Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.sich in seiner Gesch. der deutschen Sprache2 S. 177 dahin: So wird es nicht ungerechtfertigt genannt werden können, Misteli in Steinthal's Zeitschr. IX S. 444 sagt mit Recht, sich in seiner Gesch. der deutschen Sprache2 S. 177 dahin: So wird es nicht ungerechtfertigt genannt werden können, Misteli in Steinthal's Zeitschr. IX S. 444 sagt mit Recht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050" n="42"/> sich in seiner Gesch. der deutschen Sprache<hi rendition="#sup">2</hi> S. 177 dahin:<lb/> „es würde sehr verdienstlich sein, wenn jemand die Form-<lb/> übertragung oder Wirkung der falschen Analogie einmal im<lb/> allgemeinsten Zusammenhang erörterte und namentlich die Ein-<lb/> schränkungen festzustellen suchte, innerhalb derer dieser Vor-<lb/> gang sich halten muss“. Eben deshalb tadelt Scherer die<lb/> übertriebene Anwendung dieses Princips mit harten Worten.<lb/> Selbst Joh. Schmidt, der seinerseits die Analogiebildung sehr<lb/> reichlich verwendet, sieht sich Kuhn's Zeitschr. XXVII (1882)<lb/> S. 329 zu folgendem Bekenntniss veranlasst: „Ich halte noch<lb/> heute an der Ansicht fest, dass die Annahme von falschen<lb/> Analogien oder Formübertragungen für den Sprachforscher ein<lb/> ultimum refugium ist, dem man erst zueilt, wenn alles andere<lb/> versagt, und welches man mit Freuden verlässt, sobald sich<lb/> die Möglichkeit einer lautgesetzlichen Erklärung eröffnet“.<lb/> Auch Delbrück beklagt den Mangel an Untersuchungen über<lb/> die Kriterien zwischen berechtigten und unberechtigten An-<lb/> nahmen der Art.</p><lb/> <p> So wird es nicht ungerechtfertigt genannt werden können,<lb/> wenn wir bei dieser Frage noch einige Zeit verweilen.</p><lb/> <p>Misteli in Steinthal's Zeitschr. IX S. 444 sagt mit Recht,<lb/> die Analogiebildung sei in jedem Falle „das Product eines<lb/> Kampfes“. Augenscheinlich nämlich steht dem Triebe, sprach-<lb/> liche Erscheinungen einander ähnlicher zu machen, ein andrer<lb/> Trieb gegenüber, an den in der neuesten Sprachforschung<lb/> wenig gedacht wird, nämlich der conservative Trieb, der auf<lb/> stille, treue, feste Vererbung der in einer früheren Zeit ge-<lb/> schaffenen Formen und Begriffe hinausläuft. Ohne diesen<lb/> zweiten Trieb wäre die vergleichende Grammatik völlig un-<lb/> möglich; auf ihm beruht die Erhaltung tausender von bedeu-<lb/> tungsvollen Formen, des ganzen Systems der einzelnen Spra-<lb/> chen gemeinsamer Herkunft durch unzählbare Jahrhunderte<lb/> hindurch. Liest man die Lobpreisungen, welche im Laufe<lb/> der letzten Jahre der vielnamigen Spracherscheinung zu Theil<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [42/0050]
sich in seiner Gesch. der deutschen Sprache2 S. 177 dahin:
„es würde sehr verdienstlich sein, wenn jemand die Form-
übertragung oder Wirkung der falschen Analogie einmal im
allgemeinsten Zusammenhang erörterte und namentlich die Ein-
schränkungen festzustellen suchte, innerhalb derer dieser Vor-
gang sich halten muss“. Eben deshalb tadelt Scherer die
übertriebene Anwendung dieses Princips mit harten Worten.
Selbst Joh. Schmidt, der seinerseits die Analogiebildung sehr
reichlich verwendet, sieht sich Kuhn's Zeitschr. XXVII (1882)
S. 329 zu folgendem Bekenntniss veranlasst: „Ich halte noch
heute an der Ansicht fest, dass die Annahme von falschen
Analogien oder Formübertragungen für den Sprachforscher ein
ultimum refugium ist, dem man erst zueilt, wenn alles andere
versagt, und welches man mit Freuden verlässt, sobald sich
die Möglichkeit einer lautgesetzlichen Erklärung eröffnet“.
Auch Delbrück beklagt den Mangel an Untersuchungen über
die Kriterien zwischen berechtigten und unberechtigten An-
nahmen der Art.
So wird es nicht ungerechtfertigt genannt werden können,
wenn wir bei dieser Frage noch einige Zeit verweilen.
Misteli in Steinthal's Zeitschr. IX S. 444 sagt mit Recht,
die Analogiebildung sei in jedem Falle „das Product eines
Kampfes“. Augenscheinlich nämlich steht dem Triebe, sprach-
liche Erscheinungen einander ähnlicher zu machen, ein andrer
Trieb gegenüber, an den in der neuesten Sprachforschung
wenig gedacht wird, nämlich der conservative Trieb, der auf
stille, treue, feste Vererbung der in einer früheren Zeit ge-
schaffenen Formen und Begriffe hinausläuft. Ohne diesen
zweiten Trieb wäre die vergleichende Grammatik völlig un-
möglich; auf ihm beruht die Erhaltung tausender von bedeu-
tungsvollen Formen, des ganzen Systems der einzelnen Spra-
chen gemeinsamer Herkunft durch unzählbare Jahrhunderte
hindurch. Liest man die Lobpreisungen, welche im Laufe
der letzten Jahre der vielnamigen Spracherscheinung zu Theil
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