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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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gefundene Form die Aufstellungen desselben Gelehrten. Meine
Vermuthung, dass der Dentalismus ungefähr in derselben Zeit
entstanden sei, in welcher die Lautgruppen ss (tt) und z sich
bildeten (Stud. VII, 271), sucht Joh. Schmidt mit den Worten
zu widerlegen: "Dann würden in allen den Dialekten, welche
ss und z bewahrt haben, die Lautfolgen ke, ki u. s. w. ebenso
wenig vorkommen, wie tj, dj, thj". Im Dialekt von Larissa
liegt nun jenes kis, kines neben Formen wie ossa, tossa in-
schriftlich vor. Man sieht also, dass anlautendes k vor i
oder j sich noch zu einer Zeit im Anlaut erhielt, in welcher
dentale und gutturale Explosivlaute im Inlaut schon die ge-
meingriechischen Lautgruppen ss und z ergeben hatten.

Wir kommen auf einen andern Punkt. Alles bisher er-
örterte könnte, selbst wenn wir alle einzelnen, von Joh. Schmidt
und andern geltend gemachten Behauptungen einräumen woll-
ten, doch nichts andres erweisen, als dass wir für eine alte
Sprachperiode, vielleicht schon für die urindogermanische, zwei
kurze A-Laute, einen helleren (e) und einen dunkleren (a, o)
anzunehmen hätten. Und in der That spricht Joh. Schmidt in
der oft erwähnten Abhandlung immer nur von zwei A-Lauten.
Selbst Brugmann redet von dieser Zweiheit *) mit viel grös-
serer Entschiedenheit als von der erst allmählich in Gang ge-
brachten ursprünglichen Dreiheit. In der That wäre es an
sich zweifellos ebenso möglich, dass die Urindogermanen sich
mit dieser Zweiheit begnügt und dass erst ihre Nachkommen
den O-Laut entwickelt hätten, wie der andre Fall, dass auch
sie schon die Dreiheit kannten.

Dass es mit dem Verhältniss von a zu o ganz anders be-
stellt ist als mit dem von a zu e, wird kaum geleugnet wer-
den können. Das e steht in den europäischen Sprachen viel

*) Morpholog. Unters. III, 91 f.: "--war man schon eo ipso vollkommen
berechtigt, die europäisch-armenische Dreiheit a, e, o, oder wenigstens
a, e, für urindogermanisch zu erklären".

gefundene Form die Aufstellungen desselben Gelehrten. Meine
Vermuthung, dass der Dentalismus ungefähr in derselben Zeit
entstanden sei, in welcher die Lautgruppen σσ (ττ) und ζ sich
bildeten (Stud. VII, 271), sucht Joh. Schmidt mit den Worten
zu widerlegen: „Dann würden in allen den Dialekten, welche
σσ und ζ bewahrt haben, die Lautfolgen κε, κι u. s. w. ebenso
wenig vorkommen, wie τϳ, δϳ, θϳ“. Im Dialekt von Larissa
liegt nun jenes κίς, κινές neben Formen wie ὅσσα, τόσσα in-
schriftlich vor. Man sieht also, dass anlautendes κ vor i
oder ϳ sich noch zu einer Zeit im Anlaut erhielt, in welcher
dentale und gutturale Explosivlaute im Inlaut schon die ge-
meingriechischen Lautgruppen σσ und ζ ergeben hatten.

Wir kommen auf einen andern Punkt. Alles bisher er-
örterte könnte, selbst wenn wir alle einzelnen, von Joh. Schmidt
und andern geltend gemachten Behauptungen einräumen woll-
ten, doch nichts andres erweisen, als dass wir für eine alte
Sprachperiode, vielleicht schon für die urindogermanische, zwei
kurze A-Laute, einen helleren () und einen dunkleren (, )
anzunehmen hätten. Und in der That spricht Joh. Schmidt in
der oft erwähnten Abhandlung immer nur von zwei A-Lauten.
Selbst Brugmann redet von dieser Zweiheit *) mit viel grös-
serer Entschiedenheit als von der erst allmählich in Gang ge-
brachten ursprünglichen Dreiheit. In der That wäre es an
sich zweifellos ebenso möglich, dass die Urindogermanen sich
mit dieser Zweiheit begnügt und dass erst ihre Nachkommen
den O-Laut entwickelt hätten, wie der andre Fall, dass auch
sie schon die Dreiheit kannten.

Dass es mit dem Verhältniss von a zu ganz anders be-
stellt ist als mit dem von a zu , wird kaum geleugnet wer-
den können. Das steht in den europäischen Sprachen viel

*) Morpholog. Unters. III, 91 f.: „—war man schon eo ipso vollkommen
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[104/0112] gefundene Form die Aufstellungen desselben Gelehrten. Meine Vermuthung, dass der Dentalismus ungefähr in derselben Zeit entstanden sei, in welcher die Lautgruppen σσ (ττ) und ζ sich bildeten (Stud. VII, 271), sucht Joh. Schmidt mit den Worten zu widerlegen: „Dann würden in allen den Dialekten, welche σσ und ζ bewahrt haben, die Lautfolgen κε, κι u. s. w. ebenso wenig vorkommen, wie τϳ, δϳ, θϳ“. Im Dialekt von Larissa liegt nun jenes κίς, κινές neben Formen wie ὅσσα, τόσσα in- schriftlich vor. Man sieht also, dass anlautendes κ vor i oder ϳ sich noch zu einer Zeit im Anlaut erhielt, in welcher dentale und gutturale Explosivlaute im Inlaut schon die ge- meingriechischen Lautgruppen σσ und ζ ergeben hatten. Wir kommen auf einen andern Punkt. Alles bisher er- örterte könnte, selbst wenn wir alle einzelnen, von Joh. Schmidt und andern geltend gemachten Behauptungen einräumen woll- ten, doch nichts andres erweisen, als dass wir für eine alte Sprachperiode, vielleicht schon für die urindogermanische, zwei kurze A-Laute, einen helleren (ĕ) und einen dunkleren (ă, ŏ) anzunehmen hätten. Und in der That spricht Joh. Schmidt in der oft erwähnten Abhandlung immer nur von zwei A-Lauten. Selbst Brugmann redet von dieser Zweiheit *) mit viel grös- serer Entschiedenheit als von der erst allmählich in Gang ge- brachten ursprünglichen Dreiheit. In der That wäre es an sich zweifellos ebenso möglich, dass die Urindogermanen sich mit dieser Zweiheit begnügt und dass erst ihre Nachkommen den O-Laut entwickelt hätten, wie der andre Fall, dass auch sie schon die Dreiheit kannten. Dass es mit dem Verhältniss von a zu ŏ ganz anders be- stellt ist als mit dem von a zu ĕ, wird kaum geleugnet wer- den können. Das ĕ steht in den europäischen Sprachen viel *) Morpholog. Unters. III, 91 f.: „—war man schon eo ipso vollkommen berechtigt, die europäisch-armenische Dreiheit a, e, o, oder wenigstens a, e, für urindogermanisch zu erklären“.

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/112>, abgerufen am 21.11.2024.