Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cundisius, Gottfried: Der Geistreiche Prophet Haggaj. Leipzig, 1648.

Bild:
<< vorherige Seite

Die vierdte Predigt/
brechen/ (denn wie wolte es dem himmlischen Redner/ GOtt dem
heiligen Geiste/ der ihnen alles hat eingegeben/ daran fehlen?) son-
dern/ es sol vielmehr dieses einen grössern Nachdruck haben/ oder
desto mehr durch dringen. Vnd eben geschicht das umb der unacht-
samen Zuhörer willen/ die immerdar wollen getrieben seyn/ und de-
nen man alles vielfältig einbläwen muß/ wenn es an ihnen hafften/
und in ihnen verfangen sol. Damit nun auch denen Jüden nicht
alles was geprediget ward entfallen/ und die Wort ohne Frucht vor
ihren Ohren dahin rauschen möchten/ so bleibet der Mann GOttes
Haggai bey berührter Prophetischen Gewonheit/ wie andächtige
Christen ohne mein weitlenfftiges Erinnern leicht spüren werden.

Continet
hic textus
I.
Exhorta-
tionem pa-
theticam.

Es begreiffet aber dis Stück der Weissagung/ das wir anitzo
zu erklären haben vor uns genommen: Erstlich/ Exhortationem
patheticam:
eine gantz bewegliche Ermahnung. Dieselbige
zwar beruhet schlechter dinge auff diesem Ausspruche: Die Jüden
sollen den Tempel bawen. Aber dis setzt Haggai nicht so bloß da-
hin/ sondern auff gut Rednerisch setzt er an die Leute/ wiederholet
vorige Centnerwort/ und sagt: So spricht der Herr Ze-
baoth: Schawet/ wie es euch gehet;
Als wolt er sprechen:
Jst denn das nicht Vngemath/ ist denn das nicht Schade/ ist denn
das nicht Straffe gnug/ daß ihr also seyd heimgesuchet worden?
Nehmet doch endlich zu Hertzen/ was euch begegnet/ und aus was
Vrsachen es euch also gegangen ist. Es weisets ja der Augenschein/
daß aller Vnsegen von der Hindansetzung des Tempelbaws ist ent-
sprungen und hergeflossen. Habt ihr vorhin meiner Predigt nicht
gläuben wollen/ ey so ist euch nunmehr der Glaube zur Gnüge in die
Hände kommen. Es ist Zeit/ daß ihr ohn weitern Verzug des
Herrn Willen thut/ und ferner Vnheil durch fleissiges Gebet
abwendet. Das ist aber der Befehl GOttes: Gehet hin auffs
Gebirge/ und holet Holtz/ und bawet das Haus.
Etzliche
verstehen durch das Gebirge/ den Berg Moria/ darauff der Tem-
pel gestanden hat/ und were/ ihrer Deutung nach/ die Meynung die-

se:

Die vierdte Predigt/
brechen/ (denn wie wolte es dem himmliſchen Redner/ GOtt dem
heiligen Geiſte/ der ihnen alles hat eingegeben/ daran fehlen?) ſon-
dern/ es ſol vielmehr dieſes einen groͤſſern Nachdruck haben/ oder
deſto mehr durch dringen. Vnd eben geſchicht das umb der unacht-
ſamen Zuhoͤrer willen/ die immerdar wollen getrieben ſeyn/ und de-
nen man alles vielfaͤltig einblaͤwen muß/ wenn es an ihnen hafften/
und in ihnen verfangen ſol. Damit nun auch denen Juͤden nicht
alles was geprediget ward entfallen/ und die Wort ohne Frucht vor
ihren Ohren dahin rauſchen moͤchten/ ſo bleibet der Mann GOttes
Haggai bey berührter Prophetiſchen Gewonheit/ wie andaͤchtige
Chriſten ohne mein weitlenfftiges Erinnern leicht ſpuͤren werden.

Continet
hic textus
I.
Exhorta-
tionem pa-
theticam.

Es begreiffet aber dis Stuͤck der Weiſſagung/ das wir anitzo
zu erklaͤren haben vor uns genommen: Erſtlich/ Exhortationem
patheticam:
eine gantz bewegliche Ermahnung. Dieſelbige
zwar beruhet ſchlechter dinge auff dieſem Ausſpruche: Die Juͤden
ſollen den Tempel bawen. Aber dis ſetzt Haggai nicht ſo bloß da-
hin/ ſondern auff gut Redneriſch ſetzt er an die Leute/ wiederholet
vorige Centnerwort/ und ſagt: So ſpricht der Herr Ze-
baoth: Schawet/ wie es euch gehet;
Als wolt er ſprechen:
Jſt denn das nicht Vngemath/ iſt denn das nicht Schade/ iſt denn
das nicht Straffe gnug/ daß ihr alſo ſeyd heimgeſuchet worden?
Nehmet doch endlich zu Hertzen/ was euch begegnet/ und aus was
Vrſachen es euch alſo gegangen iſt. Es weiſets ja der Augenſchein/
daß aller Vnſegen von der Hindanſetzung des Tempelbaws iſt ent-
ſprungen und hergefloſſen. Habt ihr vorhin meiner Predigt nicht
glaͤuben wollen/ ey ſo iſt euch nunmehr der Glaube zur Gnuͤge in die
Haͤnde kommen. Es iſt Zeit/ daß ihr ohn weitern Verzug des
Herrn Willen thut/ und ferner Vnheil durch fleiſſiges Gebet
abwendet. Das iſt aber der Befehl GOttes: Gehet hin auffs
Gebirge/ und holet Holtz/ und bawet das Haus.
Etzliche
verſtehen durch das Gebirge/ den Berg Moria/ darauff der Tem-
pel geſtanden hat/ und were/ ihrer Deutung nach/ die Meynung die-

ſe:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0086" n="66"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die vierdte Predigt/</hi></fw><lb/>
brechen/ (denn wie wolte es dem himmli&#x017F;chen Redner/ GOtt dem<lb/>
heiligen Gei&#x017F;te/ der ihnen alles hat eingegeben/ daran fehlen?) &#x017F;on-<lb/>
dern/ es &#x017F;ol vielmehr die&#x017F;es einen gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Nachdruck haben/ oder<lb/>
de&#x017F;to mehr durch dringen. Vnd eben ge&#x017F;chicht das umb der unacht-<lb/>
&#x017F;amen Zuho&#x0364;rer willen/ die immerdar wollen getrieben &#x017F;eyn/ und de-<lb/>
nen man alles vielfa&#x0364;ltig einbla&#x0364;wen muß/ wenn es an ihnen hafften/<lb/>
und in ihnen verfangen &#x017F;ol. Damit nun auch denen Ju&#x0364;den nicht<lb/>
alles was geprediget ward entfallen/ und die Wort ohne Frucht vor<lb/>
ihren Ohren dahin rau&#x017F;chen mo&#x0364;chten/ &#x017F;o bleibet der Mann GOttes<lb/><hi rendition="#fr">Haggai</hi> bey berührter Propheti&#x017F;chen Gewonheit/ wie anda&#x0364;chtige<lb/>
Chri&#x017F;ten ohne mein weitlenfftiges Erinnern leicht &#x017F;pu&#x0364;ren werden.</p><lb/>
            <note place="left"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Continet<lb/>
hic textus<lb/>
I.<lb/>
Exhorta-<lb/>
tionem pa-<lb/>
theticam.</hi> </hi> </note>
            <p>Es begreiffet aber dis Stu&#x0364;ck der Wei&#x017F;&#x017F;agung/ das wir anitzo<lb/>
zu erkla&#x0364;ren haben vor uns genommen: <hi rendition="#fr">Er&#x017F;tlich/</hi> <hi rendition="#aq">Exhortationem<lb/>
patheticam:</hi> <hi rendition="#fr">eine gantz bewegliche Ermahnung.</hi> Die&#x017F;elbige<lb/>
zwar beruhet &#x017F;chlechter dinge auff die&#x017F;em Aus&#x017F;pruche: Die Ju&#x0364;den<lb/>
&#x017F;ollen den Tempel bawen. Aber dis &#x017F;etzt <hi rendition="#fr">Haggai</hi> nicht &#x017F;o bloß da-<lb/>
hin/ &#x017F;ondern auff gut Redneri&#x017F;ch &#x017F;etzt er an die Leute/ wiederholet<lb/>
vorige Centnerwort/ und &#x017F;agt: <hi rendition="#fr">So &#x017F;pricht der <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Herr</hi></hi> Ze-<lb/>
baoth: Schawet/ wie es euch gehet;</hi> Als wolt er &#x017F;prechen:<lb/>
J&#x017F;t denn das nicht Vngemath/ i&#x017F;t denn das nicht Schade/ i&#x017F;t denn<lb/>
das nicht Straffe gnug/ daß ihr al&#x017F;o &#x017F;eyd heimge&#x017F;uchet worden?<lb/>
Nehmet doch endlich zu Hertzen/ was euch begegnet/ und aus was<lb/>
Vr&#x017F;achen es euch al&#x017F;o gegangen i&#x017F;t. Es wei&#x017F;ets ja der Augen&#x017F;chein/<lb/>
daß aller Vn&#x017F;egen von der Hindan&#x017F;etzung des Tempelbaws i&#x017F;t ent-<lb/>
&#x017F;prungen und hergeflo&#x017F;&#x017F;en. Habt ihr vorhin meiner Predigt nicht<lb/>
gla&#x0364;uben wollen/ ey &#x017F;o i&#x017F;t euch nunmehr der Glaube zur Gnu&#x0364;ge in die<lb/>
Ha&#x0364;nde kommen. Es i&#x017F;t Zeit/ daß ihr ohn weitern Verzug des<lb/><hi rendition="#k">Herrn</hi> Willen thut/ und ferner Vnheil durch flei&#x017F;&#x017F;iges Gebet<lb/>
abwendet. Das i&#x017F;t aber der Befehl GOttes: <hi rendition="#fr">Gehet hin auffs<lb/>
Gebirge/ und holet Holtz/ und bawet das Haus.</hi> Etzliche<lb/>
ver&#x017F;tehen durch das Gebirge/ den Berg <hi rendition="#fr">Moria/</hi> darauff der Tem-<lb/>
pel ge&#x017F;tanden hat/ und were/ ihrer Deutung nach/ die Meynung die-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;e:</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0086] Die vierdte Predigt/ brechen/ (denn wie wolte es dem himmliſchen Redner/ GOtt dem heiligen Geiſte/ der ihnen alles hat eingegeben/ daran fehlen?) ſon- dern/ es ſol vielmehr dieſes einen groͤſſern Nachdruck haben/ oder deſto mehr durch dringen. Vnd eben geſchicht das umb der unacht- ſamen Zuhoͤrer willen/ die immerdar wollen getrieben ſeyn/ und de- nen man alles vielfaͤltig einblaͤwen muß/ wenn es an ihnen hafften/ und in ihnen verfangen ſol. Damit nun auch denen Juͤden nicht alles was geprediget ward entfallen/ und die Wort ohne Frucht vor ihren Ohren dahin rauſchen moͤchten/ ſo bleibet der Mann GOttes Haggai bey berührter Prophetiſchen Gewonheit/ wie andaͤchtige Chriſten ohne mein weitlenfftiges Erinnern leicht ſpuͤren werden. Es begreiffet aber dis Stuͤck der Weiſſagung/ das wir anitzo zu erklaͤren haben vor uns genommen: Erſtlich/ Exhortationem patheticam: eine gantz bewegliche Ermahnung. Dieſelbige zwar beruhet ſchlechter dinge auff dieſem Ausſpruche: Die Juͤden ſollen den Tempel bawen. Aber dis ſetzt Haggai nicht ſo bloß da- hin/ ſondern auff gut Redneriſch ſetzt er an die Leute/ wiederholet vorige Centnerwort/ und ſagt: So ſpricht der Herr Ze- baoth: Schawet/ wie es euch gehet; Als wolt er ſprechen: Jſt denn das nicht Vngemath/ iſt denn das nicht Schade/ iſt denn das nicht Straffe gnug/ daß ihr alſo ſeyd heimgeſuchet worden? Nehmet doch endlich zu Hertzen/ was euch begegnet/ und aus was Vrſachen es euch alſo gegangen iſt. Es weiſets ja der Augenſchein/ daß aller Vnſegen von der Hindanſetzung des Tempelbaws iſt ent- ſprungen und hergefloſſen. Habt ihr vorhin meiner Predigt nicht glaͤuben wollen/ ey ſo iſt euch nunmehr der Glaube zur Gnuͤge in die Haͤnde kommen. Es iſt Zeit/ daß ihr ohn weitern Verzug des Herrn Willen thut/ und ferner Vnheil durch fleiſſiges Gebet abwendet. Das iſt aber der Befehl GOttes: Gehet hin auffs Gebirge/ und holet Holtz/ und bawet das Haus. Etzliche verſtehen durch das Gebirge/ den Berg Moria/ darauff der Tem- pel geſtanden hat/ und were/ ihrer Deutung nach/ die Meynung die- ſe:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cundisius_predigten_1648
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cundisius_predigten_1648/86
Zitationshilfe: Cundisius, Gottfried: Der Geistreiche Prophet Haggaj. Leipzig, 1648, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cundisius_predigten_1648/86>, abgerufen am 23.11.2024.