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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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Zeit des Uebergangs den weichen Klang, und es hiess, wenig-
stens ursprünglich, ozmen, izmen. Später erst mochte der der
Sprache entschwindende weiche Sibilant in den auch in der
Verbindung mit m häufigen scharfen übergehen. Man ver-
gleiche pepusmai u. s. w. Die unter andern von Joh. Schmidt
Ztschr. XXVII S. 314 ausgesprochene Ansicht, osmesei aus
od-smi entstanden, das s also nach der Analogie andrer Bil-
dungen hier eingedrungen, scheint mir nicht den Vorzug der
Wahrscheinlichkeit zu haben.

Delbrück schliesst seine Betrachtungen mit den Worten:
"Es ist zu hoffen, dass bei einer solchen Behandlung die von
Curtius aufgestellte Liste sich erheblich kürzen wird". Man
sieht, dass Delbrück selbst wenig Vertrauen dazu hegt, die
Lehre von der unbedingten Constanz der Lautbewegung den
gegebenen Thatsachen gegenüber durchführen zu können. Der
von andern so zuversichtlich hingestellte Grundsatz wird hier
zu einer Annahme, die man in Zukunft vielleicht erweisen
zu können hofft.

Es mag hier noch auf die Haltung andrer bewährter For-
scher in Bezug auf diese Frage kurz hingewiesen werden.
Joh. Schmidt, ein Gelehrter, der bekanntlich in ganz wesent-
lichen Stücken der neuen Lehre sich anschliesst, ja den Gegen-
satz zwischen den älteren Wegen und den neueren mit be-
sonderer Entschiedenheit hervorhebt, sagt in der Zeitschr. für
vergl. Sprachforschung Bd. XXV (1881) S. 134: "Ganz aus-
nahmslose Lautgesetze, d.h. deren Ausnahmen wir
alle erklären können, gehören ja noch zu den
grössten Seltenheiten"
und weist Bd. XXVI S. 331 der-
selben Zeitschrift darauf hin, dass es neben den anerkann-
ten Lautgesetzen auch bisher unbekannte Lautgesetze geben
könne, auf deren Eingreifen man überall gefasst sein müsse.
Ascoli, dem jedenfalls unter den lebenden Sprachforschern
eine der allerersten Stellen gebührt, spricht sich wiederholt
in ähnlichem, vor Uebertreibung warnenden Sinne aus. So

Curtius, Zur Kritik. 2

Zeit des Uebergangs den weichen Klang, und es hiess, wenig-
stens ursprünglich, ozmē, izmen. Später erst mochte der der
Sprache entschwindende weiche Sibilant in den auch in der
Verbindung mit μ häufigen scharfen übergehen. Man ver-
gleiche πέπυσμαι u. s. w. Die unter andern von Joh. Schmidt
Ztschr. XXVII S. 314 ausgesprochene Ansicht, ὀσμήsei aus
ὀδ-σμί entstanden, das σ also nach der Analogie andrer Bil-
dungen hier eingedrungen, scheint mir nicht den Vorzug der
Wahrscheinlichkeit zu haben.

Delbrück schliesst seine Betrachtungen mit den Worten:
„Es ist zu hoffen, dass bei einer solchen Behandlung die von
Curtius aufgestellte Liste sich erheblich kürzen wird“. Man
sieht, dass Delbrück selbst wenig Vertrauen dazu hegt, die
Lehre von der unbedingten Constanz der Lautbewegung den
gegebenen Thatsachen gegenüber durchführen zu können. Der
von andern so zuversichtlich hingestellte Grundsatz wird hier
zu einer Annahme, die man in Zukunft vielleicht erweisen
zu können hofft.

Es mag hier noch auf die Haltung andrer bewährter For-
scher in Bezug auf diese Frage kurz hingewiesen werden.
Joh. Schmidt, ein Gelehrter, der bekanntlich in ganz wesent-
lichen Stücken der neuen Lehre sich anschliesst, ja den Gegen-
satz zwischen den älteren Wegen und den neueren mit be-
sonderer Entschiedenheit hervorhebt, sagt in der Zeitschr. für
vergl. Sprachforschung Bd. XXV (1881) S. 134: „Ganz aus-
nahmslose Lautgesetze, d.h. deren Ausnahmen wir
alle erklären können, gehören ja noch zu den
grössten Seltenheiten"
und weist Bd. XXVI S. 331 der-
selben Zeitschrift darauf hin, dass es neben den anerkann-
ten Lautgesetzen auch bisher unbekannte Lautgesetze geben
könne, auf deren Eingreifen man überall gefasst sein müsse.
Ascoli, dem jedenfalls unter den lebenden Sprachforschern
eine der allerersten Stellen gebührt, spricht sich wiederholt
in ähnlichem, vor Uebertreibung warnenden Sinne aus. So

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[17/0025] Zeit des Uebergangs den weichen Klang, und es hiess, wenig- stens ursprünglich, ozmē, izmen. Später erst mochte der der Sprache entschwindende weiche Sibilant in den auch in der Verbindung mit μ häufigen scharfen übergehen. Man ver- gleiche πέπυσμαι u. s. w. Die unter andern von Joh. Schmidt Ztschr. XXVII S. 314 ausgesprochene Ansicht, ὀσμήsei aus ὀδ-σμί entstanden, das σ also nach der Analogie andrer Bil- dungen hier eingedrungen, scheint mir nicht den Vorzug der Wahrscheinlichkeit zu haben. Delbrück schliesst seine Betrachtungen mit den Worten: „Es ist zu hoffen, dass bei einer solchen Behandlung die von Curtius aufgestellte Liste sich erheblich kürzen wird“. Man sieht, dass Delbrück selbst wenig Vertrauen dazu hegt, die Lehre von der unbedingten Constanz der Lautbewegung den gegebenen Thatsachen gegenüber durchführen zu können. Der von andern so zuversichtlich hingestellte Grundsatz wird hier zu einer Annahme, die man in Zukunft vielleicht erweisen zu können hofft. Es mag hier noch auf die Haltung andrer bewährter For- scher in Bezug auf diese Frage kurz hingewiesen werden. Joh. Schmidt, ein Gelehrter, der bekanntlich in ganz wesent- lichen Stücken der neuen Lehre sich anschliesst, ja den Gegen- satz zwischen den älteren Wegen und den neueren mit be- sonderer Entschiedenheit hervorhebt, sagt in der Zeitschr. für vergl. Sprachforschung Bd. XXV (1881) S. 134: „Ganz aus- nahmslose Lautgesetze, d.h. deren Ausnahmen wir alle erklären können, gehören ja noch zu den grössten Seltenheiten" und weist Bd. XXVI S. 331 der- selben Zeitschrift darauf hin, dass es neben den anerkann- ten Lautgesetzen auch bisher unbekannte Lautgesetze geben könne, auf deren Eingreifen man überall gefasst sein müsse. Ascoli, dem jedenfalls unter den lebenden Sprachforschern eine der allerersten Stellen gebührt, spricht sich wiederholt in ähnlichem, vor Uebertreibung warnenden Sinne aus. So Curtius, Zur Kritik. 2

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/25>, abgerufen am 21.11.2024.