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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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dass es auch einen solchen Uebergang gibt, was man früher
nicht zulassen wollte, bestreite ich jetzt nicht, hauptsächlich
wegen der ziemlich zahlreichen Fälle, die aus dem Neugrie-
chischen von diesem Lautwandel vorliegen, z. B. arphanos gleich
altgriechisch orphanos, antukhi kretisch für onux (Foy: Laut-
system der griech. Vulgärsprache. Leipzig 1879 S. 98 ff.). Aber
bis vor kurzem ist nirgends auch nur der ernstliche Versuch
gemacht, für das o die Entstehung in ursprachlicher Zeit nach-
zuweisen 1), und es scheint mir natürlicher, das a z.B. im
got. nahts mit dem sanskr. naktis auf eine Linie zu stellen, als
für beide A-Laute mit manchen jüngeren Gelehrten einen für
jeden Fall wiederum besonderen Uebergang eines hypotheti-
schen o in a anzunehmen.

Einen ernstlichen Versuch, jenes o auch für das arische
Sprachgebiet nachzuweisen, hat erst neuerdings Bloomfield
gemacht in seinem interessanten Aufsatz "Final as before so-
nants" (American Journal of philology Vol. III 1882). Dieser
Versuch, dessen genauere Beurtheilung ich Specialforschern
für diese Sprachen tiberlassen muss 2), hat insoweit etwas an-
sprechendes, als Bloomfield für das merkwürdige on statt as
im sanskritischen Auslaut eine Erklärung versucht. Dieses on,
meint er, sei an dieser Stelle aus os hervorgegangen. Es sei
z. B. sanskr. acvon dravati für *cvas dravati ein Zeugniss für
ein auf indischem Boden sonst verschollenes *acvos = lat.

1) Ein nicht unerhebliches Moment liegt in der Stellung, welche man
gegenüber dem sanskr. an dem europ. o anweist. Wer mit Brugmann und
Osthoff sanskr. an als den Repräsentanten des o betrachtet, für den gibt
es auch auf arischem Gebiete innerhalb der Stammabstufung drei feste
Stufen. Wer aber mit Joh. Schmidt annimmt, dass die quantitative Ver-
änderung mit dem O-Laut nichts gemein hat, für den versinken die Spuren
dieses Lautes bei den Indern in nächtliches Dunkel. Eine wesentliche
Reihe der Vocale fehlt, zugleich mit dem o, den Ostindogermanen.
2) Eine ablehnende Kritik dieser Abhandlung von Seiten eines vor-
zugsweise im arischen Sprachgebiet heimischen Forschers, Chr. Bartholo-
mae, bringt das 4. Heft von Bd. XXVII der Kuhn'schen Zeitschrift.

dass es auch einen solchen Uebergang gibt, was man früher
nicht zulassen wollte, bestreite ich jetzt nicht, hauptsächlich
wegen der ziemlich zahlreichen Fälle, die aus dem Neugrie-
chischen von diesem Lautwandel vorliegen, z. B. ἀρφανός gleich
altgriechisch ὀρφανός, ἀντυχί kretisch für ὄνυξ (Foy: Laut-
system der griech. Vulgärsprache. Leipzig 1879 S. 98 ff.). Aber
bis vor kurzem ist nirgends auch nur der ernstliche Versuch
gemacht, für das o die Entstehung in ursprachlicher Zeit nach-
zuweisen 1), und es scheint mir natürlicher, das a z.B. im
got. nahts mit dem sanskr. naktis auf eine Linie zu stellen, als
für beide Α-Laute mit manchen jüngeren Gelehrten einen für
jeden Fall wiederum besonderen Uebergang eines hypotheti-
schen o in a anzunehmen.

Einen ernstlichen Versuch, jenes o auch für das arische
Sprachgebiet nachzuweisen, hat erst neuerdings Bloomfield
gemacht in seinem interessanten Aufsatz „Final as before so-
nants“ (American Journal of philology Vol. III 1882). Dieser
Versuch, dessen genauere Beurtheilung ich Specialforschern
für diese Sprachen tiberlassen muss 2), hat insoweit etwas an-
sprechendes, als Bloomfield für das merkwürdige statt as
im sanskritischen Auslaut eine Erklärung versucht. Dieses ,
meint er, sei an dieser Stelle aus os hervorgegangen. Es sei
z. B. sanskr. ac̹vō dravati für *c̹vas dravati ein Zeugniss für
ein auf indischem Boden sonst verschollenes *ac̹vŏs = lat.

1) Ein nicht unerhebliches Moment liegt in der Stellung, welche man
gegenüber dem sanskr. dem europ. o anweist. Wer mit Brugmann und
Osthoff sanskr. als den Repräsentanten des betrachtet, für den gibt
es auch auf arischem Gebiete innerhalb der Stammabstufung drei feste
Stufen. Wer aber mit Joh. Schmidt annimmt, dass die quantitative Ver-
änderung mit dem O-Laut nichts gemein hat, für den versinken die Spuren
dieses Lautes bei den Indern in nächtliches Dunkel. Eine wesentliche
Reihe der Vocale fehlt, zugleich mit dem o, den Ostindogermanen.
2) Eine ablehnende Kritik dieser Abhandlung von Seiten eines vor-
zugsweise im arischen Sprachgebiet heimischen Forschers, Chr. Bartholo-
mae, bringt das 4. Heft von Bd. XXVII der Kuhn'schen Zeitschrift.
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[106/0114] dass es auch einen solchen Uebergang gibt, was man früher nicht zulassen wollte, bestreite ich jetzt nicht, hauptsächlich wegen der ziemlich zahlreichen Fälle, die aus dem Neugrie- chischen von diesem Lautwandel vorliegen, z. B. ἀρφανός gleich altgriechisch ὀρφανός, ἀντυχί kretisch für ὄνυξ (Foy: Laut- system der griech. Vulgärsprache. Leipzig 1879 S. 98 ff.). Aber bis vor kurzem ist nirgends auch nur der ernstliche Versuch gemacht, für das o die Entstehung in ursprachlicher Zeit nach- zuweisen 1), und es scheint mir natürlicher, das a z.B. im got. nahts mit dem sanskr. naktis auf eine Linie zu stellen, als für beide Α-Laute mit manchen jüngeren Gelehrten einen für jeden Fall wiederum besonderen Uebergang eines hypotheti- schen o in a anzunehmen. Einen ernstlichen Versuch, jenes o auch für das arische Sprachgebiet nachzuweisen, hat erst neuerdings Bloomfield gemacht in seinem interessanten Aufsatz „Final as before so- nants“ (American Journal of philology Vol. III 1882). Dieser Versuch, dessen genauere Beurtheilung ich Specialforschern für diese Sprachen tiberlassen muss 2), hat insoweit etwas an- sprechendes, als Bloomfield für das merkwürdige ō statt as im sanskritischen Auslaut eine Erklärung versucht. Dieses ō, meint er, sei an dieser Stelle aus os hervorgegangen. Es sei z. B. sanskr. ac̹vō dravati für *c̹vas dravati ein Zeugniss für ein auf indischem Boden sonst verschollenes *ac̹vŏs = lat. 1) Ein nicht unerhebliches Moment liegt in der Stellung, welche man gegenüber dem sanskr. ā dem europ. o anweist. Wer mit Brugmann und Osthoff sanskr. ā als den Repräsentanten des ŏ betrachtet, für den gibt es auch auf arischem Gebiete innerhalb der Stammabstufung drei feste Stufen. Wer aber mit Joh. Schmidt annimmt, dass die quantitative Ver- änderung mit dem O-Laut nichts gemein hat, für den versinken die Spuren dieses Lautes bei den Indern in nächtliches Dunkel. Eine wesentliche Reihe der Vocale fehlt, zugleich mit dem o, den Ostindogermanen. 2) Eine ablehnende Kritik dieser Abhandlung von Seiten eines vor- zugsweise im arischen Sprachgebiet heimischen Forschers, Chr. Bartholo- mae, bringt das 4. Heft von Bd. XXVII der Kuhn'schen Zeitschrift.

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/114>, abgerufen am 21.11.2024.