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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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Kirchen, kein Patronatsrecht protestantischer Gutsbesitzer,
eine geistliche Commission soll die gesammte Büchercen-
sur versehen, die Geistlichkeit muß Leiterin der Volks-
erziehung seyn, Schade daß ein gelehrter Orden, "des-
sen Aufhebung man nicht genug bejammern kann," daran
verhindert ist. Es wäre ungerecht von einer Neuerungs-
wuth des dritten Standes hier zu reden, statt von der
Unerfahrenheit aller Stände in Staatssachen. Denn
wenn einige Cahiers des dritten Standes dem Könige
jeden Antheil an der gesetzgebenden Gewalt und die
Macht die Ständeversammlung aufzulösen entziehen, so
wollen einige Cahiers der Geistlichkeit ihm sogar seine
Minister vorschreiben. Der Adel möchte die Mitwirkung
zu den Abgaben ganz dem Könige nehmen, vornämlich
aber eine Hand über das Heerwesen bekommen, kein
willkürliches Avancement mehr und die Unterlieutenants-
stellen sollen nach dem Vorschlage der Provinzialstände
(will sagen, mit Adlichen) besetzt werden. Auch sollen
alle Militärpersonen einen Eid schwören sich in keinem
Falle zur Überbringung und Vollstreckung ministerieller
Befehle und überhaupt gegen ihre Mitbürger brauchen
zu lassen, den einen Fall ausgenommen, daß die Nation
ihnen geböte gegen einen aufrührerischen Theil der Na-
tion zu marschiren. Die ausländischen Truppen sollen
schwören selbst im Falle des Aufruhrs nicht einzugrei-
fen: der dritte Stand begehrte verständiger die Entlas-
sung der ausländischen Truppen. Im Dauphine halten,

Kirchen, kein Patronatsrecht proteſtantiſcher Gutsbeſitzer,
eine geiſtliche Commiſſion ſoll die geſammte Büchercen-
ſur verſehen, die Geiſtlichkeit muß Leiterin der Volks-
erziehung ſeyn, Schade daß ein gelehrter Orden, „deſ-
ſen Aufhebung man nicht genug bejammern kann,“ daran
verhindert iſt. Es wäre ungerecht von einer Neuerungs-
wuth des dritten Standes hier zu reden, ſtatt von der
Unerfahrenheit aller Stände in Staatsſachen. Denn
wenn einige Cahiers des dritten Standes dem Könige
jeden Antheil an der geſetzgebenden Gewalt und die
Macht die Ständeverſammlung aufzulöſen entziehen, ſo
wollen einige Cahiers der Geiſtlichkeit ihm ſogar ſeine
Miniſter vorſchreiben. Der Adel möchte die Mitwirkung
zu den Abgaben ganz dem Könige nehmen, vornämlich
aber eine Hand über das Heerweſen bekommen, kein
willkürliches Avancement mehr und die Unterlieutenants-
ſtellen ſollen nach dem Vorſchlage der Provinzialſtände
(will ſagen, mit Adlichen) beſetzt werden. Auch ſollen
alle Militärperſonen einen Eid ſchwören ſich in keinem
Falle zur Überbringung und Vollſtreckung miniſterieller
Befehle und überhaupt gegen ihre Mitbürger brauchen
zu laſſen, den einen Fall ausgenommen, daß die Nation
ihnen geböte gegen einen aufrühreriſchen Theil der Na-
tion zu marſchiren. Die ausländiſchen Truppen ſollen
ſchwören ſelbſt im Falle des Aufruhrs nicht einzugrei-
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[159/0169] Kirchen, kein Patronatsrecht proteſtantiſcher Gutsbeſitzer, eine geiſtliche Commiſſion ſoll die geſammte Büchercen- ſur verſehen, die Geiſtlichkeit muß Leiterin der Volks- erziehung ſeyn, Schade daß ein gelehrter Orden, „deſ- ſen Aufhebung man nicht genug bejammern kann,“ daran verhindert iſt. Es wäre ungerecht von einer Neuerungs- wuth des dritten Standes hier zu reden, ſtatt von der Unerfahrenheit aller Stände in Staatsſachen. Denn wenn einige Cahiers des dritten Standes dem Könige jeden Antheil an der geſetzgebenden Gewalt und die Macht die Ständeverſammlung aufzulöſen entziehen, ſo wollen einige Cahiers der Geiſtlichkeit ihm ſogar ſeine Miniſter vorſchreiben. Der Adel möchte die Mitwirkung zu den Abgaben ganz dem Könige nehmen, vornämlich aber eine Hand über das Heerweſen bekommen, kein willkürliches Avancement mehr und die Unterlieutenants- ſtellen ſollen nach dem Vorſchlage der Provinzialſtände (will ſagen, mit Adlichen) beſetzt werden. Auch ſollen alle Militärperſonen einen Eid ſchwören ſich in keinem Falle zur Überbringung und Vollſtreckung miniſterieller Befehle und überhaupt gegen ihre Mitbürger brauchen zu laſſen, den einen Fall ausgenommen, daß die Nation ihnen geböte gegen einen aufrühreriſchen Theil der Na- tion zu marſchiren. Die ausländiſchen Truppen ſollen ſchwören ſelbſt im Falle des Aufruhrs nicht einzugrei- fen: der dritte Stand begehrte verſtändiger die Entlaſ- ſung der ausländiſchen Truppen. Im Dauphiné halten,

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/169>, abgerufen am 23.11.2024.