Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Die Freundschaft im Alterthume. wärtige Bildung in ihrer Heimath einzubürgern, wie dieMänner des scipionischen Kreises, in welchen uns Cicero's Schrift von der Freundschaft versetzt. Griechen und Römer, Imperatoren und Philosophen waren in traulicher Genossen¬ schaft vereinigt, eine neue Geschmacksbildung festzustellen; es mischte sich die Aristokratie der Geburt mit der des Talents. Denn auch darin ist die Freundschaft der Alten ein wesentliches Förderungsmittel der Bildung gewesen, daß sie die schroffen Gegensätze der Gesellschaft ausglich und Menschen der verschie¬ densten Herkunft und Lebensstellung zu gemeinsamer Thätigkeit vereinigte. So finden wir den afrikanischen Freigelassenen als Lustspieldichter wohl angesehen im Hause des Scipio Aemilianus, so treffen Athener und Thebaner harmlos bei Sokrates zusammen; als Zuhörer Platon's befreundet sich Hermias der Bithyner mit Aristoteles, und diese Freundschaft dauerte fort, als Hermias aus einem Sklaven Herrscher von Atarneus und Assos geworden war. So geht die Freundschaft in enger und einflußreicher Endlich muß die Philia, wenn sie ein solcher Grundzug 13 *
Die Freundſchaft im Alterthume. wärtige Bildung in ihrer Heimath einzubürgern, wie dieMänner des ſcipioniſchen Kreiſes, in welchen uns Cicero's Schrift von der Freundſchaft verſetzt. Griechen und Römer, Imperatoren und Philoſophen waren in traulicher Genoſſen¬ ſchaft vereinigt, eine neue Geſchmacksbildung feſtzuſtellen; es miſchte ſich die Ariſtokratie der Geburt mit der des Talents. Denn auch darin iſt die Freundſchaft der Alten ein weſentliches Förderungsmittel der Bildung geweſen, daß ſie die ſchroffen Gegenſätze der Geſellſchaft ausglich und Menſchen der verſchie¬ denſten Herkunft und Lebensſtellung zu gemeinſamer Thätigkeit vereinigte. So finden wir den afrikaniſchen Freigelaſſenen als Luſtſpieldichter wohl angeſehen im Hauſe des Scipio Aemilianus, ſo treffen Athener und Thebaner harmlos bei Sokrates zuſammen; als Zuhörer Platon's befreundet ſich Hermias der Bithyner mit Ariſtoteles, und dieſe Freundſchaft dauerte fort, als Hermias aus einem Sklaven Herrſcher von Atarneus und Aſſos geworden war. So geht die Freundſchaft in enger und einflußreicher Endlich muß die Philia, wenn ſie ein ſolcher Grundzug 13 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0211" n="195"/><fw place="top" type="header">Die Freundſchaft im Alterthume.<lb/></fw> wärtige Bildung in ihrer Heimath einzubürgern, wie die<lb/> Männer des ſcipioniſchen Kreiſes, in welchen uns Cicero's<lb/> Schrift von der Freundſchaft verſetzt. Griechen und Römer,<lb/> Imperatoren und Philoſophen waren in traulicher Genoſſen¬<lb/> ſchaft vereinigt, eine neue Geſchmacksbildung feſtzuſtellen; es<lb/> miſchte ſich die Ariſtokratie der Geburt mit der des Talents.<lb/> Denn auch darin iſt die Freundſchaft der Alten ein weſentliches<lb/> Förderungsmittel der Bildung geweſen, daß ſie die ſchroffen<lb/> Gegenſätze der Geſellſchaft ausglich und Menſchen der verſchie¬<lb/> denſten Herkunft und Lebensſtellung zu gemeinſamer Thätigkeit<lb/> vereinigte. So finden wir den afrikaniſchen Freigelaſſenen<lb/> als Luſtſpieldichter wohl angeſehen im Hauſe des Scipio<lb/> Aemilianus, ſo treffen Athener und Thebaner harmlos bei<lb/> Sokrates zuſammen; als Zuhörer Platon's befreundet ſich<lb/> Hermias der Bithyner mit Ariſtoteles, und dieſe Freundſchaft<lb/> dauerte fort, als Hermias aus einem Sklaven Herrſcher von<lb/> Atarneus und Aſſos geworden war.</p><lb/> <p>So geht die Freundſchaft in enger und einflußreicher<lb/> Verbindung neben der Wiſſenſchaft her, und mit feinem Sinne<lb/> hat der Künſtler, welcher die »Apotheoſe Homer's« gebildet<lb/> hat, unter den Gruppen, welche dem Altmeiſter huldigen, die<lb/> allegoriſchen Figuren der Freundestreue und der Weisheit,<lb/> Piſtis und Sophia, als zwei ſich umſchlungen haltende Ge¬<lb/> fährtinnen dargeſtellt.</p><lb/> <p>Endlich muß die Philia, wenn ſie ein ſolcher Grundzug<lb/> des griechiſchen Lebens war, der Antrieb zur Erkenntniß wie<lb/> zur Tugend, auch im Staatsleben ſich bezeugt haben, denn<lb/> alle beſten Kräfte waren ja dem öffentlichen Leben zugewendet.<lb/> Darum mußte die Freundſchaft auch die Grundlage der poli¬<lb/> tiſchen Tugend ſein, und je ſorgfältiger der Staatsorganismus<lb/> ausgebildet war, um ſo mehr waren die im Menſchenherzen<lb/> wurzelnden Kräfte, die Bande perſönlicher Zuneigung zwiſchen<lb/> Bürgern und Bürgerſöhnen wie zwiſchen Altersgenoſſen, für<lb/> das Intereſſe des Staats verwerthet. Und zwar waren es,<lb/> dem helleniſchen Sinne gemäß, auch hier nicht die von Natur<lb/> gegebenen Verhältniſſe, welche für das Gemeinweſen benutzt<lb/> <fw place="bottom" type="sig">13 *<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [195/0211]
Die Freundſchaft im Alterthume.
wärtige Bildung in ihrer Heimath einzubürgern, wie die
Männer des ſcipioniſchen Kreiſes, in welchen uns Cicero's
Schrift von der Freundſchaft verſetzt. Griechen und Römer,
Imperatoren und Philoſophen waren in traulicher Genoſſen¬
ſchaft vereinigt, eine neue Geſchmacksbildung feſtzuſtellen; es
miſchte ſich die Ariſtokratie der Geburt mit der des Talents.
Denn auch darin iſt die Freundſchaft der Alten ein weſentliches
Förderungsmittel der Bildung geweſen, daß ſie die ſchroffen
Gegenſätze der Geſellſchaft ausglich und Menſchen der verſchie¬
denſten Herkunft und Lebensſtellung zu gemeinſamer Thätigkeit
vereinigte. So finden wir den afrikaniſchen Freigelaſſenen
als Luſtſpieldichter wohl angeſehen im Hauſe des Scipio
Aemilianus, ſo treffen Athener und Thebaner harmlos bei
Sokrates zuſammen; als Zuhörer Platon's befreundet ſich
Hermias der Bithyner mit Ariſtoteles, und dieſe Freundſchaft
dauerte fort, als Hermias aus einem Sklaven Herrſcher von
Atarneus und Aſſos geworden war.
So geht die Freundſchaft in enger und einflußreicher
Verbindung neben der Wiſſenſchaft her, und mit feinem Sinne
hat der Künſtler, welcher die »Apotheoſe Homer's« gebildet
hat, unter den Gruppen, welche dem Altmeiſter huldigen, die
allegoriſchen Figuren der Freundestreue und der Weisheit,
Piſtis und Sophia, als zwei ſich umſchlungen haltende Ge¬
fährtinnen dargeſtellt.
Endlich muß die Philia, wenn ſie ein ſolcher Grundzug
des griechiſchen Lebens war, der Antrieb zur Erkenntniß wie
zur Tugend, auch im Staatsleben ſich bezeugt haben, denn
alle beſten Kräfte waren ja dem öffentlichen Leben zugewendet.
Darum mußte die Freundſchaft auch die Grundlage der poli¬
tiſchen Tugend ſein, und je ſorgfältiger der Staatsorganismus
ausgebildet war, um ſo mehr waren die im Menſchenherzen
wurzelnden Kräfte, die Bande perſönlicher Zuneigung zwiſchen
Bürgern und Bürgerſöhnen wie zwiſchen Altersgenoſſen, für
das Intereſſe des Staats verwerthet. Und zwar waren es,
dem helleniſchen Sinne gemäß, auch hier nicht die von Natur
gegebenen Verhältniſſe, welche für das Gemeinweſen benutzt
13 *
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |