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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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2) Mittlere indogermanische Zeit mit buntem Vocalismus
wie im Westen. Es hiess also vrkos, Voc. vrke, ageti, agonti,
bherontam oder ähnlich.

3) Zeit der arischen Rückkehr zur ersten Periode. Hier
stellte sich tiberall das a wieder her, mithin die Formen der
ältesten Zeit.

4) Theilweise Rückkehr einzelner arischer Sprachen zur
zweiten Periode, z.B. zend barenntem, in welchem wegen der
engen Zusammengehörigkeit der arischen Sprachen unter ein-
ander das e der mittleren Silbe unmöglich dieselbe Entstehungs-
zeit haben kann, wie das des lateinischen ferentem.

Wie seltsam wäre nun ein solcher Gang der Entwicke-
lung! Aber vergessen wir nicht, dass er rein hypothetisch
war und dass namentlich für den kurzen o-Laut im arischen
Gebiete, wie wir sahen, auch nicht die leiseste Spur eines
Nachweises gegeben ist. Ich kann also weder die ältere An-
nahme widerlegt, noch die jüngere für erwiesen halten und
bin der Ansicht, dass von den zwei Hypothesen die ältere den
Vorzug vor der jüngeren verdient.

Die neueren Anschauungen sind auch keineswegs durch-
geführt, und manche Wörter, ganz besonders des Lateinischen,
leisten diesen Anschauungen kräftigen Widerstand. Trotz des
grossen Anklangs, den die neue Hypothese gefunden hat, und
trotz der lauten Verkündigung dieses neuen Dogma's als des
allein berechtigten, werden gelegentlich Zweifel geäussert.
Als Beleg dafür, wie auch jüngere Gelehrte neuerdings zu
Ansichten gelangen, welche den hier entwickelten ganz nahe
kommen, erwähne ich die Worte, deren sich Brthl. (Bartholo-
mae) im Literar. Centralblatt 1884 S. 956 Brugmann gegenüber
bedient. Bartholomae nimmt zwei "indogermanische Urdialekte"
an, "aus deren einem das Indische und Iranische, aus deren
anderem alle übrigen Sprachen, das Armenische eingeschlossen,
stammen". Damit ist, denke ich, der Versuch aufgegeben, die
vocalische Monotonie aus der Buntheit herzuleiten. Ein für

2) Mittlere indogermanische Zeit mit buntem Vocalismus
wie im Westen. Es hiess also vṛkos, Voc. vṛke, ageti, agonti,
bherontam oder ähnlich.

3) Zeit der arischen Rückkehr zur ersten Periode. Hier
stellte sich tiberall das a wieder her, mithin die Formen der
ältesten Zeit.

4) Theilweise Rückkehr einzelner arischer Sprachen zur
zweiten Periode, z.B. zend bareñtem, in welchem wegen der
engen Zusammengehörigkeit der arischen Sprachen unter ein-
ander das e der mittleren Silbe unmöglich dieselbe Entstehungs-
zeit haben kann, wie das des lateinischen ferentem.

Wie seltsam wäre nun ein solcher Gang der Entwicke-
lung! Aber vergessen wir nicht, dass er rein hypothetisch
war und dass namentlich für den kurzen ŏ-Laut im arischen
Gebiete, wie wir sahen, auch nicht die leiseste Spur eines
Nachweises gegeben ist. Ich kann also weder die ältere An-
nahme widerlegt, noch die jüngere für erwiesen halten und
bin der Ansicht, dass von den zwei Hypothesen die ältere den
Vorzug vor der jüngeren verdient.

Die neueren Anschauungen sind auch keineswegs durch-
geführt, und manche Wörter, ganz besonders des Lateinischen,
leisten diesen Anschauungen kräftigen Widerstand. Trotz des
grossen Anklangs, den die neue Hypothese gefunden hat, und
trotz der lauten Verkündigung dieses neuen Dogma's als des
allein berechtigten, werden gelegentlich Zweifel geäussert.
Als Beleg dafür, wie auch jüngere Gelehrte neuerdings zu
Ansichten gelangen, welche den hier entwickelten ganz nahe
kommen, erwähne ich die Worte, deren sich Brthl. (Bartholo-
mae) im Literar. Centralblatt 1884 S. 956 Brugmann gegenüber
bedient. Bartholomae nimmt zwei „indogermanische Urdialekte"
an, „aus deren einem das Indische und Iranische, aus deren
anderem alle übrigen Sprachen, das Armenische eingeschlossen,
stammen“. Damit ist, denke ich, der Versuch aufgegeben, die
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[118/0126] 2) Mittlere indogermanische Zeit mit buntem Vocalismus wie im Westen. Es hiess also vṛkos, Voc. vṛke, ageti, agonti, bherontam oder ähnlich. 3) Zeit der arischen Rückkehr zur ersten Periode. Hier stellte sich tiberall das a wieder her, mithin die Formen der ältesten Zeit. 4) Theilweise Rückkehr einzelner arischer Sprachen zur zweiten Periode, z.B. zend bareñtem, in welchem wegen der engen Zusammengehörigkeit der arischen Sprachen unter ein- ander das e der mittleren Silbe unmöglich dieselbe Entstehungs- zeit haben kann, wie das des lateinischen ferentem. Wie seltsam wäre nun ein solcher Gang der Entwicke- lung! Aber vergessen wir nicht, dass er rein hypothetisch war und dass namentlich für den kurzen ŏ-Laut im arischen Gebiete, wie wir sahen, auch nicht die leiseste Spur eines Nachweises gegeben ist. Ich kann also weder die ältere An- nahme widerlegt, noch die jüngere für erwiesen halten und bin der Ansicht, dass von den zwei Hypothesen die ältere den Vorzug vor der jüngeren verdient. Die neueren Anschauungen sind auch keineswegs durch- geführt, und manche Wörter, ganz besonders des Lateinischen, leisten diesen Anschauungen kräftigen Widerstand. Trotz des grossen Anklangs, den die neue Hypothese gefunden hat, und trotz der lauten Verkündigung dieses neuen Dogma's als des allein berechtigten, werden gelegentlich Zweifel geäussert. Als Beleg dafür, wie auch jüngere Gelehrte neuerdings zu Ansichten gelangen, welche den hier entwickelten ganz nahe kommen, erwähne ich die Worte, deren sich Brthl. (Bartholo- mae) im Literar. Centralblatt 1884 S. 956 Brugmann gegenüber bedient. Bartholomae nimmt zwei „indogermanische Urdialekte" an, „aus deren einem das Indische und Iranische, aus deren anderem alle übrigen Sprachen, das Armenische eingeschlossen, stammen“. Damit ist, denke ich, der Versuch aufgegeben, die vocalische Monotonie aus der Buntheit herzuleiten. Ein für

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/126>, abgerufen am 21.11.2024.