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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Kunstsammlungen, ihre Geschichte und ihre Bestimmung.
verschieden auch die Auffassungen und Darstellungen des Gött¬
lichen sind, so geht doch ein "Ehre sei Gott in der Höhe"
wie ein stiller Chor durch alle Räume eines Kunstmuseums
hindurch und wir werden eingedenk, wie alle Erfindungen der
Technik und alle Fortschritte erfahrungsmäßiger Kenntnisse
dem Menschen niemals dasjenige ersetzen können, was ihn zu
echten Kunstschöpfungen befähigt.

Die Museen sollen uns mit der Vergangenheit verbunden
halten und uns davor bewahren, einseitig modern zu werden.
Wie einst in Antiochien und Alexandrien, in Rom und Byzanz,
so sollen sie auch bei uns auf die Grundlagen hinweisen,
welche die Bildung der Gegenwart tragen. So aufgefaßt,
werden die öffentlichen Sammlungen Plätze geschichtlicher Welt¬
betrachtung, ja sie werden dann auch in dem Sinne, den wir
zuerst besprochen haben, im echt hellenischen Wortsinne Museen,
d. h. Stätten des Musendienstes, stiller Sammlung geweiht
und dem fruchtbaren Nachdenken über die Ziele des geistigen
Lebens und die Gesetze seiner Entwickelung.

Gewiß hat unser Museum den Zwecken der königlichen
Gründer in hohem Grade entsprochen; es ist der Gegenstand
einer stets wachsenden Theilnahme, es ist schon jetzt ein Centrum
geworden, von dem vielseitige Kunstkenntniß ausströmt und
Material für Kunststudien verbreitet wird; auch dürfen wir
sagen, daß es mit der höhern Jugendbildung viel enger ver¬
bunden ist, als die an Originalwerken ersten Ranges ungleich
reicheren Museen des Auslandes.

Eine andere Art der Betheiligung ist freilich im Aus¬
lande viel größer als bei uns. Im Louvre wie im britischen
Museum trifft man in allen Räumen Gegenstände, welche in
zwiefacher Weise Denkmäler sind, Denkmäler der Kunst und
Denkmäler einer patriotischen Betheiligung von Privatmännern
an einer Anstalt, deren fortschreitende Vervollkommnung die
Ehre des Vaterlandes ist.

Bei uns ist man auf jedem Gebiete des öffentlichen Le¬
bens zu lange gewohnt gewesen, Alles die Regierung thun
zu lassen und sich auf den Standpunkt des kritischen Beobach¬

Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung.
verſchieden auch die Auffaſſungen und Darſtellungen des Gött¬
lichen ſind, ſo geht doch ein »Ehre ſei Gott in der Höhe«
wie ein ſtiller Chor durch alle Räume eines Kunſtmuſeums
hindurch und wir werden eingedenk, wie alle Erfindungen der
Technik und alle Fortſchritte erfahrungsmäßiger Kenntniſſe
dem Menſchen niemals dasjenige erſetzen können, was ihn zu
echten Kunſtſchöpfungen befähigt.

Die Muſeen ſollen uns mit der Vergangenheit verbunden
halten und uns davor bewahren, einſeitig modern zu werden.
Wie einſt in Antiochien und Alexandrien, in Rom und Byzanz,
ſo ſollen ſie auch bei uns auf die Grundlagen hinweiſen,
welche die Bildung der Gegenwart tragen. So aufgefaßt,
werden die öffentlichen Sammlungen Plätze geſchichtlicher Welt¬
betrachtung, ja ſie werden dann auch in dem Sinne, den wir
zuerſt beſprochen haben, im echt helleniſchen Wortſinne Muſeen,
d. h. Stätten des Muſendienſtes, ſtiller Sammlung geweiht
und dem fruchtbaren Nachdenken über die Ziele des geiſtigen
Lebens und die Geſetze ſeiner Entwickelung.

Gewiß hat unſer Muſeum den Zwecken der königlichen
Gründer in hohem Grade entſprochen; es iſt der Gegenſtand
einer ſtets wachſenden Theilnahme, es iſt ſchon jetzt ein Centrum
geworden, von dem vielſeitige Kunſtkenntniß ausſtrömt und
Material für Kunſtſtudien verbreitet wird; auch dürfen wir
ſagen, daß es mit der höhern Jugendbildung viel enger ver¬
bunden iſt, als die an Originalwerken erſten Ranges ungleich
reicheren Muſeen des Auslandes.

Eine andere Art der Betheiligung iſt freilich im Aus¬
lande viel größer als bei uns. Im Louvre wie im britiſchen
Muſeum trifft man in allen Räumen Gegenſtände, welche in
zwiefacher Weiſe Denkmäler ſind, Denkmäler der Kunſt und
Denkmäler einer patriotiſchen Betheiligung von Privatmännern
an einer Anſtalt, deren fortſchreitende Vervollkommnung die
Ehre des Vaterlandes iſt.

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bens zu lange gewohnt geweſen, Alles die Regierung thun
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[114/0130] Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung. verſchieden auch die Auffaſſungen und Darſtellungen des Gött¬ lichen ſind, ſo geht doch ein »Ehre ſei Gott in der Höhe« wie ein ſtiller Chor durch alle Räume eines Kunſtmuſeums hindurch und wir werden eingedenk, wie alle Erfindungen der Technik und alle Fortſchritte erfahrungsmäßiger Kenntniſſe dem Menſchen niemals dasjenige erſetzen können, was ihn zu echten Kunſtſchöpfungen befähigt. Die Muſeen ſollen uns mit der Vergangenheit verbunden halten und uns davor bewahren, einſeitig modern zu werden. Wie einſt in Antiochien und Alexandrien, in Rom und Byzanz, ſo ſollen ſie auch bei uns auf die Grundlagen hinweiſen, welche die Bildung der Gegenwart tragen. So aufgefaßt, werden die öffentlichen Sammlungen Plätze geſchichtlicher Welt¬ betrachtung, ja ſie werden dann auch in dem Sinne, den wir zuerſt beſprochen haben, im echt helleniſchen Wortſinne Muſeen, d. h. Stätten des Muſendienſtes, ſtiller Sammlung geweiht und dem fruchtbaren Nachdenken über die Ziele des geiſtigen Lebens und die Geſetze ſeiner Entwickelung. Gewiß hat unſer Muſeum den Zwecken der königlichen Gründer in hohem Grade entſprochen; es iſt der Gegenſtand einer ſtets wachſenden Theilnahme, es iſt ſchon jetzt ein Centrum geworden, von dem vielſeitige Kunſtkenntniß ausſtrömt und Material für Kunſtſtudien verbreitet wird; auch dürfen wir ſagen, daß es mit der höhern Jugendbildung viel enger ver¬ bunden iſt, als die an Originalwerken erſten Ranges ungleich reicheren Muſeen des Auslandes. Eine andere Art der Betheiligung iſt freilich im Aus¬ lande viel größer als bei uns. Im Louvre wie im britiſchen Muſeum trifft man in allen Räumen Gegenſtände, welche in zwiefacher Weiſe Denkmäler ſind, Denkmäler der Kunſt und Denkmäler einer patriotiſchen Betheiligung von Privatmännern an einer Anſtalt, deren fortſchreitende Vervollkommnung die Ehre des Vaterlandes iſt. Bei uns iſt man auf jedem Gebiete des öffentlichen Le¬ bens zu lange gewohnt geweſen, Alles die Regierung thun zu laſſen und ſich auf den Standpunkt des kritiſchen Beobach¬

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Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/130>, abgerufen am 30.11.2024.