Cundisius, Gottfried: Der Geistreiche Prophet Haggaj. Leipzig, 1648.Die neunde Predigt/ priester/ und das übrige Volck/ deren allen in den vorigen Pre-digten schon etzlich mahl gedacht worden. Sehet aber/ wie gar gleich der Mann Gottes muß durchgehen/ in dem er niemand ver- schonen darff/ sondern einen Stand so wol als den andern anreden muß. Heutiges Tages dürff[t]e es einem grossen Potentaten seltzam vorkommen/ wenn seiner in einer öffentlichen Predigt mit Namen gedacht/ und ihm eine Vorhaltung geth an würde. Aber bey Gott dem Herrn heisset es immer fort: Sage zu Seru Babel/ sage zu diesem/ oder jenem Fürsten/ Grafen/ Herrn/ und so fort/ sage zu ihnen/ daß dieses oder jenes wenig taug/ daß mans so und so müsse machen/ wenn man sein Gewissen bewahren/ und Gott zum Freunde haben wil. O wie sanffte muß der schlaffen/ wie eine ruhige Seele muß der haben/ der also sein Ampt in acht nimmet! Das Anbrin- gen unsers Propheten war dieses Jnhalts: Wer ist unter euch überblieben/ der dis Haus in seiner vorigen Herrligkeit ge- sehen hat? Vnd wie sehet ihrs nun an? Jsts nicht also/ es düncket euch nichts seyn? Jn der Jüden Hertzen stiegen al- lerley Gedancken auff/ die sie bey dem Tempelbaw etwas unlustig und verdrossen macheten. Sie gedachten unter andern bey sich selbst: Was werden wir doch unser Arbeit gebessert seyn? Wird sichs auch mit dem newen Tempeldie Mühe verlohnen? Es ist bey den Gedancken nicht verblieben/ sondern es kamen auch eusserliche Geberden darzu: Viel der alten Priester und Leviten und obersten Väter/ die das vorige Haus gesehen hatten/ und dis Haus für ihren Augen gegründet ward/ weineten laut/ also/ daß man das Gethöne der Trommeten/ der Cymbeln und der Sänger nicht vernehmen konte/ für dem Geschrey Esrae. 3, 10. 12. 13.des Weinens im Volck/ Esrae 3 v. 10. 12. 13. Dis war wol ein Eifer/ aber mit Vnbedacht. Sonst gibt Haggai zu/ daß an sich selber/ und dem Gebäw nach/ der vorige Tempel viel ansehnlicher gewesen/ denn der Newe seyn konte/ welchen man itzo auffrichtete. Der vorige Tempel/ den die Chaldeer angestecket/ und in die Asche ge-
Die neunde Predigt/ prieſter/ und das uͤbrige Volck/ deren allen in den vorigen Pre-digten ſchon etzlich mahl gedacht worden. Sehet aber/ wie gar gleich der Mann Gottes muß durchgehen/ in dem er niemand ver- ſchonen darff/ ſondern einen Stand ſo wol als den andern anreden muß. Heutiges Tages duͤrff[t]e es einem groſſen Potentaten ſeltzam vorkommen/ wenn ſeiner in einer oͤffentlichen Predigt mit Namen gedacht/ und ihm eine Vorhaltung geth an wuͤrde. Aber bey Gott dem Herrn heiſſet es immer fort: Sage zu Seru Babel/ ſage zu dieſem/ oder jenem Fuͤrſten/ Grafen/ Herrn/ und ſo fort/ ſage zu ihnen/ daß dieſes oder jenes wenig taug/ daß mans ſo und ſo muͤſſe machen/ wenn man ſein Gewiſſen bewahren/ und Gott zum Freunde haben wil. O wie ſanffte muß der ſchlaffen/ wie eine ruhige Seele muß der haben/ der alſo ſein Ampt in acht nimmet! Das Anbrin- gen unſers Propheten war dieſes Jnhalts: Wer iſt unter euch uͤberblieben/ der dis Haus in ſeiner vorigen Herrligkeit ge- ſehen hat? Vnd wie ſehet ihrs nun an? Jſts nicht alſo/ es duͤncket euch nichts ſeyn? Jn der Juͤden Hertzen ſtiegen al- lerley Gedancken auff/ die ſie bey dem Tempelbaw etwas unluſtig und verdroſſen macheten. Sie gedachten unter andern bey ſich ſelbſt: Was werden wir doch unſer Arbeit gebeſſert ſeyn? Wird ſichs auch mit dem newen Tempeldie Muͤhe verlohnen? Es iſt bey den Gedancken nicht verblieben/ ſondern es kamen auch euſſerliche Geberden darzu: Viel der alten Prieſter und Leviten und oberſten Vaͤter/ die das vorige Haus geſehen hatten/ und dis Haus fuͤr ihren Augen gegruͤndet ward/ weineten laut/ alſo/ daß man das Gethoͤne der Trommeten/ der Cymbeln und der Saͤnger nicht vernehmen konte/ fuͤr dem Geſchrey Eſræ. 3, 10. 12. 13.des Weinens im Volck/ Eſræ 3 v. 10. 12. 13. Dis war wol ein Eifer/ aber mit Vnbedacht. Sonſt gibt Haggai zu/ daß an ſich ſelber/ und dem Gebäw nach/ der vorige Tempel viel anſehnlicher geweſen/ denn der Newe ſeyn konte/ welchen man itzo auffrichtete. Der vorige Tempel/ den die Chaldeer angeſtecket/ und in die Aſche ge-
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Die neunde Predigt/
prieſter/ und das uͤbrige Volck/ deren allen in den vorigen Pre-
digten ſchon etzlich mahl gedacht worden. Sehet aber/ wie gar
gleich der Mann Gottes muß durchgehen/ in dem er niemand ver-
ſchonen darff/ ſondern einen Stand ſo wol als den andern anreden
muß. Heutiges Tages duͤrffte es einem groſſen Potentaten ſeltzam
vorkommen/ wenn ſeiner in einer oͤffentlichen Predigt mit Namen
gedacht/ und ihm eine Vorhaltung geth an wuͤrde. Aber bey Gott
dem Herrn heiſſet es immer fort: Sage zu Seru Babel/
ſage zu dieſem/ oder jenem Fuͤrſten/ Grafen/ Herrn/ und ſo fort/ ſage
zu ihnen/ daß dieſes oder jenes wenig taug/ daß mans ſo und ſo muͤſſe
machen/ wenn man ſein Gewiſſen bewahren/ und Gott zum Freunde
haben wil. O wie ſanffte muß der ſchlaffen/ wie eine ruhige Seele
muß der haben/ der alſo ſein Ampt in acht nimmet! Das Anbrin-
gen unſers Propheten war dieſes Jnhalts: Wer iſt unter euch
uͤberblieben/ der dis Haus in ſeiner vorigen Herrligkeit ge-
ſehen hat? Vnd wie ſehet ihrs nun an? Jſts nicht alſo/
es duͤncket euch nichts ſeyn? Jn der Juͤden Hertzen ſtiegen al-
lerley Gedancken auff/ die ſie bey dem Tempelbaw etwas unluſtig
und verdroſſen macheten. Sie gedachten unter andern bey ſich
ſelbſt: Was werden wir doch unſer Arbeit gebeſſert ſeyn? Wird
ſichs auch mit dem newen Tempeldie Muͤhe verlohnen? Es iſt bey
den Gedancken nicht verblieben/ ſondern es kamen auch euſſerliche
Geberden darzu: Viel der alten Prieſter und Leviten und
oberſten Vaͤter/ die das vorige Haus geſehen hatten/ und
dis Haus fuͤr ihren Augen gegruͤndet ward/ weineten laut/
alſo/ daß man das Gethoͤne der Trommeten/ der Cymbeln
und der Saͤnger nicht vernehmen konte/ fuͤr dem Geſchrey
des Weinens im Volck/ Eſræ 3 v. 10. 12. 13. Dis war wol ein
Eifer/ aber mit Vnbedacht. Sonſt gibt Haggai zu/ daß an ſich
ſelber/ und dem Gebäw nach/ der vorige Tempel viel anſehnlicher
geweſen/ denn der Newe ſeyn konte/ welchen man itzo auffrichtete.
Der vorige Tempel/ den die Chaldeer angeſtecket/ und in die Aſche
ge-
Eſræ. 3, 10.
12. 13.
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