Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.wir aposkidnasthai. Was stegos und tegos betrifft, so er- Um einmal eine Einzelheit mitten in diese allgemeinen wir ἀποσκίδνασθαι. Was στέγος und τέγος betrifft, so er- Um einmal eine Einzelheit mitten in diese allgemeinen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0024" n="16"/> wir <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἀποσκίδνασθαι</foreign></hi>. Was <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">στέγος</foreign></hi> und <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τέγος</foreign></hi> betrifft, so er-<lb/> scheint die kürzere Form in der Odyssee, bei Aristophanes<lb/> und Thukydides, die vollere bei den Tragikern. In attischer<lb/> Prosa, wie schon bei Herodot ist daneben das Femininum<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἡ στέγη</foreign></hi> geläufig, das sich an das Verbum <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">στέγειν</foreign></hi>, an <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">στεγνὸς</foreign></hi>,<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">στεγανός</foreign></hi> u. s. w. anschliesst. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">Τέγος</foreign></hi> dagegen hat bei Homer<lb/> nur das Adj. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τέγεος</foreign></hi> 248 und ausserdem etwa den Namen<lb/> der Stadt <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">Τεγέα</foreign></hi> zur Seite. Hier ist augenscheinlich kein<lb/> Boden für mundartliche Unterscheidung. Zweitens, meint Del-<lb/> brück, sei jedesmal zu fragen, ob eine Wirkung der Analogie<lb/> vorliege. Auf dies Gebiet kommen wir im zweiten Abschnitt<lb/> dieser Schrift zu sprechen, wesswegen ich es hier übergehe.<lb/> Drittens frage es sich, ob unter einem Zeichen vielleicht zwei<lb/> Laute verborgen seien, ein Fall, auf den ich selbst in jenen<lb/> Untersuchungen hingewiesen hatte., So verhalte es sich wahr-<lb/> scheinlich mit dem Digamma, so werden <hi rendition="#i">σ</hi> mit consonantischem<lb/><hi rendition="#i">ϝ</hi> zu <hi rendition="#i">σσ</hi> (<hi rendition="#i">σ</hi>), während <hi rendition="#i">σ</hi> vor halbvocalischem <hi rendition="#i">ϝ</hi> abfalle. Ich<lb/> bestreite diese Erklärung als Möglichkeit durchaus nicht. Aber<lb/> offenbar ist es bei allen nicht mehr lebendigen Sprachen in<lb/> den meisten Fällen kaum ausführbar, die verschiedene pho-<lb/> netische Geltung desselben Zeichens wirklich nachzuweisen.<lb/> Wir laufen dabei Gefahr, in einen circulus vitiosus zu ge-<lb/> rathen, indem wir einerseits die auffallende Thatsache durch<lb/> jene Hypothese, zu erklären suchen, andrerseits aber diese<lb/> nur hypothetisch angenommene Form sofort benutzen, um das<lb/> angenommene Axiom gegen Zweifler zu vertheidigen.</p><lb/> <p>Um einmal eine Einzelheit mitten in diese allgemeinen<lb/> Fragen zu werfen, scheint sich mir auf diese Weise die auf<lb/> den ersten Blick recht befremdliche Verwandlung von δ vor<lb/><hi rendition="#i">μ</hi> zu <hi rendition="#i">σ</hi>, z. B. im att. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ὀσμή</foreign></hi> statt des epischen, ionischen, viel-<lb/> leicht sogar (Eutherford, Phryn. p.164) xenophonteischen <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ὀδμή</foreign></hi>,<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἴσμεν</foreign></hi> statt <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἴδμεν</foreign></hi> zu erklären. Woher das scharfe <hi rendition="#i">σ</hi> aus dem<lb/> weichen <hi rendition="#i">δ</hi> vor dem Nasal, der doch eher dem weichen Laute<lb/> nahe steht als dem harten? Vielleicht hatte das <hi rendition="#i">σ</hi> hier zur<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0024]
wir ἀποσκίδνασθαι. Was στέγος und τέγος betrifft, so er-
scheint die kürzere Form in der Odyssee, bei Aristophanes
und Thukydides, die vollere bei den Tragikern. In attischer
Prosa, wie schon bei Herodot ist daneben das Femininum
ἡ στέγη geläufig, das sich an das Verbum στέγειν, an στεγνὸς,
στεγανός u. s. w. anschliesst. Τέγος dagegen hat bei Homer
nur das Adj. τέγεος 248 und ausserdem etwa den Namen
der Stadt Τεγέα zur Seite. Hier ist augenscheinlich kein
Boden für mundartliche Unterscheidung. Zweitens, meint Del-
brück, sei jedesmal zu fragen, ob eine Wirkung der Analogie
vorliege. Auf dies Gebiet kommen wir im zweiten Abschnitt
dieser Schrift zu sprechen, wesswegen ich es hier übergehe.
Drittens frage es sich, ob unter einem Zeichen vielleicht zwei
Laute verborgen seien, ein Fall, auf den ich selbst in jenen
Untersuchungen hingewiesen hatte., So verhalte es sich wahr-
scheinlich mit dem Digamma, so werden σ mit consonantischem
ϝ zu σσ (σ), während σ vor halbvocalischem ϝ abfalle. Ich
bestreite diese Erklärung als Möglichkeit durchaus nicht. Aber
offenbar ist es bei allen nicht mehr lebendigen Sprachen in
den meisten Fällen kaum ausführbar, die verschiedene pho-
netische Geltung desselben Zeichens wirklich nachzuweisen.
Wir laufen dabei Gefahr, in einen circulus vitiosus zu ge-
rathen, indem wir einerseits die auffallende Thatsache durch
jene Hypothese, zu erklären suchen, andrerseits aber diese
nur hypothetisch angenommene Form sofort benutzen, um das
angenommene Axiom gegen Zweifler zu vertheidigen.
Um einmal eine Einzelheit mitten in diese allgemeinen
Fragen zu werfen, scheint sich mir auf diese Weise die auf
den ersten Blick recht befremdliche Verwandlung von δ vor
μ zu σ, z. B. im att. ὀσμή statt des epischen, ionischen, viel-
leicht sogar (Eutherford, Phryn. p.164) xenophonteischen ὀδμή,
ἴσμεν statt ἴδμεν zu erklären. Woher das scharfe σ aus dem
weichen δ vor dem Nasal, der doch eher dem weichen Laute
nahe steht als dem harten? Vielleicht hatte das σ hier zur
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