehung ſo deutlich gelehret, da Nie-<lb/> mand vor ihm ſo faßlich bewieſen hatte, daß die Für-<lb/> ſorge des himmliſchen Vaters ſich über alles, vom<lb/> Größten bis zum Kleinſten, erſtrecke, und daß ſei-<lb/> ner Aufſicht gar nichts entgehe;<note place="foot" n="*)">Matth. 6, 24-34.</note> ſo mußte er noth-<lb/> wendig ſelbſt ein felſenfeſtes Vertrauen zu dieſem<lb/> Gott hegen. Da er über dieſes die Menſchen ſo<lb/> nachdrücklich vor ängſtlichen und mißtrauiſchen Sor-<lb/> gen warnte; da er ihnen bey jeder Gelegenheit eine<lb/> getroſte, freudige Zuverſicht einflößte; da er das<lb/> alles mit ſo voller Ueberzeugung that, ſo iſts unläug-<lb/> bar gewiß, daß er ſelbſt alles Gute vom allgütigen<lb/> Gott erwartete. Nie mißbilligte er die Anſtalten,<lb/> die er nach dem Plane Gottes zum Beſten der Men-<lb/> ſchen ausführen ſollte, ſondern äußerte vielmehr den<lb/> ſchönen Grundſatz: <hi rendition="#fr">alſo iſts wohlgefällig geweſen<lb/> vor dir, mein Vater!</hi><note place="foot" n="**)">Matth. 11, 26.</note> weil er ſich in voraus über-<lb/> zeugt hatte, daß alle traurige Begegniſſe mit in den<lb/> Plan ſeines himmliſchen Vaters hinein gehörten.<lb/> <fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Voll</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0097]
XII. Betrachtung.
bewieſen, dadurch über alle Hinderniſſe und Schwie-
rigkeiten geſiegt, und ſich bey allen Leiden und Wi-
derwärtigkeiten damit beruhiget, ſo war es ohnſtrei-
tig Jeſus Chriſtus, der als der größte Held der Tu-
gend auch in dieſem Stücke nie ſeines gleichen hat-
te, und auch nicht haben wird. Dies konnte aber
auch nicht anders kommen. Denn da Niemand vor
ihm Gottes Vorſehung ſo deutlich gelehret, da Nie-
mand vor ihm ſo faßlich bewieſen hatte, daß die Für-
ſorge des himmliſchen Vaters ſich über alles, vom
Größten bis zum Kleinſten, erſtrecke, und daß ſei-
ner Aufſicht gar nichts entgehe; *) ſo mußte er noth-
wendig ſelbſt ein felſenfeſtes Vertrauen zu dieſem
Gott hegen. Da er über dieſes die Menſchen ſo
nachdrücklich vor ängſtlichen und mißtrauiſchen Sor-
gen warnte; da er ihnen bey jeder Gelegenheit eine
getroſte, freudige Zuverſicht einflößte; da er das
alles mit ſo voller Ueberzeugung that, ſo iſts unläug-
bar gewiß, daß er ſelbſt alles Gute vom allgütigen
Gott erwartete. Nie mißbilligte er die Anſtalten,
die er nach dem Plane Gottes zum Beſten der Men-
ſchen ausführen ſollte, ſondern äußerte vielmehr den
ſchönen Grundſatz: alſo iſts wohlgefällig geweſen
vor dir, mein Vater! **) weil er ſich in voraus über-
zeugt hatte, daß alle traurige Begegniſſe mit in den
Plan ſeines himmliſchen Vaters hinein gehörten.
Voll
*) Matth. 6, 24-34.
**) Matth. 11, 26.
E 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |