Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Kunstsammlungen, ihre Geschichte und ihre Bestimmung. Im Tempel von Ephesos sah man das Bild der Nacht, Unter priesterlicher Aufsicht wurden in den Tempeln und Das sind die Museen, welche sich im Laufe der Jahr¬ Als nun unter Alexander und seinen Feldherren neue 7*
Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung. Im Tempel von Epheſos ſah man das Bild der Nacht, Unter prieſterlicher Aufſicht wurden in den Tempeln und Das ſind die Muſeen, welche ſich im Laufe der Jahr¬ Als nun unter Alexander und ſeinen Feldherren neue 7*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0115" n="99"/> <fw place="top" type="header">Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung.<lb/></fw> <p>Im Tempel von Epheſos ſah man das Bild der Nacht,<lb/> eine der ehrwürdigſten Incunabeln griechiſcher Kunſt, und da¬<lb/> neben aus der Zeit des Pheidias eine ſo ſtattliche Reihe von<lb/> Amazonenſtatuen, daß man ſie aus einer vom Tempelinſtitute<lb/> ausgegangenen Concurrenz erklärte; man ſah dort die ſchönſten<lb/> Gemälde des Apelles und die Silberbecher des Mentor, deſſen<lb/> Werke die Tiſche der römiſchen Großen zierten.</p><lb/> <p>Unter prieſterlicher Aufſicht wurden in den Tempeln und<lb/> vor denſelben, im Schatten des Tempelhains oder in beſon¬<lb/> dern Schatzgebäuden die Gegenſtände aufbewahrt und von<lb/> Tempeldienern erklärt; es waren die vollſtändigſten Muſeen,<lb/> die erſten Zielpunkte aller Reiſenden. Hier ſchaute man die<lb/> Reliquien der Heroenzeit, die Waffen berühmter Helden; hier<lb/> zeigte man die denkwürdigen Ueberreſte früherer Culturperio¬<lb/> den, wie z. B. die Silberbarren, die vor Einführung des<lb/> Geldes gebraucht worden waren, im Heratempel von Argos.<lb/> Die Tempelparks waren mit ſeltenen Thieren und Gewächſen<lb/> ausgeſtattet. Hier war unendlicher Stoff zur Unterhaltung<lb/> und Belehrung vereinigt; hier alſo auch ein Sammelort derer,<lb/> welche ihren Blick über die nächſten Lebensſphären auszudehnen<lb/> ſuchten. Daher ſaßen Männer, wie Plutarch, auf den Stufen<lb/> des delphiſchen Tempels, in deſſen anregender Nähe einige<lb/> ſeiner inhaltreichſten Geſpräche geführt worden ſind.</p><lb/> <p>Das ſind die Muſeen, welche ſich im Laufe der Jahr¬<lb/> hunderte von ſelbſt gebildet haben, die aus dem geſchichtlichen<lb/> Leben des Volks hervorgewachſenen, die Tempelhöfe von<lb/> Epheſos und Samos, die Heiligthümer Olympia und Delphi,<lb/> die Akropolis von Athen.</p><lb/> <p>Als nun unter Alexander und ſeinen Feldherren neue<lb/> Königsſtädte als Pflanzſtätten helleniſcher Bildung aufgebaut<lb/> wurden, wollte man das, was die geweihten Stätten des<lb/> Mutterlandes auszeichnete, in die neuen Gründungen über¬<lb/> tragen. Man wollte dem Boden die Geſchichte, welche ihm<lb/> fehlte, künſtlich erſetzen, wie man es etwa in Amerika machte,<lb/> indem man als Centrum des Staats ein Capitol anlegte, um<lb/> ſchon dadurch anzuzeigen, daß man nicht von vorn anfangen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">7*<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [99/0115]
Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung.
Im Tempel von Epheſos ſah man das Bild der Nacht,
eine der ehrwürdigſten Incunabeln griechiſcher Kunſt, und da¬
neben aus der Zeit des Pheidias eine ſo ſtattliche Reihe von
Amazonenſtatuen, daß man ſie aus einer vom Tempelinſtitute
ausgegangenen Concurrenz erklärte; man ſah dort die ſchönſten
Gemälde des Apelles und die Silberbecher des Mentor, deſſen
Werke die Tiſche der römiſchen Großen zierten.
Unter prieſterlicher Aufſicht wurden in den Tempeln und
vor denſelben, im Schatten des Tempelhains oder in beſon¬
dern Schatzgebäuden die Gegenſtände aufbewahrt und von
Tempeldienern erklärt; es waren die vollſtändigſten Muſeen,
die erſten Zielpunkte aller Reiſenden. Hier ſchaute man die
Reliquien der Heroenzeit, die Waffen berühmter Helden; hier
zeigte man die denkwürdigen Ueberreſte früherer Culturperio¬
den, wie z. B. die Silberbarren, die vor Einführung des
Geldes gebraucht worden waren, im Heratempel von Argos.
Die Tempelparks waren mit ſeltenen Thieren und Gewächſen
ausgeſtattet. Hier war unendlicher Stoff zur Unterhaltung
und Belehrung vereinigt; hier alſo auch ein Sammelort derer,
welche ihren Blick über die nächſten Lebensſphären auszudehnen
ſuchten. Daher ſaßen Männer, wie Plutarch, auf den Stufen
des delphiſchen Tempels, in deſſen anregender Nähe einige
ſeiner inhaltreichſten Geſpräche geführt worden ſind.
Das ſind die Muſeen, welche ſich im Laufe der Jahr¬
hunderte von ſelbſt gebildet haben, die aus dem geſchichtlichen
Leben des Volks hervorgewachſenen, die Tempelhöfe von
Epheſos und Samos, die Heiligthümer Olympia und Delphi,
die Akropolis von Athen.
Als nun unter Alexander und ſeinen Feldherren neue
Königsſtädte als Pflanzſtätten helleniſcher Bildung aufgebaut
wurden, wollte man das, was die geweihten Stätten des
Mutterlandes auszeichnete, in die neuen Gründungen über¬
tragen. Man wollte dem Boden die Geſchichte, welche ihm
fehlte, künſtlich erſetzen, wie man es etwa in Amerika machte,
indem man als Centrum des Staats ein Capitol anlegte, um
ſchon dadurch anzuzeigen, daß man nicht von vorn anfangen
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