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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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II.

Incidit in Scyllam qui vult vitare Charybdin.

Die Veränderungen und Verschiebungen, welche ein Wort
oder eine Wortform dadurch erleidet, dass dem sprechenden
ein andres Wort oder eine andre irgendwie ähnliche Form
vorschwebt und das zu sprechende jenem nachgebildet wird,
entgingen keineswegs der Aufmerksamkeit der griechischen
Grammatiker. Je seltner wir in der Lage sind, diesen alten
Technikern in den Dingen, die über das thatsächliche hinaus
gehen, zu folgen, desto mehr wird es gestattet sein, bei den
Auffassungen und Benennungen eines jetzt häufig erwähnten
und dem Zeitgeschmack besonders zusagenden Vorganges von
Seiten jener griechischen Lehrmeister einige Augenblicke zu
verweilen.

Unsre grammatischen Lehrbücher enthalten darüber nichts,
mit einer einzigen Ausnahme. Mehlhorn in seiner jetzt fast
verschollenen "griechischen Grammatik für Schulen und Stu-
dirende" erste (leider einzige) Lieferung, Halle 1845 S. 120
sagt darüber folgendes: "Die Sprache hält nicht immer die
inneren, eigentlichen Merkmale der Analogie fest, weil die
Entstehung und Ausbildung einer Form dem Bewusstsein oft
entschwunden war, sondern folgt bisweilen mehr einer äusse-
ren, aber deutlichen Aehnlichkeit. Nach dem Vorgang der
Alten nennen wir dies sunekdrome, welches gleichsam ein
Heraustreten und Mitlaufen mit einer andern Herde bezeich-
net, also einen Uebergang in eine andre Analogie, der auch

Curtius, Zur Kritik.
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II.

Incidit in Scyllam qui vult vitare Charybdin.

Die Veränderungen und Verschiebungen, welche ein Wort
oder eine Wortform dadurch erleidet, dass dem sprechenden
ein andres Wort oder eine andre irgendwie ähnliche Form
vorschwebt und das zu sprechende jenem nachgebildet wird,
entgingen keineswegs der Aufmerksamkeit der griechischen
Grammatiker. Je seltner wir in der Lage sind, diesen alten
Technikern in den Dingen, die über das thatsächliche hinaus
gehen, zu folgen, desto mehr wird es gestattet sein, bei den
Auffassungen und Benennungen eines jetzt häufig erwähnten
und dem Zeitgeschmack besonders zusagenden Vorganges von
Seiten jener griechischen Lehrmeister einige Augenblicke zu
verweilen.

Unsre grammatischen Lehrbücher enthalten darüber nichts,
mit einer einzigen Ausnahme. Mehlhorn in seiner jetzt fast
verschollenen „griechischen Grammatik für Schulen und Stu-
dirende“ erste (leider einzige) Lieferung, Halle 1845 S. 120
sagt darüber folgendes: „Die Sprache hält nicht immer die
inneren, eigentlichen Merkmale der Analogie fest, weil die
Entstehung und Ausbildung einer Form dem Bewusstsein oft
entschwunden war, sondern folgt bisweilen mehr einer äusse-
ren, aber deutlichen Aehnlichkeit. Nach dem Vorgang der
Alten nennen wir dies συνεκδρομή, welches gleichsam ein
Heraustreten und Mitlaufen mit einer andern Herde bezeich-
net, also einen Uebergang in eine andre Analogie, der auch

Curtius, Zur Kritik.
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[[33]/0041] II. Incidit in Scyllam qui vult vitare Charybdin. Die Veränderungen und Verschiebungen, welche ein Wort oder eine Wortform dadurch erleidet, dass dem sprechenden ein andres Wort oder eine andre irgendwie ähnliche Form vorschwebt und das zu sprechende jenem nachgebildet wird, entgingen keineswegs der Aufmerksamkeit der griechischen Grammatiker. Je seltner wir in der Lage sind, diesen alten Technikern in den Dingen, die über das thatsächliche hinaus gehen, zu folgen, desto mehr wird es gestattet sein, bei den Auffassungen und Benennungen eines jetzt häufig erwähnten und dem Zeitgeschmack besonders zusagenden Vorganges von Seiten jener griechischen Lehrmeister einige Augenblicke zu verweilen. Unsre grammatischen Lehrbücher enthalten darüber nichts, mit einer einzigen Ausnahme. Mehlhorn in seiner jetzt fast verschollenen „griechischen Grammatik für Schulen und Stu- dirende“ erste (leider einzige) Lieferung, Halle 1845 S. 120 sagt darüber folgendes: „Die Sprache hält nicht immer die inneren, eigentlichen Merkmale der Analogie fest, weil die Entstehung und Ausbildung einer Form dem Bewusstsein oft entschwunden war, sondern folgt bisweilen mehr einer äusse- ren, aber deutlichen Aehnlichkeit. Nach dem Vorgang der Alten nennen wir dies συνεκδρομή, welches gleichsam ein Heraustreten und Mitlaufen mit einer andern Herde bezeich- net, also einen Uebergang in eine andre Analogie, der auch Curtius, Zur Kritik. 3

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. [33]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/41>, abgerufen am 24.11.2024.