Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.in seinen "kritischen Studien zur Sprachwissenschaft", S. 9 der Wiederholt ist von neueren Forschern darauf hingewiesen, in seinen „kritischen Studien zur Sprachwissenschaft“, S. 9 der Wiederholt ist von neueren Forschern darauf hingewiesen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026" n="18"/> in seinen „kritischen Studien zur Sprachwissenschaft“, S. 9 der<lb/> deutschen Uebersetzung: „Unvorsichtige Lobredner sprechen<lb/> häufig von unerbittlichen, unveränderlichen, unumgänglichen<lb/> Gesetzen in den lautlichen Entsprechungen zwischen Sprache<lb/> und Sprache, als ob es sich stets um die einzige und aus-<lb/> schliessliche Formel A = B handelte und das sich leicht er-<lb/> gebende Resultat der vergleichenden Lautlehre ganz und gar<lb/> in eine Art Pythagoreischer Tabelle oder in eine Art Sprach-<lb/> compass umgesetzt werden könnte. Das aber liegt weit ab<lb/> von der Wahrheit. Für den Linguisten ist die Gleichung: lat.<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="lat">medius</foreign></hi> = sanskr. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">madhjas</foreign></hi> ebenso evident und ebenso gut be-<lb/> wiesen als die andere: lat. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="lat">ūber</foreign></hi> = sanskr. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">ūdhar</foreign></hi> (<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ūdhas</foreign></hi>), ob-<lb/> gleich man im ersten Fall lat. <hi rendition="#i">d</hi> = sanskr. <hi rendition="#i">dh</hi>, im zweiten,<lb/> verschieden davon, lat. <hi rendition="#i">b</hi> = sanskr. <hi rendition="#i">dh</hi> ansetzt“. Und weiter:<lb/> „Im Leben der Sprache ist wie in dem jedes andern Natur-<lb/> organismus <hi rendition="#g">solche starre und beständige Einfach-<lb/> heit in jeder Beziehung eine Utopie</hi>“. Um nicht etwa<lb/> den Glauben zu erwecken, als ob der italienische Gelehrte<lb/> Abweichungen von fest erkannten und weit reichenden Laut-<lb/> gesetzen ohne weiteren Nachweis und ohne Frage nach dem<lb/> Grunde zulasse, verweise ich auf seine Lettera glottologica<lb/> (1881), wo es S. 6 nach freier deutscher Uebersetzung etwa<lb/> so heisst: „Ich habe gezeigt, dass man für jede Ausnahme<lb/> oder Unsicherheit, unter welcher die phonologischen Normen<lb/> leiden, nach einem warum? suchen muss, das sie thatsächlich<lb/> löst und nach einem anderen Fall, der ähnlich sei“.</p><lb/> <p>Wiederholt ist von neueren Forschern darauf hingewiesen,<lb/> dass für die Richtigkeit principieller Aufstellungen die leben-<lb/> den Sprachen, ganz vorzugsweise die romanischen mit ihrer<lb/> festen Grundlage im Lateinischen und ihrer durch Jahrhun-<lb/> derte verfolgbaren, reichen Geschichte belehrend seien. Das<lb/> ist ja der Gedanke unsers grossen Leibniz, durch den dieser<lb/> klärend und belebend auf das Sprachstudium einwirkte. Dies<lb/> bestimmte mich, in Bezug auf die Frage nach der Beständig-<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [18/0026]
in seinen „kritischen Studien zur Sprachwissenschaft“, S. 9 der
deutschen Uebersetzung: „Unvorsichtige Lobredner sprechen
häufig von unerbittlichen, unveränderlichen, unumgänglichen
Gesetzen in den lautlichen Entsprechungen zwischen Sprache
und Sprache, als ob es sich stets um die einzige und aus-
schliessliche Formel A = B handelte und das sich leicht er-
gebende Resultat der vergleichenden Lautlehre ganz und gar
in eine Art Pythagoreischer Tabelle oder in eine Art Sprach-
compass umgesetzt werden könnte. Das aber liegt weit ab
von der Wahrheit. Für den Linguisten ist die Gleichung: lat.
medius = sanskr. madhjas ebenso evident und ebenso gut be-
wiesen als die andere: lat. ūber = sanskr. ūdhar (ūdhas), ob-
gleich man im ersten Fall lat. d = sanskr. dh, im zweiten,
verschieden davon, lat. b = sanskr. dh ansetzt“. Und weiter:
„Im Leben der Sprache ist wie in dem jedes andern Natur-
organismus solche starre und beständige Einfach-
heit in jeder Beziehung eine Utopie“. Um nicht etwa
den Glauben zu erwecken, als ob der italienische Gelehrte
Abweichungen von fest erkannten und weit reichenden Laut-
gesetzen ohne weiteren Nachweis und ohne Frage nach dem
Grunde zulasse, verweise ich auf seine Lettera glottologica
(1881), wo es S. 6 nach freier deutscher Uebersetzung etwa
so heisst: „Ich habe gezeigt, dass man für jede Ausnahme
oder Unsicherheit, unter welcher die phonologischen Normen
leiden, nach einem warum? suchen muss, das sie thatsächlich
löst und nach einem anderen Fall, der ähnlich sei“.
Wiederholt ist von neueren Forschern darauf hingewiesen,
dass für die Richtigkeit principieller Aufstellungen die leben-
den Sprachen, ganz vorzugsweise die romanischen mit ihrer
festen Grundlage im Lateinischen und ihrer durch Jahrhun-
derte verfolgbaren, reichen Geschichte belehrend seien. Das
ist ja der Gedanke unsers grossen Leibniz, durch den dieser
klärend und belebend auf das Sprachstudium einwirkte. Dies
bestimmte mich, in Bezug auf die Frage nach der Beständig-
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