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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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tagte, diese aber schon auf den ersten Mai des nächsten
Aug. 8.Jahres ankündigte. Darüber freute man sich, aber es
lag zu sehr das Bekenntniß seiner Finanzverlegenheiten
darin, als daß man Dankbarkeit empfunden hätte. Nicht
zunächst das Volk, die Regierung bedurfte der Reichs-
stände. Wirklich griff Brienne in den letzten Wochen zu
den Mitteln der Verzweiflung. Schon waren öffentliche
Zahlungen angekündigt, die theilweise in Papiergeld, in
Schatzkammerscheinen geschehen sollten, man fürchtete ei-
nen Eingriff in die Barschaften der Discontocasse, als
Brienne an Necker die Frage richtete, ob er sein General-
controleur werden wolle. Necker war klug genug nicht un-
ter ein Dach zu treten, welches mit dem Einsturz drohte.
Als sein Nein eintraf, spielte Brienne den Großmüthigen,
Aug. 25.nahm seine Entlassung und ward mit dem Cardinalshute,
mit reichen Spenden aller Art und durch die Thränen der
Königin für den Verlust seiner Macht entschädigt. Nicht
lange, so wurden die verhaßten Edicte aufgehoben und
die Parlamente ihrem alten Geschäftskreise zurückgegeben.
Auch Lamoignon schied trauernd und mit vielem Gelde ge-
tröstet vom Amte. Sein Nachfolger ward Barentin.

Allgemeiner ausschweifender Jubel erscholl als man
von dem Falle des Erzbischofs vernahm und daß Necker
mit freier Hand in die Finanzen trete. Die Zukunft Frank-
reichs beruhte von nun an hauptsächlich darauf, ob Necker
zur Klarheit darüber gelangte daß die Reichsstände unend-
lich viel mehr bedeuteten als der Drang der Finanzen.



tagte, dieſe aber ſchon auf den erſten Mai des nächſten
Aug. 8.Jahres ankündigte. Darüber freute man ſich, aber es
lag zu ſehr das Bekenntniß ſeiner Finanzverlegenheiten
darin, als daß man Dankbarkeit empfunden hätte. Nicht
zunächſt das Volk, die Regierung bedurfte der Reichs-
ſtände. Wirklich griff Brienne in den letzten Wochen zu
den Mitteln der Verzweiflung. Schon waren öffentliche
Zahlungen angekündigt, die theilweiſe in Papiergeld, in
Schatzkammerſcheinen geſchehen ſollten, man fürchtete ei-
nen Eingriff in die Barſchaften der Discontocaſſe, als
Brienne an Necker die Frage richtete, ob er ſein General-
controleur werden wolle. Necker war klug genug nicht un-
ter ein Dach zu treten, welches mit dem Einſturz drohte.
Als ſein Nein eintraf, ſpielte Brienne den Großmüthigen,
Aug. 25.nahm ſeine Entlaſſung und ward mit dem Cardinalshute,
mit reichen Spenden aller Art und durch die Thränen der
Königin für den Verluſt ſeiner Macht entſchädigt. Nicht
lange, ſo wurden die verhaßten Edicte aufgehoben und
die Parlamente ihrem alten Geſchäftskreiſe zurückgegeben.
Auch Lamoignon ſchied trauernd und mit vielem Gelde ge-
tröſtet vom Amte. Sein Nachfolger ward Barentin.

Allgemeiner ausſchweifender Jubel erſcholl als man
von dem Falle des Erzbiſchofs vernahm und daß Necker
mit freier Hand in die Finanzen trete. Die Zukunft Frank-
reichs beruhte von nun an hauptſächlich darauf, ob Necker
zur Klarheit darüber gelangte daß die Reichsſtände unend-
lich viel mehr bedeuteten als der Drang der Finanzen.



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[138/0148] tagte, dieſe aber ſchon auf den erſten Mai des nächſten Jahres ankündigte. Darüber freute man ſich, aber es lag zu ſehr das Bekenntniß ſeiner Finanzverlegenheiten darin, als daß man Dankbarkeit empfunden hätte. Nicht zunächſt das Volk, die Regierung bedurfte der Reichs- ſtände. Wirklich griff Brienne in den letzten Wochen zu den Mitteln der Verzweiflung. Schon waren öffentliche Zahlungen angekündigt, die theilweiſe in Papiergeld, in Schatzkammerſcheinen geſchehen ſollten, man fürchtete ei- nen Eingriff in die Barſchaften der Discontocaſſe, als Brienne an Necker die Frage richtete, ob er ſein General- controleur werden wolle. Necker war klug genug nicht un- ter ein Dach zu treten, welches mit dem Einſturz drohte. Als ſein Nein eintraf, ſpielte Brienne den Großmüthigen, nahm ſeine Entlaſſung und ward mit dem Cardinalshute, mit reichen Spenden aller Art und durch die Thränen der Königin für den Verluſt ſeiner Macht entſchädigt. Nicht lange, ſo wurden die verhaßten Edicte aufgehoben und die Parlamente ihrem alten Geſchäftskreiſe zurückgegeben. Auch Lamoignon ſchied trauernd und mit vielem Gelde ge- tröſtet vom Amte. Sein Nachfolger ward Barentin. Aug. 8. Aug. 25. Allgemeiner ausſchweifender Jubel erſcholl als man von dem Falle des Erzbiſchofs vernahm und daß Necker mit freier Hand in die Finanzen trete. Die Zukunft Frank- reichs beruhte von nun an hauptſächlich darauf, ob Necker zur Klarheit darüber gelangte daß die Reichsſtände unend- lich viel mehr bedeuteten als der Drang der Finanzen.

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/148>, abgerufen am 23.11.2024.