vor Allem auf Reichsstände antrug. Man konnte sich in diesem Betracht nicht der Voreiligkeit anklagen. Einige Monate früher ward der Klerus vom Premierminister ver- sammelt (es war seine letzte Versammlung im altkönig- lichen Frankreich) und um eine Beihülfe von 1,800,000 Livres für dieses Jahr und um eben so viel für das nächste angesprochen; die Beihülfe schlug er ab und stimmte in den allgemeinen Wunsch nach Reichsständen ein.Juni 15.
Um diese Zeit reichte Malesherbes eine Denkschrift ein, bat die Unruhen nicht für unbedeutend zu halten, das habe der Londner Hof gethan den Amerikanern gegen- über, der Kaiser eben so in seinen Niederlanden, und beide haben sich getäuscht. Seine Hoffnung ist nicht auf histo- rische Stände gerichtet, nach deren Zusammensetzung Brienne in den Archiven forschen läßt und die Schriftstel- lerwelt sogar einladet sich über diesen Gegenstand zu ver- breiten, Malesherbes verlangt Stände, die das Leben, wie es wirklich vorliegt, abbilden; er glaubt sie in frei- gewählten Grundbesitzern zu erkennen. Auf diese gestützt, meint er, könne man den Parlamenten getrost entgegen- treten. Las der König diese Denkschrift? Er schien sich um diese Zeit der Regierungsangelegenheiten geflissentlich zu entschlagen; er jagte.
Brienne hatte seinen Vorrath von Finanzkünsten er- schöpft; noch einmal versuchte er die Sprödigkeit der öf- fentlichen Meinung zu überwinden, indem er seine cour pleniere bis zu der Versammlung der Reichsstände ver-
vor Allem auf Reichsſtände antrug. Man konnte ſich in dieſem Betracht nicht der Voreiligkeit anklagen. Einige Monate früher ward der Klerus vom Premierminiſter ver- ſammelt (es war ſeine letzte Verſammlung im altkönig- lichen Frankreich) und um eine Beihülfe von 1,800,000 Livres für dieſes Jahr und um eben ſo viel für das nächſte angeſprochen; die Beihülfe ſchlug er ab und ſtimmte in den allgemeinen Wunſch nach Reichsſtänden ein.Juni 15.
Um dieſe Zeit reichte Malesherbes eine Denkſchrift ein, bat die Unruhen nicht für unbedeutend zu halten, das habe der Londner Hof gethan den Amerikanern gegen- über, der Kaiſer eben ſo in ſeinen Niederlanden, und beide haben ſich getäuſcht. Seine Hoffnung iſt nicht auf hiſto- riſche Stände gerichtet, nach deren Zuſammenſetzung Brienne in den Archiven forſchen läßt und die Schriftſtel- lerwelt ſogar einladet ſich über dieſen Gegenſtand zu ver- breiten, Malesherbes verlangt Stände, die das Leben, wie es wirklich vorliegt, abbilden; er glaubt ſie in frei- gewählten Grundbeſitzern zu erkennen. Auf dieſe geſtützt, meint er, könne man den Parlamenten getroſt entgegen- treten. Las der König dieſe Denkſchrift? Er ſchien ſich um dieſe Zeit der Regierungsangelegenheiten gefliſſentlich zu entſchlagen; er jagte.
Brienne hatte ſeinen Vorrath von Finanzkünſten er- ſchöpft; noch einmal verſuchte er die Sprödigkeit der öf- fentlichen Meinung zu überwinden, indem er ſeine cour plenière bis zu der Verſammlung der Reichsſtände ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0147"n="137"/>
vor Allem auf Reichsſtände antrug. Man konnte ſich in<lb/>
dieſem Betracht nicht der Voreiligkeit anklagen. Einige<lb/>
Monate früher ward der Klerus vom Premierminiſter ver-<lb/>ſammelt (es war ſeine letzte Verſammlung im altkönig-<lb/>
lichen Frankreich) und um eine Beihülfe von 1,800,000<lb/>
Livres für dieſes Jahr und um eben ſo viel für das nächſte<lb/>
angeſprochen; die Beihülfe ſchlug er ab und ſtimmte in<lb/>
den allgemeinen Wunſch nach Reichsſtänden ein.<noteplace="right">Juni 15.</note></p><lb/><p>Um dieſe Zeit reichte Malesherbes eine Denkſchrift<lb/>
ein, bat die Unruhen nicht für unbedeutend zu halten,<lb/>
das habe der Londner Hof gethan den Amerikanern gegen-<lb/>
über, der Kaiſer eben ſo in ſeinen Niederlanden, und beide<lb/>
haben ſich getäuſcht. Seine Hoffnung iſt nicht auf hiſto-<lb/>
riſche Stände gerichtet, nach deren Zuſammenſetzung<lb/>
Brienne in den Archiven forſchen läßt und die Schriftſtel-<lb/>
lerwelt ſogar einladet ſich über dieſen Gegenſtand zu ver-<lb/>
breiten, Malesherbes verlangt Stände, die das Leben,<lb/>
wie es wirklich vorliegt, abbilden; er glaubt ſie in frei-<lb/>
gewählten Grundbeſitzern zu erkennen. Auf dieſe geſtützt,<lb/>
meint er, könne man den Parlamenten getroſt entgegen-<lb/>
treten. Las der König dieſe Denkſchrift? Er ſchien ſich<lb/>
um dieſe Zeit der Regierungsangelegenheiten gefliſſentlich<lb/>
zu entſchlagen; er jagte.</p><lb/><p>Brienne hatte ſeinen Vorrath von Finanzkünſten er-<lb/>ſchöpft; noch einmal verſuchte er die Sprödigkeit der öf-<lb/>
fentlichen Meinung zu überwinden, indem er ſeine <hirendition="#aq">cour<lb/>
plenière</hi> bis zu der Verſammlung der Reichsſtände ver-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[137/0147]
vor Allem auf Reichsſtände antrug. Man konnte ſich in
dieſem Betracht nicht der Voreiligkeit anklagen. Einige
Monate früher ward der Klerus vom Premierminiſter ver-
ſammelt (es war ſeine letzte Verſammlung im altkönig-
lichen Frankreich) und um eine Beihülfe von 1,800,000
Livres für dieſes Jahr und um eben ſo viel für das nächſte
angeſprochen; die Beihülfe ſchlug er ab und ſtimmte in
den allgemeinen Wunſch nach Reichsſtänden ein.
Juni 15.
Um dieſe Zeit reichte Malesherbes eine Denkſchrift
ein, bat die Unruhen nicht für unbedeutend zu halten,
das habe der Londner Hof gethan den Amerikanern gegen-
über, der Kaiſer eben ſo in ſeinen Niederlanden, und beide
haben ſich getäuſcht. Seine Hoffnung iſt nicht auf hiſto-
riſche Stände gerichtet, nach deren Zuſammenſetzung
Brienne in den Archiven forſchen läßt und die Schriftſtel-
lerwelt ſogar einladet ſich über dieſen Gegenſtand zu ver-
breiten, Malesherbes verlangt Stände, die das Leben,
wie es wirklich vorliegt, abbilden; er glaubt ſie in frei-
gewählten Grundbeſitzern zu erkennen. Auf dieſe geſtützt,
meint er, könne man den Parlamenten getroſt entgegen-
treten. Las der König dieſe Denkſchrift? Er ſchien ſich
um dieſe Zeit der Regierungsangelegenheiten gefliſſentlich
zu entſchlagen; er jagte.
Brienne hatte ſeinen Vorrath von Finanzkünſten er-
ſchöpft; noch einmal verſuchte er die Sprödigkeit der öf-
fentlichen Meinung zu überwinden, indem er ſeine cour
plenière bis zu der Verſammlung der Reichsſtände ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/147>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.