Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Kunstsammlungen, ihre Geschichte und ihre Bestimmung. schmack der Kaiserzeit vertreten. Unsere Museen können nurdadurch eine Bedeutung gewinnen, daß sie das gesammte Kunstleben der Vergangenheit zur Uebersicht bringen und da¬ zu bedürfen sie, da der Erwerb von Originalen immer ein sehr beschränkter und von Zufälligkeiten abhängiger bleibt, namentlich für das Gebiet der Skulptur, einer Ergänzung -- durch Abgüsse. Die älteren Museen waren zu vornehm, um Abgüsse aufzunehmen, obgleich schon Franz I. den Werth der¬ selben erkannte und durch Primaticcio eine Auswahl römischer Kunstwerke abformen ließ, ein Beispiel, welchem Karl III. von Spanien gefolgt ist und dadurch die Bildung der Rafael Mengs'schen Sammlung veranlaßt hat. Bei uns sind die Gipsabgüsse als unentbehrlicher Theil Von den wissenschaftlichen Forschungen, denen unser Dop¬ Des Tags Geschäfte sind für die Meisten der Art, daß Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung. ſchmack der Kaiſerzeit vertreten. Unſere Muſeen können nurdadurch eine Bedeutung gewinnen, daß ſie das geſammte Kunſtleben der Vergangenheit zur Ueberſicht bringen und da¬ zu bedürfen ſie, da der Erwerb von Originalen immer ein ſehr beſchränkter und von Zufälligkeiten abhängiger bleibt, namentlich für das Gebiet der Skulptur, einer Ergänzung — durch Abgüſſe. Die älteren Muſeen waren zu vornehm, um Abgüſſe aufzunehmen, obgleich ſchon Franz I. den Werth der¬ ſelben erkannte und durch Primaticcio eine Auswahl römiſcher Kunſtwerke abformen ließ, ein Beiſpiel, welchem Karl III. von Spanien gefolgt iſt und dadurch die Bildung der Rafael Mengs'ſchen Sammlung veranlaßt hat. Bei uns ſind die Gipsabgüſſe als unentbehrlicher Theil Von den wiſſenſchaftlichen Forſchungen, denen unſer Dop¬ Des Tags Geſchäfte ſind für die Meiſten der Art, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0128" n="112"/><fw place="top" type="header">Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung.<lb/></fw>ſchmack der Kaiſerzeit vertreten. Unſere Muſeen können nur<lb/> dadurch eine Bedeutung gewinnen, daß ſie das geſammte<lb/> Kunſtleben der Vergangenheit zur Ueberſicht bringen und da¬<lb/> zu bedürfen ſie, da der Erwerb von Originalen immer ein<lb/> ſehr beſchränkter und von Zufälligkeiten abhängiger bleibt,<lb/> namentlich für das Gebiet der Skulptur, einer Ergänzung —<lb/> durch Abgüſſe. Die älteren Muſeen waren zu vornehm, um<lb/> Abgüſſe aufzunehmen, obgleich ſchon Franz <hi rendition="#aq">I</hi>. den Werth der¬<lb/> ſelben erkannte und durch Primaticcio eine Auswahl römiſcher<lb/> Kunſtwerke abformen ließ, ein Beiſpiel, welchem Karl <hi rendition="#aq">III</hi>. von<lb/> Spanien gefolgt iſt und dadurch die Bildung der Rafael<lb/> Mengs'ſchen Sammlung veranlaßt hat.</p><lb/> <p>Bei uns ſind die Gipsabgüſſe als unentbehrlicher Theil<lb/> eines wiſſenſchaftlichen Kunſtmuſeums zu voller Anerkennung<lb/> gekommen durch den Bau des neuen Muſeums, in welchem<lb/> König Friedrich Wilhelm <hi rendition="#aq">IV</hi>. ein unvergängliches Denkmal<lb/> ſeiner Kunſtliebe und ſeiner edlen Fürſorge für die höheren<lb/> Volksintereſſen geſtiftet hat Die Gipsſammlung ergänzt die<lb/> Antikenſammlung, wie das Kupferſtichkabinet die Gemälde.<lb/> Sie iſt die einzige Sammlung, welche man, von der Zufällig¬<lb/> keit des Angebots unabhängig, mit mäßigen Mitteln zu einer<lb/> relativen Vollſtändigkeit methodiſch erweitern kann.</p><lb/> <p>Von den wiſſenſchaftlichen Forſchungen, denen unſer Dop¬<lb/> pelmuſeum mit ſeinen Gemälden und Bildwerken, ſeinen Zeich¬<lb/> nungen, Stichen und Geweben, ſeinen Arbeiten in Metall,<lb/> Thon, Moſaik und Glas, ſeinen Münzen, Gemmen und hiſtori¬<lb/> ſchen Alterthümern unerſchöpflichen Stoff darbietet, läßt ſich<lb/> in Kürze nicht reden; nur davon noch ein Wort, was es, von<lb/> den Studien des Kunſtforſchers und des Künſtlers abgeſehen,<lb/> dem Gebildeten ſein kann.</p><lb/> <p>Des Tags Geſchäfte ſind für die Meiſten der Art, daß<lb/> ſie für Dinge, welche des Eifers nicht würdig ſind, alle Kräfte<lb/> in Bewegung ſetzen. Je haſtiger und athemloſer dies ge¬<lb/> ſchieht, um ſo mehr wird der Menſch von den Kleinigkeiten<lb/> des Augenblicks überwältigt und ſeinen wahren Intereſſen<lb/> entfremdet; er verliert ſich ſelbſt. Da iſt es die Kunſt, welche<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [112/0128]
Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung.
ſchmack der Kaiſerzeit vertreten. Unſere Muſeen können nur
dadurch eine Bedeutung gewinnen, daß ſie das geſammte
Kunſtleben der Vergangenheit zur Ueberſicht bringen und da¬
zu bedürfen ſie, da der Erwerb von Originalen immer ein
ſehr beſchränkter und von Zufälligkeiten abhängiger bleibt,
namentlich für das Gebiet der Skulptur, einer Ergänzung —
durch Abgüſſe. Die älteren Muſeen waren zu vornehm, um
Abgüſſe aufzunehmen, obgleich ſchon Franz I. den Werth der¬
ſelben erkannte und durch Primaticcio eine Auswahl römiſcher
Kunſtwerke abformen ließ, ein Beiſpiel, welchem Karl III. von
Spanien gefolgt iſt und dadurch die Bildung der Rafael
Mengs'ſchen Sammlung veranlaßt hat.
Bei uns ſind die Gipsabgüſſe als unentbehrlicher Theil
eines wiſſenſchaftlichen Kunſtmuſeums zu voller Anerkennung
gekommen durch den Bau des neuen Muſeums, in welchem
König Friedrich Wilhelm IV. ein unvergängliches Denkmal
ſeiner Kunſtliebe und ſeiner edlen Fürſorge für die höheren
Volksintereſſen geſtiftet hat Die Gipsſammlung ergänzt die
Antikenſammlung, wie das Kupferſtichkabinet die Gemälde.
Sie iſt die einzige Sammlung, welche man, von der Zufällig¬
keit des Angebots unabhängig, mit mäßigen Mitteln zu einer
relativen Vollſtändigkeit methodiſch erweitern kann.
Von den wiſſenſchaftlichen Forſchungen, denen unſer Dop¬
pelmuſeum mit ſeinen Gemälden und Bildwerken, ſeinen Zeich¬
nungen, Stichen und Geweben, ſeinen Arbeiten in Metall,
Thon, Moſaik und Glas, ſeinen Münzen, Gemmen und hiſtori¬
ſchen Alterthümern unerſchöpflichen Stoff darbietet, läßt ſich
in Kürze nicht reden; nur davon noch ein Wort, was es, von
den Studien des Kunſtforſchers und des Künſtlers abgeſehen,
dem Gebildeten ſein kann.
Des Tags Geſchäfte ſind für die Meiſten der Art, daß
ſie für Dinge, welche des Eifers nicht würdig ſind, alle Kräfte
in Bewegung ſetzen. Je haſtiger und athemloſer dies ge¬
ſchieht, um ſo mehr wird der Menſch von den Kleinigkeiten
des Augenblicks überwältigt und ſeinen wahren Intereſſen
entfremdet; er verliert ſich ſelbſt. Da iſt es die Kunſt, welche
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