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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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offenbar möglich. Dass, wenn man Scherer's Ansicht zustimmt,
allerdings einige Folgerungen, welche ich auf die Existenz
der ursprachlichen Form stützte, in Wegfall kommen, habe
ich schon in der zweiten Auflage der Chronologie S. 55 ein-
geräumt. Ich bemerke dies hier noch einmal mit Bezug auf
die freundlichen Worte, die Scherer an mich richtet. Da-
gegen beharre ich bei der Behauptung, dass solche Zusam-
mensetzungen mit dem Verbum sein jünger sind, als alle ein-
fachen Bildungen. Denn sie setzen für ihre Entstehung die
Abschwächung eines Verbums von sinnlicher Bedeutung zu
dem Verbum substantivum voraus ("Chronologie" 2 68 ff.).

Nach diesem Typus konnten dann später gerade so gut
zahlreiche andere gebildet werden, wie wir dies bei den No-
minalcompositis annahmen. Hier mag allerdings sehr früh
schon jedes Gefühl für den Ursprung der Form verloren ge-
gangen sein. Trotz aller Versuche ist jedenfalls eine andere
Erklärung dieser Formen nicht gefunden worden und ich sehe
durchaus keinen Grund, von ihr abzuweichen.

Etwas anderes ist es mit solchen, lange Zeit nach dem-
selben Princip gedeuteten Formen, wie die lateinischen Per-
fecta auf ui und vi, z. B. al-ui, ama-vi, aber auch mit den
Imperfecten auf bam. Da durchaus nicht nachgewiesen wer-
den kann, dass dieser Typus mit der W. bhun, lat. fu ein ur-
sprachlicher ist, da er vielmehr den italischen Sprachen eigen-
thümlich bleibt, so ist mir für diese Formen jetzt eine andere
Deutung wahrscheinlicher, deren Erörterung ich mir für eine
andere Gelegenheit vorbehalte.

Schliesslich mag noch darauf hingewiesen werden, dass
gerade der Satz: "Die Flexion war im wesentlichen schon
in der Urzeit abgeschlossen", worin ich mit Delbrück überein-
stimme, gegen manche Versuche spricht, die in neuerer Zeit
häufiger geworden sind, nämlich gegen die, nachzuweisen, dass
an fertige Formen auf dem Boden der Einzelsprachen später
Partikeln, ja sogar vereinzelte Laute, zum Theil aus blosser

offenbar möglich. Dass, wenn man Scherer's Ansicht zustimmt,
allerdings einige Folgerungen, welche ich auf die Existenz
der ursprachlichen Form stützte, in Wegfall kommen, habe
ich schon in der zweiten Auflage der Chronologie S. 55 ein-
geräumt. Ich bemerke dies hier noch einmal mit Bezug auf
die freundlichen Worte, die Scherer an mich richtet. Da-
gegen beharre ich bei der Behauptung, dass solche Zusam-
mensetzungen mit dem Verbum sein jünger sind, als alle ein-
fachen Bildungen. Denn sie setzen für ihre Entstehung die
Abschwächung eines Verbums von sinnlicher Bedeutung zu
dem Verbum substantivum voraus („Chronologie“ 2 68 ff.).

Nach diesem Typus konnten dann später gerade so gut
zahlreiche andere gebildet werden, wie wir dies bei den No-
minalcompositis annahmen. Hier mag allerdings sehr früh
schon jedes Gefühl für den Ursprung der Form verloren ge-
gangen sein. Trotz aller Versuche ist jedenfalls eine andere
Erklärung dieser Formen nicht gefunden worden und ich sehe
durchaus keinen Grund, von ihr abzuweichen.

Etwas anderes ist es mit solchen, lange Zeit nach dem-
selben Princip gedeuteten Formen, wie die lateinischen Per-
fecta auf ui und vi, z. B. al-ui, ama-vi, aber auch mit den
Imperfecten auf bam. Da durchaus nicht nachgewiesen wer-
den kann, dass dieser Typus mit der W. bhū, lat. fu ein ur-
sprachlicher ist, da er vielmehr den italischen Sprachen eigen-
thümlich bleibt, so ist mir für diese Formen jetzt eine andere
Deutung wahrscheinlicher, deren Erörterung ich mir für eine
andere Gelegenheit vorbehalte.

Schliesslich mag noch darauf hingewiesen werden, dass
gerade der Satz: „Die Flexion war im wesentlichen schon
in der Urzeit abgeschlossen“, worin ich mit Delbrück überein-
stimme, gegen manche Versuche spricht, die in neuerer Zeit
häufiger geworden sind, nämlich gegen die, nachzuweisen, dass
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[140/0148] offenbar möglich. Dass, wenn man Scherer's Ansicht zustimmt, allerdings einige Folgerungen, welche ich auf die Existenz der ursprachlichen Form stützte, in Wegfall kommen, habe ich schon in der zweiten Auflage der Chronologie S. 55 ein- geräumt. Ich bemerke dies hier noch einmal mit Bezug auf die freundlichen Worte, die Scherer an mich richtet. Da- gegen beharre ich bei der Behauptung, dass solche Zusam- mensetzungen mit dem Verbum sein jünger sind, als alle ein- fachen Bildungen. Denn sie setzen für ihre Entstehung die Abschwächung eines Verbums von sinnlicher Bedeutung zu dem Verbum substantivum voraus („Chronologie“ 2 68 ff.). Nach diesem Typus konnten dann später gerade so gut zahlreiche andere gebildet werden, wie wir dies bei den No- minalcompositis annahmen. Hier mag allerdings sehr früh schon jedes Gefühl für den Ursprung der Form verloren ge- gangen sein. Trotz aller Versuche ist jedenfalls eine andere Erklärung dieser Formen nicht gefunden worden und ich sehe durchaus keinen Grund, von ihr abzuweichen. Etwas anderes ist es mit solchen, lange Zeit nach dem- selben Princip gedeuteten Formen, wie die lateinischen Per- fecta auf ui und vi, z. B. al-ui, ama-vi, aber auch mit den Imperfecten auf bam. Da durchaus nicht nachgewiesen wer- den kann, dass dieser Typus mit der W. bhū, lat. fu ein ur- sprachlicher ist, da er vielmehr den italischen Sprachen eigen- thümlich bleibt, so ist mir für diese Formen jetzt eine andere Deutung wahrscheinlicher, deren Erörterung ich mir für eine andere Gelegenheit vorbehalte. Schliesslich mag noch darauf hingewiesen werden, dass gerade der Satz: „Die Flexion war im wesentlichen schon in der Urzeit abgeschlossen“, worin ich mit Delbrück überein- stimme, gegen manche Versuche spricht, die in neuerer Zeit häufiger geworden sind, nämlich gegen die, nachzuweisen, dass an fertige Formen auf dem Boden der Einzelsprachen später Partikeln, ja sogar vereinzelte Laute, zum Theil aus blosser

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/148>, abgerufen am 21.11.2024.