Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.Schmidt S. 179 findet freilich für das höhere Alter der Pala- sentem vorbringt, die man mehrfach für die Existenz eines grundsprach-
lichen e verwerthet hatte, habe ich diese Formen hier gar nicht erwähnt. Wenn Brugmann Litter. Centralblatt 1884 S.1565 sagt, "ob man annimmt, die palatale Affection der Gutturale sei in urindogermanischer Zeit er- folgt, oder im Einzelleben der Sprachen (nach des Ref. Ansicht ist letz- teres der Fall) ist für die Hauptfrage völlig gleichgiltig", so verstehe ich das nicht. Bisher galt die angebliche Existenz von Palatalen in der Ur- sprache als das Hauptargument für die Existenz eines e in derselben. Schmidt S. 179 findet freilich für das höhere Alter der Pala- sētem vorbringt, die man mehrfach für die Existenz eines grundsprach-
lichen ĕ verwerthet hatte, habe ich diese Formen hier gar nicht erwähnt. Wenn Brugmann Litter. Centralblatt 1884 S.1565 sagt, „ob man annimmt, die palatale Affection der Gutturale sei in urindogermanischer Zeit er- folgt, oder im Einzelleben der Sprachen (nach des Ref. Ansicht ist letz- teres der Fall) ist für die Hauptfrage völlig gleichgiltig“, so verstehe ich das nicht. Bisher galt die angebliche Existenz von Palatalen in der Ur- sprache als das Hauptargument für die Existenz eines e in derselben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0111" n="103"/> Schmidt S. 179 findet freilich für das höhere Alter der Pala-<lb/> talen als Zeugen eines E-Lauts einen Beweis in den griechi-<lb/> schen Spuren des Palatismus. Allein er selbst gesteht zu, dass<lb/> diese Erscheinung im Griechischen eine sehr beschränkte ist.<lb/> Ein grosser Theil der S. 136 ff. von ihm behandelten, an sich<lb/> wenig zahlreichen Formen, gehört nur einzelnen Dialekten an.<lb/> Es sind die von mir unter dem Namen Dentalismus in meinen<lb/> Grundz.⁵ S. 487. 490 behandelten Wörter, z. B. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τίς</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τί</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τέσ-<lb/> σαρες</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τίω</foreign></hi>, denen Joh. Schmidt einiges, freilich nicht durchaus<lb/> überzeugende, hinzugefügt hat. Schon bei einer früheren Ge-<lb/> legenheit (Stud. VII, 240) ward es mir wahrscheinlich, dass<lb/> diese Erscheinungen einer verhältnissmässig späten Zeit an-<lb/> gehören, für die Erschliessung urindogermanischer Lautver-<lb/> hältnisse also nichts beweisen können. Diese Ansicht bestä-<lb/> tigt sich durch die merkwürdige, erst kürzlich von Lolling<lb/> aufgefundene Inschrift von Larissa (Cauer<hi rendition="#sup">2</hi> Nr. 409). Dort<lb/> steht gegenüber dem gemeingriechischen <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τίς κίς</foreign></hi>. Es liegen<lb/> folgende Fälle vor: Ζ. 11 <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">διὲ κί</foreign></hi> (d. i. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">διὰ τί</foreign></hi>), Ζ. 12 <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">πὸκ κί</foreign></hi><lb/> (<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">πρὸς τί</foreign></hi>), Ζ. 22 <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">κίς κε</foreign></hi> (<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ὅστις ἄν</foreign></hi>), Ζ. 41 <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">κινές</foreign></hi> (<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τινές</foreign></hi>). Aus<lb/> diesen Formen ergibt sich, dass das ursprüngliche <hi rendition="#i">κ</hi> sich im<lb/> Griechischen noch zu einer Zeit erhielt, da die Mundarten<lb/> schon längst gespalten waren. Die Verwandlung von <hi rendition="#i">κ</hi> in <hi rendition="#i">τ</hi><lb/> gehört also in diese verhältnissmässig späte Periode, und wir<lb/> haben keinen Grund, das gemeingriechische <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τίς</foreign></hi> mit dem ira-<lb/> nischen <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ave">cis</foreign></hi> in irgend einen historischen Zusammenhang zu<lb/> bringen. Auch in einer andern Beziehung widerlegt die neu-<lb/><lb/> <note xml:id="ftn3b" prev="#ftn3a" place="foot" n="*)"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="got">sētem</foreign></hi> vorbringt, die man mehrfach für die Existenz eines grundsprach-<lb/> lichen <hi rendition="#i">ĕ</hi> verwerthet hatte, habe ich diese Formen hier gar nicht erwähnt.<lb/> Wenn Brugmann Litter. Centralblatt 1884 S.1565 sagt, „ob man annimmt,<lb/> die palatale Affection der Gutturale sei in urindogermanischer Zeit er-<lb/> folgt, oder im Einzelleben der Sprachen (nach des Ref. Ansicht ist letz-<lb/> teres der Fall) ist für die Hauptfrage völlig gleichgiltig“, so verstehe ich<lb/> das nicht. Bisher galt die angebliche Existenz von Palatalen in der Ur-<lb/> sprache als das Hauptargument für die Existenz eines <hi rendition="#i">e</hi> in derselben.</note> </p> </div> </body> </text> </TEI> [103/0111]
Schmidt S. 179 findet freilich für das höhere Alter der Pala-
talen als Zeugen eines E-Lauts einen Beweis in den griechi-
schen Spuren des Palatismus. Allein er selbst gesteht zu, dass
diese Erscheinung im Griechischen eine sehr beschränkte ist.
Ein grosser Theil der S. 136 ff. von ihm behandelten, an sich
wenig zahlreichen Formen, gehört nur einzelnen Dialekten an.
Es sind die von mir unter dem Namen Dentalismus in meinen
Grundz.⁵ S. 487. 490 behandelten Wörter, z. B. τίς, τί, τέσ-
σαρες, τίω, denen Joh. Schmidt einiges, freilich nicht durchaus
überzeugende, hinzugefügt hat. Schon bei einer früheren Ge-
legenheit (Stud. VII, 240) ward es mir wahrscheinlich, dass
diese Erscheinungen einer verhältnissmässig späten Zeit an-
gehören, für die Erschliessung urindogermanischer Lautver-
hältnisse also nichts beweisen können. Diese Ansicht bestä-
tigt sich durch die merkwürdige, erst kürzlich von Lolling
aufgefundene Inschrift von Larissa (Cauer2 Nr. 409). Dort
steht gegenüber dem gemeingriechischen τίς κίς. Es liegen
folgende Fälle vor: Ζ. 11 διὲ κί (d. i. διὰ τί), Ζ. 12 πὸκ κί
(πρὸς τί), Ζ. 22 κίς κε (ὅστις ἄν), Ζ. 41 κινές (τινές). Aus
diesen Formen ergibt sich, dass das ursprüngliche κ sich im
Griechischen noch zu einer Zeit erhielt, da die Mundarten
schon längst gespalten waren. Die Verwandlung von κ in τ
gehört also in diese verhältnissmässig späte Periode, und wir
haben keinen Grund, das gemeingriechische τίς mit dem ira-
nischen cis in irgend einen historischen Zusammenhang zu
bringen. Auch in einer andern Beziehung widerlegt die neu-
*)
*) sētem vorbringt, die man mehrfach für die Existenz eines grundsprach-
lichen ĕ verwerthet hatte, habe ich diese Formen hier gar nicht erwähnt.
Wenn Brugmann Litter. Centralblatt 1884 S.1565 sagt, „ob man annimmt,
die palatale Affection der Gutturale sei in urindogermanischer Zeit er-
folgt, oder im Einzelleben der Sprachen (nach des Ref. Ansicht ist letz-
teres der Fall) ist für die Hauptfrage völlig gleichgiltig“, so verstehe ich
das nicht. Bisher galt die angebliche Existenz von Palatalen in der Ur-
sprache als das Hauptargument für die Existenz eines e in derselben.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |