Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Kunstsammlungen, ihre Geschichte und ihre Bestimmung.
der Eingangshalle lesen. Eine andere Frage ist, ob nicht
auch im Alterthume Anlagen vorhanden waren, welche als
Schatzkammern von Kunstdenkmälern unsern Museen entsprachen.

Hier müssen wir gleich zweierlei unterscheiden, gewordene
und gemachte Museen.

Die ersteren waren vorhanden, so lange es eine öffent¬
liche d. h. für die gemeinsamen Interessen des Staats und
der Religion thätige Kunst gab. Museen waren die Königs¬
paläste von Assyrien und Aegypten, wenn darin ein Pracht¬
raum an den andern sich reihte, um durch seine künstlerische
Ausstattung von neuen Siegen und Eroberungen ein monu¬
mentales Zeugniß zu geben.

Bei den Hellenen war die Religion der Boden, in wel¬
chem die Kunst wurzelte. Um die Gottheit zu ehren, arbeitete
der menschliche Geist unablässig, ging von einer Erfindung
zur anderen über, vom Leichten zum Schweren fort, das ein¬
mal Erlernte zähe festhaltend; immer mehr der Stoffe Herr,
immer sicherer befähigt, in jedem, auch dem sprödesten Ma¬
teriale dasjenige zum Ausdruck zu bringen, was das Menschen¬
herz bewegen kann. Indem man sich nun beeiferte, die Gott¬
heit, mit dem Besten, was man bieten konnte, zu erfreuen,
mit den vollsten Garben des Feldes, den kräftigsten Thieren
der Heerde und ebenso mit den edelsten Gestalten menschlicher
Jugend, welche im Tempeldienste, in Festreigen oder im Wett¬
kampfe den Landesgöttern vor Augen traten: so wurde auch
von Allem, was unter ihrem Schutze den Menschenkindern
gelungen war, der Zoll des Danks dargebracht. Der See¬
fahrer und Fischer, der Krieger, der Kaufmann, der Jäger --
Jeder brachte etwas seinem Berufe Entsprechendes. So wur¬
den in jedem Stoffe und jedem Maße die Huldigungen dar¬
gebracht, denn die Götter verschmähen auch des Aermsten Gabe
nicht, während die Reichen es als Pflicht ansahen, ihrem
Vermögen Entsprechendes zu bringen. So wurden die Weih¬
geschenke ein Spiegelbild des bunten Menschenlebens und ein
Maßstab der in allen Gattungen und auf allen Stufen ver¬
tretenen Kunstentwickelung.

Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung.
der Eingangshalle leſen. Eine andere Frage iſt, ob nicht
auch im Alterthume Anlagen vorhanden waren, welche als
Schatzkammern von Kunſtdenkmälern unſern Muſeen entſprachen.

Hier müſſen wir gleich zweierlei unterſcheiden, gewordene
und gemachte Muſeen.

Die erſteren waren vorhanden, ſo lange es eine öffent¬
liche d. h. für die gemeinſamen Intereſſen des Staats und
der Religion thätige Kunſt gab. Muſeen waren die Königs¬
paläſte von Aſſyrien und Aegypten, wenn darin ein Pracht¬
raum an den andern ſich reihte, um durch ſeine künſtleriſche
Ausſtattung von neuen Siegen und Eroberungen ein monu¬
mentales Zeugniß zu geben.

Bei den Hellenen war die Religion der Boden, in wel¬
chem die Kunſt wurzelte. Um die Gottheit zu ehren, arbeitete
der menſchliche Geiſt unabläſſig, ging von einer Erfindung
zur anderen über, vom Leichten zum Schweren fort, das ein¬
mal Erlernte zähe feſthaltend; immer mehr der Stoffe Herr,
immer ſicherer befähigt, in jedem, auch dem ſprödeſten Ma¬
teriale dasjenige zum Ausdruck zu bringen, was das Menſchen¬
herz bewegen kann. Indem man ſich nun beeiferte, die Gott¬
heit, mit dem Beſten, was man bieten konnte, zu erfreuen,
mit den vollſten Garben des Feldes, den kräftigſten Thieren
der Heerde und ebenſo mit den edelſten Geſtalten menſchlicher
Jugend, welche im Tempeldienſte, in Feſtreigen oder im Wett¬
kampfe den Landesgöttern vor Augen traten: ſo wurde auch
von Allem, was unter ihrem Schutze den Menſchenkindern
gelungen war, der Zoll des Danks dargebracht. Der See¬
fahrer und Fiſcher, der Krieger, der Kaufmann, der Jäger —
Jeder brachte etwas ſeinem Berufe Entſprechendes. So wur¬
den in jedem Stoffe und jedem Maße die Huldigungen dar¬
gebracht, denn die Götter verſchmähen auch des Aermſten Gabe
nicht, während die Reichen es als Pflicht anſahen, ihrem
Vermögen Entſprechendes zu bringen. So wurden die Weih¬
geſchenke ein Spiegelbild des bunten Menſchenlebens und ein
Maßſtab der in allen Gattungen und auf allen Stufen ver¬
tretenen Kunſtentwickelung.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0114" n="98"/><fw place="top" type="header">Kun&#x017F;t&#x017F;ammlungen, ihre Ge&#x017F;chichte und ihre Be&#x017F;timmung.<lb/></fw>der Eingangshalle le&#x017F;en. Eine andere Frage i&#x017F;t, ob nicht<lb/>
auch im Alterthume Anlagen vorhanden waren, welche als<lb/>
Schatzkammern von Kun&#x017F;tdenkmälern un&#x017F;ern Mu&#x017F;een ent&#x017F;prachen.</p><lb/>
        <p>Hier mü&#x017F;&#x017F;en wir gleich zweierlei unter&#x017F;cheiden, gewordene<lb/>
und gemachte Mu&#x017F;een.</p><lb/>
        <p>Die er&#x017F;teren waren vorhanden, &#x017F;o lange es eine öffent¬<lb/>
liche d. h. für die gemein&#x017F;amen Intere&#x017F;&#x017F;en des Staats und<lb/>
der Religion thätige Kun&#x017F;t gab. Mu&#x017F;een waren die Königs¬<lb/>
palä&#x017F;te von A&#x017F;&#x017F;yrien und Aegypten, wenn darin ein Pracht¬<lb/>
raum an den andern &#x017F;ich reihte, um durch &#x017F;eine kün&#x017F;tleri&#x017F;che<lb/>
Aus&#x017F;tattung von neuen Siegen und Eroberungen ein monu¬<lb/>
mentales Zeugniß zu geben.</p><lb/>
        <p>Bei den Hellenen war die Religion der Boden, in wel¬<lb/>
chem die Kun&#x017F;t wurzelte. Um die Gottheit zu ehren, arbeitete<lb/>
der men&#x017F;chliche Gei&#x017F;t unablä&#x017F;&#x017F;ig, ging von einer Erfindung<lb/>
zur anderen über, vom Leichten zum Schweren fort, das ein¬<lb/>
mal Erlernte zähe fe&#x017F;thaltend; immer mehr der Stoffe Herr,<lb/>
immer &#x017F;icherer befähigt, in jedem, auch dem &#x017F;pröde&#x017F;ten Ma¬<lb/>
teriale dasjenige zum Ausdruck zu bringen, was das Men&#x017F;chen¬<lb/>
herz bewegen kann. Indem man &#x017F;ich nun beeiferte, die Gott¬<lb/>
heit, mit dem Be&#x017F;ten, was man bieten konnte, zu erfreuen,<lb/>
mit den voll&#x017F;ten Garben des Feldes, den kräftig&#x017F;ten Thieren<lb/>
der Heerde und eben&#x017F;o mit den edel&#x017F;ten Ge&#x017F;talten men&#x017F;chlicher<lb/>
Jugend, welche im Tempeldien&#x017F;te, in Fe&#x017F;treigen oder im Wett¬<lb/>
kampfe den Landesgöttern vor Augen traten: &#x017F;o wurde auch<lb/>
von Allem, was unter ihrem Schutze den Men&#x017F;chenkindern<lb/>
gelungen war, der Zoll des Danks dargebracht. Der See¬<lb/>
fahrer und Fi&#x017F;cher, der Krieger, der Kaufmann, der Jäger &#x2014;<lb/>
Jeder brachte etwas &#x017F;einem Berufe Ent&#x017F;prechendes. So wur¬<lb/>
den in jedem Stoffe und jedem Maße die Huldigungen dar¬<lb/>
gebracht, denn die Götter ver&#x017F;chmähen auch des Aerm&#x017F;ten Gabe<lb/>
nicht, während die Reichen es als Pflicht an&#x017F;ahen, ihrem<lb/>
Vermögen Ent&#x017F;prechendes zu bringen. So wurden die Weih¬<lb/>
ge&#x017F;chenke ein Spiegelbild des bunten Men&#x017F;chenlebens und ein<lb/>
Maß&#x017F;tab der in allen Gattungen und auf allen Stufen ver¬<lb/>
tretenen Kun&#x017F;tentwickelung.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0114] Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung. der Eingangshalle leſen. Eine andere Frage iſt, ob nicht auch im Alterthume Anlagen vorhanden waren, welche als Schatzkammern von Kunſtdenkmälern unſern Muſeen entſprachen. Hier müſſen wir gleich zweierlei unterſcheiden, gewordene und gemachte Muſeen. Die erſteren waren vorhanden, ſo lange es eine öffent¬ liche d. h. für die gemeinſamen Intereſſen des Staats und der Religion thätige Kunſt gab. Muſeen waren die Königs¬ paläſte von Aſſyrien und Aegypten, wenn darin ein Pracht¬ raum an den andern ſich reihte, um durch ſeine künſtleriſche Ausſtattung von neuen Siegen und Eroberungen ein monu¬ mentales Zeugniß zu geben. Bei den Hellenen war die Religion der Boden, in wel¬ chem die Kunſt wurzelte. Um die Gottheit zu ehren, arbeitete der menſchliche Geiſt unabläſſig, ging von einer Erfindung zur anderen über, vom Leichten zum Schweren fort, das ein¬ mal Erlernte zähe feſthaltend; immer mehr der Stoffe Herr, immer ſicherer befähigt, in jedem, auch dem ſprödeſten Ma¬ teriale dasjenige zum Ausdruck zu bringen, was das Menſchen¬ herz bewegen kann. Indem man ſich nun beeiferte, die Gott¬ heit, mit dem Beſten, was man bieten konnte, zu erfreuen, mit den vollſten Garben des Feldes, den kräftigſten Thieren der Heerde und ebenſo mit den edelſten Geſtalten menſchlicher Jugend, welche im Tempeldienſte, in Feſtreigen oder im Wett¬ kampfe den Landesgöttern vor Augen traten: ſo wurde auch von Allem, was unter ihrem Schutze den Menſchenkindern gelungen war, der Zoll des Danks dargebracht. Der See¬ fahrer und Fiſcher, der Krieger, der Kaufmann, der Jäger — Jeder brachte etwas ſeinem Berufe Entſprechendes. So wur¬ den in jedem Stoffe und jedem Maße die Huldigungen dar¬ gebracht, denn die Götter verſchmähen auch des Aermſten Gabe nicht, während die Reichen es als Pflicht anſahen, ihrem Vermögen Entſprechendes zu bringen. So wurden die Weih¬ geſchenke ein Spiegelbild des bunten Menſchenlebens und ein Maßſtab der in allen Gattungen und auf allen Stufen ver¬ tretenen Kunſtentwickelung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/114
Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/114>, abgerufen am 28.11.2024.