Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Arbeit und Muße. stand. Ja solchem Gemüth kann nimmer der Keim unlautererThaten entsprießen." Dennoch hat sich bei den Hellenen erst spät ein besonderer Die Sophisten waren die Ersten, welche vom Wissen Pro¬ Die großen Weisen von Hellas nannten ihre Wissenschaft Der gewerbmäßige Betrieb der Wissenschaft war eine Arbeit und Muße. ſtand. Ja ſolchem Gemüth kann nimmer der Keim unlautererThaten entſprießen.« Dennoch hat ſich bei den Hellenen erſt ſpät ein beſonderer Die Sophiſten waren die Erſten, welche vom Wiſſen Pro¬ Die großen Weiſen von Hellas nannten ihre Wiſſenſchaft Der gewerbmäßige Betrieb der Wiſſenſchaft war eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0175" n="159"/><fw place="top" type="header">Arbeit und Muße.<lb/></fw> ſtand. Ja ſolchem Gemüth kann nimmer der Keim unlauterer<lb/> Thaten entſprießen.«</p><lb/> <p>Dennoch hat ſich bei den Hellenen erſt ſpät ein beſonderer<lb/> Stand ausgebildet, deſſen Geſchäft in der Muße liegt, und<lb/> als er ſich bildete, traten ſofort mancherlei Gefahren und<lb/> Uebelſtände zu Tage.</p><lb/> <p>Die Sophiſten waren die Erſten, welche vom Wiſſen Pro¬<lb/> feſſion machten und dadurch den Grundſatz der Hellenen ver¬<lb/> läugneten, welche jede einſeitige Virtuoſität für eine Mißbildung<lb/> hielten. Sie trennten ſich zugleich vom Gemeindeleben; ſie ſuchten<lb/> ſich über jede örtliche Beſchränktheit zu erheben, von jeder Ueber¬<lb/> lieferung frei zu machen, Alles nach theoretiſchen Geſichtspunkten<lb/> zurecht zu legen und zu reformiren. Wer läugnet, daß ſie eine<lb/> Fülle fruchtbarer Keime der Erkenntniß an das Licht gefördert<lb/> haben! Aber die ſchöne Harmonie, die Unmittelbarkeit und frohe<lb/> Sicherheit des antiken Lebens, woraus die Kunſtſchöpfungen der<lb/> klaſſiſchen Zeit hervorgegangen ſind, war dahin, und während<lb/> die großen Philoſophen, Sokrates, Platon, Ariſtoteles Alles<lb/> daran ſetzten, mit dem Volksbewußtſein in Einklang zu bleiben,<lb/> indem ſie den Inhalt deſſelben klärten, vertieften und vielſeitig<lb/> verwertheten, machte die Sophiſtik einen Riß, welcher niemals<lb/> geheilt worden iſt.</p><lb/> <p>Die großen Weiſen von Hellas nannten ihre Wiſſenſchaft<lb/> nur »Liebe zur Weisheit,« weil ſie ganz aus dem unwider¬<lb/> ſtehlichen Drange nach Erkenntniß hervorgegangen war und<lb/> keinerlei äußeren Zweck hatte. Was ſie gefunden, ſollte kein<lb/> Standesbeſitz ſein; ſie theilten es mit, wie die Sonne ihr<lb/> Licht ausſtrömt, die empfänglichen Geiſter erhellend und er¬<lb/> wärmend. Von den Sophiſten wurde die Wiſſenſchaft, welche<lb/> ſich als ein Zweig am Stamme des Volkslebens beſcheiden<lb/> und ſtill entwickelt hatte, zu einem Ziergewächs gemacht, welches<lb/> der Eitelkeit diente, und als eine Nutzpflanze gezogen, um<lb/> Ehre, Geld und Einfluß zu erlangen. Tugend und Weisheit<lb/> wurde in Lehrkurſen für ſo und ſo viel Minen feilgeboten.</p><lb/> <p>Der gewerbmäßige Betrieb der Wiſſenſchaft war eine<lb/> Umkehr der normalen Verhältniſſe und ſie rächte ſich an dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [159/0175]
Arbeit und Muße.
ſtand. Ja ſolchem Gemüth kann nimmer der Keim unlauterer
Thaten entſprießen.«
Dennoch hat ſich bei den Hellenen erſt ſpät ein beſonderer
Stand ausgebildet, deſſen Geſchäft in der Muße liegt, und
als er ſich bildete, traten ſofort mancherlei Gefahren und
Uebelſtände zu Tage.
Die Sophiſten waren die Erſten, welche vom Wiſſen Pro¬
feſſion machten und dadurch den Grundſatz der Hellenen ver¬
läugneten, welche jede einſeitige Virtuoſität für eine Mißbildung
hielten. Sie trennten ſich zugleich vom Gemeindeleben; ſie ſuchten
ſich über jede örtliche Beſchränktheit zu erheben, von jeder Ueber¬
lieferung frei zu machen, Alles nach theoretiſchen Geſichtspunkten
zurecht zu legen und zu reformiren. Wer läugnet, daß ſie eine
Fülle fruchtbarer Keime der Erkenntniß an das Licht gefördert
haben! Aber die ſchöne Harmonie, die Unmittelbarkeit und frohe
Sicherheit des antiken Lebens, woraus die Kunſtſchöpfungen der
klaſſiſchen Zeit hervorgegangen ſind, war dahin, und während
die großen Philoſophen, Sokrates, Platon, Ariſtoteles Alles
daran ſetzten, mit dem Volksbewußtſein in Einklang zu bleiben,
indem ſie den Inhalt deſſelben klärten, vertieften und vielſeitig
verwertheten, machte die Sophiſtik einen Riß, welcher niemals
geheilt worden iſt.
Die großen Weiſen von Hellas nannten ihre Wiſſenſchaft
nur »Liebe zur Weisheit,« weil ſie ganz aus dem unwider¬
ſtehlichen Drange nach Erkenntniß hervorgegangen war und
keinerlei äußeren Zweck hatte. Was ſie gefunden, ſollte kein
Standesbeſitz ſein; ſie theilten es mit, wie die Sonne ihr
Licht ausſtrömt, die empfänglichen Geiſter erhellend und er¬
wärmend. Von den Sophiſten wurde die Wiſſenſchaft, welche
ſich als ein Zweig am Stamme des Volkslebens beſcheiden
und ſtill entwickelt hatte, zu einem Ziergewächs gemacht, welches
der Eitelkeit diente, und als eine Nutzpflanze gezogen, um
Ehre, Geld und Einfluß zu erlangen. Tugend und Weisheit
wurde in Lehrkurſen für ſo und ſo viel Minen feilgeboten.
Der gewerbmäßige Betrieb der Wiſſenſchaft war eine
Umkehr der normalen Verhältniſſe und ſie rächte ſich an dem
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