Die öffentliche Pflege von Wissenschaft und Kunst.
In allen diesen Punkten sind wir aber nicht berechtigt, nur Anforderungen zu stellen, Ansprüche zu erheben und mit kritischem Auge aufzumerken, was etwa der Staat zu Stande bringen könne, sondern es ist eine Aufgabe aller Gebildeten, es ist die Aufgabe des Volks, die Werthschätzung der geistigen Güter fortdauernd zu heben, und wenn ein Krieg, der um die Unabhängigkeit des Landes geführt wird, nicht anders gelingen kann als durch eine freithätige Betheiligung des gesammten Volks, so noch viel weniger die Aufgabe des Friedens.
Was in hellenistischem Sinne geschieht, das kann ge¬ macht werden; dazu sind guter Wille, staatsmännische Umsicht und ein gefüllter Staatsschatz ausreichend.
Was in hellenischem Sinne geschehen soll, ist nicht für Geld und Macht zu haben; es muß aus dem Geist geboren sein und alle Veranstaltungen, welche nur von Amtswegen erfolgen, sind auf diesem Gebiete wirkungslos.
Wir stehen jetzt, wer will es läugnen? an einem entschei¬ denden Wendepunkte unserer Geschichte.
Es kommt darauf an, daß das Gefühl einer idealen Ge¬ meinschaft, das in den Tagen der Gefahr so lebendig war, im Frieden nicht erkalte und in selbstsüchtige Bestrebungen sich verliere. Es kommt Alles darauf an, daß unser Volk die Kraft bewähre sich treu zu bleiben, damit die hohen Güter, welche zur Zeit äußerer Ohnmacht unsere Stärke und im Zu¬ stande der Zerrissenheit unser Band waren, jetzt nicht entwerthet werden. Bei dem glänzendsten Gewinn würden wir sonst im Verluste sein und bei allem Siegesglanze unsern schönsten Kranz einbüßen.
Fester als je müssen wir uns um jene Güter schaaren, damit jede Anwandlung von Verweichlichung und Ueppigkeit überwunden werde; der ideale Zug des deutschen Volks muß kräftiger werden, als zuvor, um die niederen Triebe, welche in Wohlstand und Frieden anzuwachsen drohen, mit sich fort¬ zureißen, auf daß ein Athemzug des höheren Lebens auch unser tägliches Treiben durchdringe, daß auch jeder sinnliche Genuß verklärt und jedes Gastmahl ein Symposion werde.
Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt.
In allen dieſen Punkten ſind wir aber nicht berechtigt, nur Anforderungen zu ſtellen, Anſprüche zu erheben und mit kritiſchem Auge aufzumerken, was etwa der Staat zu Stande bringen könne, ſondern es iſt eine Aufgabe aller Gebildeten, es iſt die Aufgabe des Volks, die Werthſchätzung der geiſtigen Güter fortdauernd zu heben, und wenn ein Krieg, der um die Unabhängigkeit des Landes geführt wird, nicht anders gelingen kann als durch eine freithätige Betheiligung des geſammten Volks, ſo noch viel weniger die Aufgabe des Friedens.
Was in helleniſtiſchem Sinne geſchieht, das kann ge¬ macht werden; dazu ſind guter Wille, ſtaatsmänniſche Umſicht und ein gefüllter Staatsſchatz ausreichend.
Was in helleniſchem Sinne geſchehen ſoll, iſt nicht für Geld und Macht zu haben; es muß aus dem Geiſt geboren ſein und alle Veranſtaltungen, welche nur von Amtswegen erfolgen, ſind auf dieſem Gebiete wirkungslos.
Wir ſtehen jetzt, wer will es läugnen? an einem entſchei¬ denden Wendepunkte unſerer Geſchichte.
Es kommt darauf an, daß das Gefühl einer idealen Ge¬ meinſchaft, das in den Tagen der Gefahr ſo lebendig war, im Frieden nicht erkalte und in ſelbſtſüchtige Beſtrebungen ſich verliere. Es kommt Alles darauf an, daß unſer Volk die Kraft bewähre ſich treu zu bleiben, damit die hohen Güter, welche zur Zeit äußerer Ohnmacht unſere Stärke und im Zu¬ ſtande der Zerriſſenheit unſer Band waren, jetzt nicht entwerthet werden. Bei dem glänzendſten Gewinn würden wir ſonſt im Verluſte ſein und bei allem Siegesglanze unſern ſchönſten Kranz einbüßen.
Feſter als je müſſen wir uns um jene Güter ſchaaren, damit jede Anwandlung von Verweichlichung und Ueppigkeit überwunden werde; der ideale Zug des deutſchen Volks muß kräftiger werden, als zuvor, um die niederen Triebe, welche in Wohlſtand und Frieden anzuwachſen drohen, mit ſich fort¬ zureißen, auf daß ein Athemzug des höheren Lebens auch unſer tägliches Treiben durchdringe, daß auch jeder ſinnliche Genuß verklärt und jedes Gaſtmahl ein Sympoſion werde.
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Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt.
In allen dieſen Punkten ſind wir aber nicht berechtigt,
nur Anforderungen zu ſtellen, Anſprüche zu erheben und mit
kritiſchem Auge aufzumerken, was etwa der Staat zu Stande
bringen könne, ſondern es iſt eine Aufgabe aller Gebildeten,
es iſt die Aufgabe des Volks, die Werthſchätzung der geiſtigen
Güter fortdauernd zu heben, und wenn ein Krieg, der um die
Unabhängigkeit des Landes geführt wird, nicht anders gelingen
kann als durch eine freithätige Betheiligung des geſammten
Volks, ſo noch viel weniger die Aufgabe des Friedens.
Was in helleniſtiſchem Sinne geſchieht, das kann ge¬
macht werden; dazu ſind guter Wille, ſtaatsmänniſche Umſicht
und ein gefüllter Staatsſchatz ausreichend.
Was in helleniſchem Sinne geſchehen ſoll, iſt nicht für
Geld und Macht zu haben; es muß aus dem Geiſt geboren
ſein und alle Veranſtaltungen, welche nur von Amtswegen
erfolgen, ſind auf dieſem Gebiete wirkungslos.
Wir ſtehen jetzt, wer will es läugnen? an einem entſchei¬
denden Wendepunkte unſerer Geſchichte.
Es kommt darauf an, daß das Gefühl einer idealen Ge¬
meinſchaft, das in den Tagen der Gefahr ſo lebendig war,
im Frieden nicht erkalte und in ſelbſtſüchtige Beſtrebungen
ſich verliere. Es kommt Alles darauf an, daß unſer Volk die
Kraft bewähre ſich treu zu bleiben, damit die hohen Güter,
welche zur Zeit äußerer Ohnmacht unſere Stärke und im Zu¬
ſtande der Zerriſſenheit unſer Band waren, jetzt nicht entwerthet
werden. Bei dem glänzendſten Gewinn würden wir ſonſt im
Verluſte ſein und bei allem Siegesglanze unſern ſchönſten
Kranz einbüßen.
Feſter als je müſſen wir uns um jene Güter ſchaaren,
damit jede Anwandlung von Verweichlichung und Ueppigkeit
überwunden werde; der ideale Zug des deutſchen Volks muß
kräftiger werden, als zuvor, um die niederen Triebe, welche
in Wohlſtand und Frieden anzuwachſen drohen, mit ſich fort¬
zureißen, auf daß ein Athemzug des höheren Lebens auch
unſer tägliches Treiben durchdringe, daß auch jeder ſinnliche
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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/146>, abgerufen am 20.02.2025.
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