Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Arbeit und Muße. von Gott und Welt, wie sie der Buddhismus aufstellt, darinauf dasselbe hinauskommt, daß auch sein Ideal ein Ver¬ löschen der Individualität ist, ein der Welt Absterben, ein Nicht-Wollen und Nicht-Handeln -- und wenn auch bei kräf¬ tigeren Naturvölkern, denen dieses Ideal nicht munden wollte, ein allgemeinerer Begriff von Glück und Wonne an die Stelle trat, so hat er doch in Indien selbst den orientalischen Cha¬ rakter immer behauptet, nach welchem volle Apathie die Vor¬ aussetzung eines glücklichen Lebens ist und also die Abwechse¬ lung von Arbeit und Muße vollkommen aufgehoben wird. Ganz anders war es mit den Bergvölkern Irans, mit So war eine einfache und vernünftige Lebensordnung Arbeit und Muße. von Gott und Welt, wie ſie der Buddhismus aufſtellt, darinauf daſſelbe hinauskommt, daß auch ſein Ideal ein Ver¬ löſchen der Individualität iſt, ein der Welt Abſterben, ein Nicht-Wollen und Nicht-Handeln — und wenn auch bei kräf¬ tigeren Naturvölkern, denen dieſes Ideal nicht munden wollte, ein allgemeinerer Begriff von Glück und Wonne an die Stelle trat, ſo hat er doch in Indien ſelbſt den orientaliſchen Cha¬ rakter immer behauptet, nach welchem volle Apathie die Vor¬ ausſetzung eines glücklichen Lebens iſt und alſo die Abwechſe¬ lung von Arbeit und Muße vollkommen aufgehoben wird. Ganz anders war es mit den Bergvölkern Irans, mit So war eine einfache und vernünftige Lebensordnung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0166" n="150"/><fw place="top" type="header">Arbeit und Muße.<lb/></fw> von Gott und Welt, wie ſie der Buddhismus aufſtellt, darin<lb/> auf daſſelbe hinauskommt, daß auch ſein Ideal ein Ver¬<lb/> löſchen der Individualität iſt, ein der Welt Abſterben, ein<lb/> Nicht-Wollen und Nicht-Handeln — und wenn auch bei kräf¬<lb/> tigeren Naturvölkern, denen dieſes Ideal nicht munden wollte,<lb/> ein allgemeinerer Begriff von Glück und Wonne an die Stelle<lb/> trat, ſo hat er doch in Indien ſelbſt den orientaliſchen Cha¬<lb/> rakter immer behauptet, nach welchem volle Apathie die Vor¬<lb/> ausſetzung eines glücklichen Lebens iſt und alſo die Abwechſe¬<lb/> lung von Arbeit und Muße vollkommen aufgehoben wird.</p><lb/> <p>Ganz anders war es mit den Bergvölkern Irans, mit<lb/> den Medern und Perſern, ſo lange ihr Volksgeiſt kräftig war.<lb/> Hier war ein mattherziges Verzagen, eine träge Indifferenz<lb/> unmöglich. Hier wurde jeder Einzelne in den großen Gegen¬<lb/> ſatz hereingezogen, welcher die Geiſterwelt wie die Völker und<lb/> Länder in zwei Heerlager ſchied. Die Religion verlangte<lb/> Parteinahme und Kampf; ſie forderte unverdroſſene Arbeit in<lb/> Feld, Wald und Garten; ſie verpönte nur das gewinnſüchtige<lb/> Geſchäft und wies die beſchauliche Andacht, in welche das<lb/> Leben der Inder aufging, den Feiertagen und Feierſtunden zu.</p><lb/> <p>So war eine einfache und vernünftige Lebensordnung<lb/> begründet, wie ſie ſich bei allen Zweigen des ariſchen Völker¬<lb/> geſchlechts wiederholt; auch bei den Griechen, ſo lange ſie als<lb/> Pelasger weſentlich Landbauer waren und mit eigener Hand<lb/> den Boden beſtellten. In dieſem Zuſtande iſt ein großer Theil<lb/> des Volks lange geblieben; diejenigen aber, mit welchen die<lb/> Perſer in Berührung kamen, die auf den Inſeln und Küſten<lb/> anſäſſigen Griechen waren mehr als irgend ein anderes Glied<lb/> des ariſchen Völkergeſchlechts mit den ſeefahrenden Semiten in<lb/> Berührung gekommen, welche Handel und Induſtrie im Archi¬<lb/> pelagus eingeführt und mit ihrer Unruhe die Griechenwelt er¬<lb/> füllt haben. Der Kaufmarkt wurde nun der Mittelpunkt der<lb/> Küſtenſtädte, und weil der Perſerkönig in dieſem Zuſtande die<lb/> Griechen kennen lernte, verachtete er ſie, wie Herodot ſagt, als<lb/> ein entartetes Volk, welches außer Stande ſei, einen mann¬<lb/> haft gebliebenen Widerſtand zu leiſten.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [150/0166]
Arbeit und Muße.
von Gott und Welt, wie ſie der Buddhismus aufſtellt, darin
auf daſſelbe hinauskommt, daß auch ſein Ideal ein Ver¬
löſchen der Individualität iſt, ein der Welt Abſterben, ein
Nicht-Wollen und Nicht-Handeln — und wenn auch bei kräf¬
tigeren Naturvölkern, denen dieſes Ideal nicht munden wollte,
ein allgemeinerer Begriff von Glück und Wonne an die Stelle
trat, ſo hat er doch in Indien ſelbſt den orientaliſchen Cha¬
rakter immer behauptet, nach welchem volle Apathie die Vor¬
ausſetzung eines glücklichen Lebens iſt und alſo die Abwechſe¬
lung von Arbeit und Muße vollkommen aufgehoben wird.
Ganz anders war es mit den Bergvölkern Irans, mit
den Medern und Perſern, ſo lange ihr Volksgeiſt kräftig war.
Hier war ein mattherziges Verzagen, eine träge Indifferenz
unmöglich. Hier wurde jeder Einzelne in den großen Gegen¬
ſatz hereingezogen, welcher die Geiſterwelt wie die Völker und
Länder in zwei Heerlager ſchied. Die Religion verlangte
Parteinahme und Kampf; ſie forderte unverdroſſene Arbeit in
Feld, Wald und Garten; ſie verpönte nur das gewinnſüchtige
Geſchäft und wies die beſchauliche Andacht, in welche das
Leben der Inder aufging, den Feiertagen und Feierſtunden zu.
So war eine einfache und vernünftige Lebensordnung
begründet, wie ſie ſich bei allen Zweigen des ariſchen Völker¬
geſchlechts wiederholt; auch bei den Griechen, ſo lange ſie als
Pelasger weſentlich Landbauer waren und mit eigener Hand
den Boden beſtellten. In dieſem Zuſtande iſt ein großer Theil
des Volks lange geblieben; diejenigen aber, mit welchen die
Perſer in Berührung kamen, die auf den Inſeln und Küſten
anſäſſigen Griechen waren mehr als irgend ein anderes Glied
des ariſchen Völkergeſchlechts mit den ſeefahrenden Semiten in
Berührung gekommen, welche Handel und Induſtrie im Archi¬
pelagus eingeführt und mit ihrer Unruhe die Griechenwelt er¬
füllt haben. Der Kaufmarkt wurde nun der Mittelpunkt der
Küſtenſtädte, und weil der Perſerkönig in dieſem Zuſtande die
Griechen kennen lernte, verachtete er ſie, wie Herodot ſagt, als
ein entartetes Volk, welches außer Stande ſei, einen mann¬
haft gebliebenen Widerſtand zu leiſten.
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