Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Das alte und neue Griechenland. eigenthümlichen Schönheit der Landschaft, von Himmel undMeeresbucht dieselben Eindrücke, welche sich den Gemüthern der großen Dichter einprägten, und wer ein Auge dafür hat, der dankt seinem Schöpfer für den ersten attischen Sonnentag, welcher in seine nordischen Bücherstudien hineinleuchtet. Man kann das Genußreiche solcher Eindrücke einräumen, Für das Studium der alten Monumente giebt es aber Das alte und neue Griechenland. eigenthümlichen Schönheit der Landſchaft, von Himmel undMeeresbucht dieſelben Eindrücke, welche ſich den Gemüthern der großen Dichter einprägten, und wer ein Auge dafür hat, der dankt ſeinem Schöpfer für den erſten attiſchen Sonnentag, welcher in ſeine nordiſchen Bücherſtudien hineinleuchtet. Man kann das Genußreiche ſolcher Eindrücke einräumen, Für das Studium der alten Monumente giebt es aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0042" n="26"/><fw place="top" type="header">Das alte und neue Griechenland.<lb/></fw> eigenthümlichen Schönheit der Landſchaft, von Himmel und<lb/> Meeresbucht dieſelben Eindrücke, welche ſich den Gemüthern<lb/> der großen Dichter einprägten, und wer ein Auge dafür hat,<lb/> der dankt ſeinem Schöpfer für den erſten attiſchen Sonnentag,<lb/> welcher in ſeine nordiſchen Bücherſtudien hineinleuchtet.</p><lb/> <p>Man kann das Genußreiche ſolcher Eindrücke einräumen,<lb/> ohne denſelben eine höhere, wiſſenſchaftliche Wichtigkeit zuzu¬<lb/> ſchreiben. Für den Einzelnen haben ſie gewiß eine ſolche,<lb/> und die lebendige Aneignung hiſtoriſcher Thatſachen, wie ſie<lb/> ihm dadurch gelingt, wird auch der Wiſſenſchaft ſelbſt zu gute<lb/> kommen, abgeſehen davon, daß bei vielen geſchichtlichen Vor¬<lb/> gängen, wie dies nicht weiter erörtert zu werden braucht, die<lb/> genaue Ortskenntniß nicht bloß zur Veranſchaulichung, ſondern<lb/> auch zum Verſtändniſſe unentbehrlich iſt. Was nun aber nur<lb/> auf klaſſiſchem Boden in vollem Maße kennen gelernt und<lb/> durch keinerlei Hülfsmittel erſetzt werden kann, das ſind die<lb/> Monumente des Alterthums, die ſich als lebendige Zeugen alter<lb/> Tüchtigkeit an Ort und Stelle erhalten haben. Was in den<lb/> Muſeen an Bildwerken vereinigt iſt, das ſind meiſtens Parade¬<lb/> ſtücke ſpäterer Zeit, glänzende Schauwerke aus verſchiedenen<lb/> Epochen in bunter Reihe und fremdartiger Umgebung will¬<lb/> kürlich zuſammengeſtellt, wo eins den Eindruck des andern<lb/> ſtört, ſo daß der Beſchauer kaum zu der Sammlung des Geiſtes,<lb/> die jedes Kunſtwerk verlangt, und noch weniger zu einem<lb/> rechten Verſtändniſſe gelangen kann. Hier ſtehen die Denk¬<lb/> mäler auf heimathlichem Boden, in ihren urſprünglichen Grup¬<lb/> pen bei einander, durch zerſtörende Barbarei beſchädigt und<lb/> geſchändet, alles Schmucks entkleidet, nur nackte und unvoll¬<lb/> ſtändige Gerippe, aber dennoch in ihren Hauptformen klar<lb/> und verſtändlich, weil Alles ſolider Steinbau iſt und bei dem<lb/> organiſchen Zuſammenhange aller Theile ein Glied das andere<lb/> erklärt, ſo daß das Lückenhafte in gleicher Weiſe ergänzt<lb/> werden kann, wie der Naturforſcher aus einzelnen Gliedern<lb/> den geſammten Bau eines Körpers mit voller Sicherheit her¬<lb/> ſtellen kann.</p><lb/> <p>Für das Studium der alten Monumente giebt es aber<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [26/0042]
Das alte und neue Griechenland.
eigenthümlichen Schönheit der Landſchaft, von Himmel und
Meeresbucht dieſelben Eindrücke, welche ſich den Gemüthern
der großen Dichter einprägten, und wer ein Auge dafür hat,
der dankt ſeinem Schöpfer für den erſten attiſchen Sonnentag,
welcher in ſeine nordiſchen Bücherſtudien hineinleuchtet.
Man kann das Genußreiche ſolcher Eindrücke einräumen,
ohne denſelben eine höhere, wiſſenſchaftliche Wichtigkeit zuzu¬
ſchreiben. Für den Einzelnen haben ſie gewiß eine ſolche,
und die lebendige Aneignung hiſtoriſcher Thatſachen, wie ſie
ihm dadurch gelingt, wird auch der Wiſſenſchaft ſelbſt zu gute
kommen, abgeſehen davon, daß bei vielen geſchichtlichen Vor¬
gängen, wie dies nicht weiter erörtert zu werden braucht, die
genaue Ortskenntniß nicht bloß zur Veranſchaulichung, ſondern
auch zum Verſtändniſſe unentbehrlich iſt. Was nun aber nur
auf klaſſiſchem Boden in vollem Maße kennen gelernt und
durch keinerlei Hülfsmittel erſetzt werden kann, das ſind die
Monumente des Alterthums, die ſich als lebendige Zeugen alter
Tüchtigkeit an Ort und Stelle erhalten haben. Was in den
Muſeen an Bildwerken vereinigt iſt, das ſind meiſtens Parade¬
ſtücke ſpäterer Zeit, glänzende Schauwerke aus verſchiedenen
Epochen in bunter Reihe und fremdartiger Umgebung will¬
kürlich zuſammengeſtellt, wo eins den Eindruck des andern
ſtört, ſo daß der Beſchauer kaum zu der Sammlung des Geiſtes,
die jedes Kunſtwerk verlangt, und noch weniger zu einem
rechten Verſtändniſſe gelangen kann. Hier ſtehen die Denk¬
mäler auf heimathlichem Boden, in ihren urſprünglichen Grup¬
pen bei einander, durch zerſtörende Barbarei beſchädigt und
geſchändet, alles Schmucks entkleidet, nur nackte und unvoll¬
ſtändige Gerippe, aber dennoch in ihren Hauptformen klar
und verſtändlich, weil Alles ſolider Steinbau iſt und bei dem
organiſchen Zuſammenhange aller Theile ein Glied das andere
erklärt, ſo daß das Lückenhafte in gleicher Weiſe ergänzt
werden kann, wie der Naturforſcher aus einzelnen Gliedern
den geſammten Bau eines Körpers mit voller Sicherheit her¬
ſtellen kann.
Für das Studium der alten Monumente giebt es aber
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