von nicht bezahlten Gebühren auf 50,000 Livres und sein Vermögen war am Ende sehr gesunken. Bei dem Lawschen Bankunwesen verlor er 100,000 Thaler, und er war nicht zu bewegen mit dem werthlosen Papiergelde, das ihm wurde, seine Schulden zu bezahlen, wiewohl die Gesetze es gestatteten. Starb 1737.
Von den überlebenden Söhnen war der Marquis Mi- rabeau, der Vater unseres Mirabeau, jetzt der Stamm- halter. Das mirabeausche Blut war von jeher durch Stra- pazen und Wunden verdünnt worden; aber der Marquis verließ ziemlich bald die kriegerische Laufbahn, welche un- ter Ludwig XV. keine Lorbeern versprach. Sein Gedanke ist durch Schriftstellerei eine neue Art des Ruhmes in die Familie zu bringen; in diesem Hause wird aber Alles zur Leidenschaft. Schon als junger Mensch schreibt er Me- moiren und giebt seiner Nachkommenschaft Rath, schrift- stellert über Nationalökonomie, wird die mächtigste Stütze von Quesnay's System, er hat viele Tausende von Brie- fen und über 400 Folianten an Abschriften hinterlassen. Seine meisten Briefe sind an einen jüngeren Bruder, der Bailli des Maltheser Ordens und lange Zeit Gouverneur von Guadeloupe ist, gerichtet. Die Briefe des Marquis athmen eine natürliche Wohlredenheit, allein sobald er für den Druck schreibt, verfällt er in einen pomphaften, verwickelten, unleidlichen Styl, vergeblich die Warnun- gen des gutherzigen Bruders; ein Buch folgt dem andern. Noch schlimmer daß der Marquis an der trefflichen unbe-
von nicht bezahlten Gebühren auf 50,000 Livres und ſein Vermögen war am Ende ſehr geſunken. Bei dem Lawſchen Bankunweſen verlor er 100,000 Thaler, und er war nicht zu bewegen mit dem werthloſen Papiergelde, das ihm wurde, ſeine Schulden zu bezahlen, wiewohl die Geſetze es geſtatteten. Starb 1737.
Von den überlebenden Söhnen war der Marquis Mi- rabeau, der Vater unſeres Mirabeau, jetzt der Stamm- halter. Das mirabeauſche Blut war von jeher durch Stra- pazen und Wunden verdünnt worden; aber der Marquis verließ ziemlich bald die kriegeriſche Laufbahn, welche un- ter Ludwig XV. keine Lorbeern verſprach. Sein Gedanke iſt durch Schriftſtellerei eine neue Art des Ruhmes in die Familie zu bringen; in dieſem Hauſe wird aber Alles zur Leidenſchaft. Schon als junger Menſch ſchreibt er Me- moiren und giebt ſeiner Nachkommenſchaft Rath, ſchrift- ſtellert über Nationalökonomie, wird die mächtigſte Stütze von Quesnay’s Syſtem, er hat viele Tauſende von Brie- fen und über 400 Folianten an Abſchriften hinterlaſſen. Seine meiſten Briefe ſind an einen jüngeren Bruder, der Bailli des Maltheſer Ordens und lange Zeit Gouverneur von Guadeloupe iſt, gerichtet. Die Briefe des Marquis athmen eine natürliche Wohlredenheit, allein ſobald er für den Druck ſchreibt, verfällt er in einen pomphaften, verwickelten, unleidlichen Styl, vergeblich die Warnun- gen des gutherzigen Bruders; ein Buch folgt dem andern. Noch ſchlimmer daß der Marquis an der trefflichen unbe-
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von nicht bezahlten Gebühren auf 50,000 Livres und ſein
Vermögen war am Ende ſehr geſunken. Bei dem Lawſchen
Bankunweſen verlor er 100,000 Thaler, und er war nicht
zu bewegen mit dem werthloſen Papiergelde, das ihm
wurde, ſeine Schulden zu bezahlen, wiewohl die Geſetze
es geſtatteten. Starb 1737.
Von den überlebenden Söhnen war der Marquis Mi-
rabeau, der Vater unſeres Mirabeau, jetzt der Stamm-
halter. Das mirabeauſche Blut war von jeher durch Stra-
pazen und Wunden verdünnt worden; aber der Marquis
verließ ziemlich bald die kriegeriſche Laufbahn, welche un-
ter Ludwig XV. keine Lorbeern verſprach. Sein Gedanke
iſt durch Schriftſtellerei eine neue Art des Ruhmes in die
Familie zu bringen; in dieſem Hauſe wird aber Alles zur
Leidenſchaft. Schon als junger Menſch ſchreibt er Me-
moiren und giebt ſeiner Nachkommenſchaft Rath, ſchrift-
ſtellert über Nationalökonomie, wird die mächtigſte Stütze
von Quesnay’s Syſtem, er hat viele Tauſende von Brie-
fen und über 400 Folianten an Abſchriften hinterlaſſen.
Seine meiſten Briefe ſind an einen jüngeren Bruder, der
Bailli des Maltheſer Ordens und lange Zeit Gouverneur
von Guadeloupe iſt, gerichtet. Die Briefe des Marquis
athmen eine natürliche Wohlredenheit, allein ſobald er
für den Druck ſchreibt, verfällt er in einen pomphaften,
verwickelten, unleidlichen Styl, vergeblich die Warnun-
gen des gutherzigen Bruders; ein Buch folgt dem andern.
Noch ſchlimmer daß der Marquis an der trefflichen unbe-
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/181>, abgerufen am 23.11.2024.
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