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Frau von D.: Die in der Liebe herumschweifende oder bestrafte Untreue. 1763.

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ter, der an Jahren und Ruhm zu-
genommen, und ich empfand dieses
Unglück nachdrücklich. Doch die Ju-
gend tröstete mich in kurzer Zeit, und
mein Gram endigte sich mit meiner
Trauer. Jch fieng bald an den Re-
den der jungen Leute Gehör zu ge-
ben. Dies geschah zwar mit so viel
Klugheit und Eingezogenheit, daß
meine Gespielinnen selbst mir nichts
vorgeworfen haben. Allein endlich
machte die Liebe, deren Herrschaft
man über kurz oder lang erfahren
muß, daß von den Verdiensten eines
jungen Herrn, des Herzogs von An-
dalusien
Sohn, gerühret wurde,
welcher erst seit einigen Tagen an den
Hof der Jnfantin angelanget war.
Ohngeachtet aller Bücher, die ich ge-
lesen, ohngeachtet aller der Rathschlä-
ge, die man mir gegeben, ohngeach-
tet aller der Exempel, die ich vor Au-
gen gehabt hatte, ohngeachtet der Fa-
sten, Gebete, und Betrachtungen,
welche ich anstellte, um mich zu ver-
wahren, konnte ich doch die Liebe
aus meinem Herzen nicht heraus trei-

ben.

ter, der an Jahren und Ruhm zu-
genommen, und ich empfand dieſes
Ungluͤck nachdruͤcklich. Doch die Ju-
gend troͤſtete mich in kurzer Zeit, und
mein Gram endigte ſich mit meiner
Trauer. Jch fieng bald an den Re-
den der jungen Leute Gehoͤr zu ge-
ben. Dies geſchah zwar mit ſo viel
Klugheit und Eingezogenheit, daß
meine Gespielinnen ſelbſt mir nichts
vorgeworfen haben. Allein endlich
machte die Liebe, deren Herrſchaft
man uͤber kurz oder lang erfahren
muß, daß von den Verdienſten eines
jungen Herrn, des Herzogs von An-
daluſien
Sohn, geruͤhret wurde,
welcher erſt ſeit einigen Tagen an den
Hof der Jnfantin angelanget war.
Ohngeachtet aller Buͤcher, die ich ge-
leſen, ohngeachtet aller der Rathſchlaͤ-
ge, die man mir gegeben, ohngeach-
tet aller der Exempel, die ich vor Au-
gen gehabt hatte, ohngeachtet der Fa-
ſten, Gebete, und Betrachtungen,
welche ich anſtellte, um mich zu ver-
wahren, konnte ich doch die Liebe
aus meinem Herzen nicht heraus trei-

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[107/0109] ter, der an Jahren und Ruhm zu- genommen, und ich empfand dieſes Ungluͤck nachdruͤcklich. Doch die Ju- gend troͤſtete mich in kurzer Zeit, und mein Gram endigte ſich mit meiner Trauer. Jch fieng bald an den Re- den der jungen Leute Gehoͤr zu ge- ben. Dies geſchah zwar mit ſo viel Klugheit und Eingezogenheit, daß meine Gespielinnen ſelbſt mir nichts vorgeworfen haben. Allein endlich machte die Liebe, deren Herrſchaft man uͤber kurz oder lang erfahren muß, daß von den Verdienſten eines jungen Herrn, des Herzogs von An- daluſien Sohn, geruͤhret wurde, welcher erſt ſeit einigen Tagen an den Hof der Jnfantin angelanget war. Ohngeachtet aller Buͤcher, die ich ge- leſen, ohngeachtet aller der Rathſchlaͤ- ge, die man mir gegeben, ohngeach- tet aller der Exempel, die ich vor Au- gen gehabt hatte, ohngeachtet der Fa- ſten, Gebete, und Betrachtungen, welche ich anſtellte, um mich zu ver- wahren, konnte ich doch die Liebe aus meinem Herzen nicht heraus trei- ben.

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Zitationshilfe: Frau von D.: Die in der Liebe herumschweifende oder bestrafte Untreue. 1763, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/d_untreue_1763/109>, abgerufen am 12.05.2024.