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Frau von D.: Die in der Liebe herumschweifende oder bestrafte Untreue. 1763.

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niemand nachher gesehen oder ange-
troffen. Zum Glück für mich langte
in diesem Augenblick eine so grosse An-
zahl Fuhrleute und Fußgänger an, daß
das ganze Haus voll war. Eine
Stunde nachher erinnerte sich der
Herr seines Mantels, und suchte ihn
da, wo er ihn liegen gelassen, und
wo er nicht mehr war. Es war ver-
geblich, daß er hundertmahl sagte:
Jch habe ihn doch da liegen lassen, wer
hat ihn mir doch weggenommen? Jch
antwortete ihm mit Lachen: Wer ihn
weggenommen hat, wird nicht kom-
men, und es euch sagen. Wie der gu-
te Mensche endlich die Menge Leute sa-
he, welche aus dem Hause aus und
eingegangen waren, so begab er sich
weg, und gestand durch sein Still-
schweigen, daß er den Verlust, den
er gelitten, keinen als sich selbst zuschrie-
be. Endlich, sagte sie weiter, der
Mantel blieb mir, und nach der Zeit
habe ich ihn in meinen Kasten gelas-
sen. Diesen Abend habe ich ihn oh-
ne daran zu denken herausgezogen mit
deinen Hemdern, welche ich ausbes-

sern

niemand nachher geſehen oder ange-
troffen. Zum Gluͤck fuͤr mich langte
in dieſem Augenblick eine ſo groſſe An-
zahl Fuhrleute und Fußgaͤnger an, daß
das ganze Haus voll war. Eine
Stunde nachher erinnerte ſich der
Herr ſeines Mantels, und ſuchte ihn
da, wo er ihn liegen gelaſſen, und
wo er nicht mehr war. Es war ver-
geblich, daß er hundertmahl ſagte:
Jch habe ihn doch da liegen laſſen, wer
hat ihn mir doch weggenommen? Jch
antwortete ihm mit Lachen: Wer ihn
weggenommen hat, wird nicht kom-
men, und es euch ſagen. Wie der gu-
te Menſche endlich die Menge Leute ſa-
he, welche aus dem Hauſe aus und
eingegangen waren, ſo begab er ſich
weg, und geſtand durch ſein Still-
ſchweigen, daß er den Verluſt, den
er gelitten, keinen als ſich ſelbſt zuſchrie-
be. Endlich, ſagte ſie weiter, der
Mantel blieb mir, und nach der Zeit
habe ich ihn in meinen Kaſten gelaſ-
ſen. Dieſen Abend habe ich ihn oh-
ne daran zu denken herausgezogen mit
deinen Hemdern, welche ich ausbeſ-

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[27/0029] niemand nachher geſehen oder ange- troffen. Zum Gluͤck fuͤr mich langte in dieſem Augenblick eine ſo groſſe An- zahl Fuhrleute und Fußgaͤnger an, daß das ganze Haus voll war. Eine Stunde nachher erinnerte ſich der Herr ſeines Mantels, und ſuchte ihn da, wo er ihn liegen gelaſſen, und wo er nicht mehr war. Es war ver- geblich, daß er hundertmahl ſagte: Jch habe ihn doch da liegen laſſen, wer hat ihn mir doch weggenommen? Jch antwortete ihm mit Lachen: Wer ihn weggenommen hat, wird nicht kom- men, und es euch ſagen. Wie der gu- te Menſche endlich die Menge Leute ſa- he, welche aus dem Hauſe aus und eingegangen waren, ſo begab er ſich weg, und geſtand durch ſein Still- ſchweigen, daß er den Verluſt, den er gelitten, keinen als ſich ſelbſt zuſchrie- be. Endlich, ſagte ſie weiter, der Mantel blieb mir, und nach der Zeit habe ich ihn in meinen Kaſten gelaſ- ſen. Dieſen Abend habe ich ihn oh- ne daran zu denken herausgezogen mit deinen Hemdern, welche ich ausbeſ- ſern

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Zitationshilfe: Frau von D.: Die in der Liebe herumschweifende oder bestrafte Untreue. 1763, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/d_untreue_1763/29>, abgerufen am 28.04.2024.