von Gott und Welt, wie sie der Buddhismus aufstellt, darin auf dasselbe hinauskommt, daß auch sein Ideal ein Ver¬ löschen der Individualität ist, ein der Welt Absterben, ein Nicht-Wollen und Nicht-Handeln -- und wenn auch bei kräf¬ tigeren Naturvölkern, denen dieses Ideal nicht munden wollte, ein allgemeinerer Begriff von Glück und Wonne an die Stelle trat, so hat er doch in Indien selbst den orientalischen Cha¬ rakter immer behauptet, nach welchem volle Apathie die Vor¬ aussetzung eines glücklichen Lebens ist und also die Abwechse¬ lung von Arbeit und Muße vollkommen aufgehoben wird.
Ganz anders war es mit den Bergvölkern Irans, mit den Medern und Persern, so lange ihr Volksgeist kräftig war. Hier war ein mattherziges Verzagen, eine träge Indifferenz unmöglich. Hier wurde jeder Einzelne in den großen Gegen¬ satz hereingezogen, welcher die Geisterwelt wie die Völker und Länder in zwei Heerlager schied. Die Religion verlangte Parteinahme und Kampf; sie forderte unverdrossene Arbeit in Feld, Wald und Garten; sie verpönte nur das gewinnsüchtige Geschäft und wies die beschauliche Andacht, in welche das Leben der Inder aufging, den Feiertagen und Feierstunden zu.
So war eine einfache und vernünftige Lebensordnung begründet, wie sie sich bei allen Zweigen des arischen Völker¬ geschlechts wiederholt; auch bei den Griechen, so lange sie als Pelasger wesentlich Landbauer waren und mit eigener Hand den Boden bestellten. In diesem Zustande ist ein großer Theil des Volks lange geblieben; diejenigen aber, mit welchen die Perser in Berührung kamen, die auf den Inseln und Küsten ansässigen Griechen waren mehr als irgend ein anderes Glied des arischen Völkergeschlechts mit den seefahrenden Semiten in Berührung gekommen, welche Handel und Industrie im Archi¬ pelagus eingeführt und mit ihrer Unruhe die Griechenwelt er¬ füllt haben. Der Kaufmarkt wurde nun der Mittelpunkt der Küstenstädte, und weil der Perserkönig in diesem Zustande die Griechen kennen lernte, verachtete er sie, wie Herodot sagt, als ein entartetes Volk, welches außer Stande sei, einen mann¬ haft gebliebenen Widerstand zu leisten.
Arbeit und Muße.
von Gott und Welt, wie ſie der Buddhismus aufſtellt, darin auf daſſelbe hinauskommt, daß auch ſein Ideal ein Ver¬ löſchen der Individualität iſt, ein der Welt Abſterben, ein Nicht-Wollen und Nicht-Handeln — und wenn auch bei kräf¬ tigeren Naturvölkern, denen dieſes Ideal nicht munden wollte, ein allgemeinerer Begriff von Glück und Wonne an die Stelle trat, ſo hat er doch in Indien ſelbſt den orientaliſchen Cha¬ rakter immer behauptet, nach welchem volle Apathie die Vor¬ ausſetzung eines glücklichen Lebens iſt und alſo die Abwechſe¬ lung von Arbeit und Muße vollkommen aufgehoben wird.
Ganz anders war es mit den Bergvölkern Irans, mit den Medern und Perſern, ſo lange ihr Volksgeiſt kräftig war. Hier war ein mattherziges Verzagen, eine träge Indifferenz unmöglich. Hier wurde jeder Einzelne in den großen Gegen¬ ſatz hereingezogen, welcher die Geiſterwelt wie die Völker und Länder in zwei Heerlager ſchied. Die Religion verlangte Parteinahme und Kampf; ſie forderte unverdroſſene Arbeit in Feld, Wald und Garten; ſie verpönte nur das gewinnſüchtige Geſchäft und wies die beſchauliche Andacht, in welche das Leben der Inder aufging, den Feiertagen und Feierſtunden zu.
So war eine einfache und vernünftige Lebensordnung begründet, wie ſie ſich bei allen Zweigen des ariſchen Völker¬ geſchlechts wiederholt; auch bei den Griechen, ſo lange ſie als Pelasger weſentlich Landbauer waren und mit eigener Hand den Boden beſtellten. In dieſem Zuſtande iſt ein großer Theil des Volks lange geblieben; diejenigen aber, mit welchen die Perſer in Berührung kamen, die auf den Inſeln und Küſten anſäſſigen Griechen waren mehr als irgend ein anderes Glied des ariſchen Völkergeſchlechts mit den ſeefahrenden Semiten in Berührung gekommen, welche Handel und Induſtrie im Archi¬ pelagus eingeführt und mit ihrer Unruhe die Griechenwelt er¬ füllt haben. Der Kaufmarkt wurde nun der Mittelpunkt der Küſtenſtädte, und weil der Perſerkönig in dieſem Zuſtande die Griechen kennen lernte, verachtete er ſie, wie Herodot ſagt, als ein entartetes Volk, welches außer Stande ſei, einen mann¬ haft gebliebenen Widerſtand zu leiſten.
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Arbeit und Muße.
von Gott und Welt, wie ſie der Buddhismus aufſtellt, darin
auf daſſelbe hinauskommt, daß auch ſein Ideal ein Ver¬
löſchen der Individualität iſt, ein der Welt Abſterben, ein
Nicht-Wollen und Nicht-Handeln — und wenn auch bei kräf¬
tigeren Naturvölkern, denen dieſes Ideal nicht munden wollte,
ein allgemeinerer Begriff von Glück und Wonne an die Stelle
trat, ſo hat er doch in Indien ſelbſt den orientaliſchen Cha¬
rakter immer behauptet, nach welchem volle Apathie die Vor¬
ausſetzung eines glücklichen Lebens iſt und alſo die Abwechſe¬
lung von Arbeit und Muße vollkommen aufgehoben wird.
Ganz anders war es mit den Bergvölkern Irans, mit
den Medern und Perſern, ſo lange ihr Volksgeiſt kräftig war.
Hier war ein mattherziges Verzagen, eine träge Indifferenz
unmöglich. Hier wurde jeder Einzelne in den großen Gegen¬
ſatz hereingezogen, welcher die Geiſterwelt wie die Völker und
Länder in zwei Heerlager ſchied. Die Religion verlangte
Parteinahme und Kampf; ſie forderte unverdroſſene Arbeit in
Feld, Wald und Garten; ſie verpönte nur das gewinnſüchtige
Geſchäft und wies die beſchauliche Andacht, in welche das
Leben der Inder aufging, den Feiertagen und Feierſtunden zu.
So war eine einfache und vernünftige Lebensordnung
begründet, wie ſie ſich bei allen Zweigen des ariſchen Völker¬
geſchlechts wiederholt; auch bei den Griechen, ſo lange ſie als
Pelasger weſentlich Landbauer waren und mit eigener Hand
den Boden beſtellten. In dieſem Zuſtande iſt ein großer Theil
des Volks lange geblieben; diejenigen aber, mit welchen die
Perſer in Berührung kamen, die auf den Inſeln und Küſten
anſäſſigen Griechen waren mehr als irgend ein anderes Glied
des ariſchen Völkergeſchlechts mit den ſeefahrenden Semiten in
Berührung gekommen, welche Handel und Induſtrie im Archi¬
pelagus eingeführt und mit ihrer Unruhe die Griechenwelt er¬
füllt haben. Der Kaufmarkt wurde nun der Mittelpunkt der
Küſtenſtädte, und weil der Perſerkönig in dieſem Zuſtande die
Griechen kennen lernte, verachtete er ſie, wie Herodot ſagt, als
ein entartetes Volk, welches außer Stande ſei, einen mann¬
haft gebliebenen Widerſtand zu leiſten.
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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/166>, abgerufen am 27.07.2024.
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