Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frau von D.: Die in der Liebe herumschweifende oder bestrafte Untreue. 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

alt, da meine Mutter starb. Jch
fühlte die Grösse meines Verlustes
nur mittelmäßig. Mein Vater
vernahm zu gleicher Zeit, daß mei-
ne Schönheit anfieng berühmt zu
werden, und weil er sich wegen der
Sorge für meine Aufführung auf kei-
nem als auf sich selbst verlassen woll-
te, so kam er zu mir nach Spanien,
und nahm mich aus dem Hause seines
Bruders, des Don Ferdinands
Vaters, in welchem man mich auf-
genommen hatte. Er führte mich
nach Flandern, und gab mich
an die Jnfantin, unsers Königes
Schwester und des Erzherzogs Al-
berts
Gemahlin. Sie nahm mich
in die Reihre ihres Hof-Frauenzim-
mers auf. Diese Prinzeßin hatte vie-
le Gewogenheit für mich, und ich
kann versichern, daß ich mich die Lie-
be ihres ganzen Hofes erwarb. Mit-
ten unter so vielen Glückseligkeiten
und Lobeserhebungen, welche man von
mir machte, indem man mir den Preiß
der Schönheit über alle Frauen in
Flandern zugestand, starb mein Va-

ter,

alt, da meine Mutter ſtarb. Jch
fuͤhlte die Groͤſſe meines Verluſtes
nur mittelmaͤßig. Mein Vater
vernahm zu gleicher Zeit, daß mei-
ne Schoͤnheit anfieng beruͤhmt zu
werden, und weil er ſich wegen der
Sorge fuͤr meine Auffuͤhrung auf kei-
nem als auf ſich ſelbſt verlaſſen woll-
te, ſo kam er zu mir nach Spanien,
und nahm mich aus dem Hauſe ſeines
Bruders, des Don Ferdinands
Vaters, in welchem man mich auf-
genommen hatte. Er fuͤhrte mich
nach Flandern, und gab mich
an die Jnfantin, unſers Koͤniges
Schweſter und des Erzherzogs Al-
berts
Gemahlin. Sie nahm mich
in die Reihre ihres Hof-Frauenzim-
mers auf. Dieſe Prinzeßin hatte vie-
le Gewogenheit fuͤr mich, und ich
kann verſichern, daß ich mich die Lie-
be ihres ganzen Hofes erwarb. Mit-
ten unter ſo vielen Gluͤckſeligkeiten
und Lobeserhebungen, welche man von
mir machte, indem man mir den Preiß
der Schoͤnheit uͤber alle Frauen in
Flandern zugeſtand, ſtarb mein Va-

ter,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0108" n="106"/>
alt, da meine Mutter &#x017F;tarb. Jch<lb/>
fu&#x0364;hlte die Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e meines Verlu&#x017F;tes<lb/>
nur mittelma&#x0364;ßig. Mein Vater<lb/>
vernahm zu gleicher Zeit, daß mei-<lb/>
ne Scho&#x0364;nheit anfieng beru&#x0364;hmt zu<lb/>
werden, und weil er &#x017F;ich wegen der<lb/>
Sorge fu&#x0364;r meine Auffu&#x0364;hrung auf kei-<lb/>
nem als auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t verla&#x017F;&#x017F;en woll-<lb/>
te, &#x017F;o kam er zu mir nach Spanien,<lb/>
und nahm mich aus dem Hau&#x017F;e &#x017F;eines<lb/>
Bruders, des <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Don Ferdinands</hi></hi><lb/>
Vaters, in welchem man mich auf-<lb/>
genommen hatte. Er fu&#x0364;hrte mich<lb/>
nach <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Flandern</hi></hi>, und gab mich<lb/>
an die <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Jnfantin</hi></hi>, un&#x017F;ers Ko&#x0364;niges<lb/>
Schwe&#x017F;ter und des Erzherzogs <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Al-<lb/>
berts</hi></hi> Gemahlin. Sie nahm mich<lb/>
in die Reihre ihres Hof-Frauenzim-<lb/>
mers auf. Die&#x017F;e Prinzeßin hatte vie-<lb/>
le Gewogenheit fu&#x0364;r mich, und ich<lb/>
kann ver&#x017F;ichern, daß ich mich die Lie-<lb/>
be ihres ganzen Hofes erwarb. Mit-<lb/>
ten unter &#x017F;o vielen Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeiten<lb/>
und Lobeserhebungen, welche man von<lb/>
mir machte, indem man mir den Preiß<lb/>
der Scho&#x0364;nheit u&#x0364;ber alle Frauen in<lb/>
Flandern zuge&#x017F;tand, &#x017F;tarb mein Va-<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">ter,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0108] alt, da meine Mutter ſtarb. Jch fuͤhlte die Groͤſſe meines Verluſtes nur mittelmaͤßig. Mein Vater vernahm zu gleicher Zeit, daß mei- ne Schoͤnheit anfieng beruͤhmt zu werden, und weil er ſich wegen der Sorge fuͤr meine Auffuͤhrung auf kei- nem als auf ſich ſelbſt verlaſſen woll- te, ſo kam er zu mir nach Spanien, und nahm mich aus dem Hauſe ſeines Bruders, des Don Ferdinands Vaters, in welchem man mich auf- genommen hatte. Er fuͤhrte mich nach Flandern, und gab mich an die Jnfantin, unſers Koͤniges Schweſter und des Erzherzogs Al- berts Gemahlin. Sie nahm mich in die Reihre ihres Hof-Frauenzim- mers auf. Dieſe Prinzeßin hatte vie- le Gewogenheit fuͤr mich, und ich kann verſichern, daß ich mich die Lie- be ihres ganzen Hofes erwarb. Mit- ten unter ſo vielen Gluͤckſeligkeiten und Lobeserhebungen, welche man von mir machte, indem man mir den Preiß der Schoͤnheit uͤber alle Frauen in Flandern zugeſtand, ſtarb mein Va- ter,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bayerische StaatsBibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-27T12:08:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/d_untreue_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/d_untreue_1763/108
Zitationshilfe: Frau von D.: Die in der Liebe herumschweifende oder bestrafte Untreue. 1763, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/d_untreue_1763/108>, abgerufen am 23.11.2024.