Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

scholtenen Ehe seines Vaters kein Muster nahm. Dieser
wollte von seiner Verlobten durchaus kein Vermögen, nicht
einmal eine Aussteuer; der Marquis heirathet ein Ver-
mögen, er wird der Geizhals des Hauses. Das Verneh-
men der Eheleute, von jeher kalt, wird feindselig, seit
der Mann mit einem schlauen Weibe, das ihn zu benutzen
weiß, unrühmliche Gemeinschaft hat. Dazu kommen öko-
nomische Verwickelungen, besonders durch seine verun-
glückten Versuche als Landwirth, Volksbeglücker, Späher
nach Minen und Güterkäufen veranlaßt. Die eilf Kinder
erwuchsen fast als ob sie Waisen wären. Er war der
Schrecken des Hauses und doch innerlich überzeugt von
seiner Gutherzigkeit, wie er denn wirklich jedermann, der
seinem Gebot sich unterwarf, und, wenn es möglich wäre,
seinen Ami des hommes und seine ökonomischen Epheme-
riden las, gern dienstlich war, seine Einsassen gut hielt,
keinen Armen leicht ungetröstet ziehen ließ. Seine Mei-
nung sagte er starr in Schriften heraus, einerlei ob sie
den Hof verletzte. Seine "Theorie der Steuer" brachte
ihn auf kurze Zeit nach Vincennes, er hatte das Allerhei-
ligste, die Generalpächter angetastet. Nicht zu bewegen
war er, eine seiner Schriften dem Dauphin, nachherigem
König Ludwig XVI. zu widmen, er schrieb sie dem Groß-
herzog Leopold von Toscana zu, mit welchem wie mit dem
Markgrafen von Baden, seinem ökonomistischen Glaubens-
genossen, er in vertrautem Briefwechsel stand. Es war
mit diesem Marquis nicht mehr wie zur Zeit seiner Vor-

ſcholtenen Ehe ſeines Vaters kein Muſter nahm. Dieſer
wollte von ſeiner Verlobten durchaus kein Vermögen, nicht
einmal eine Ausſteuer; der Marquis heirathet ein Ver-
mögen, er wird der Geizhals des Hauſes. Das Verneh-
men der Eheleute, von jeher kalt, wird feindſelig, ſeit
der Mann mit einem ſchlauen Weibe, das ihn zu benutzen
weiß, unrühmliche Gemeinſchaft hat. Dazu kommen öko-
nomiſche Verwickelungen, beſonders durch ſeine verun-
glückten Verſuche als Landwirth, Volksbeglücker, Späher
nach Minen und Güterkäufen veranlaßt. Die eilf Kinder
erwuchſen faſt als ob ſie Waiſen wären. Er war der
Schrecken des Hauſes und doch innerlich überzeugt von
ſeiner Gutherzigkeit, wie er denn wirklich jedermann, der
ſeinem Gebot ſich unterwarf, und, wenn es möglich wäre,
ſeinen Ami des hommes und ſeine ökonomiſchen Epheme-
riden las, gern dienſtlich war, ſeine Einſaſſen gut hielt,
keinen Armen leicht ungetröſtet ziehen ließ. Seine Mei-
nung ſagte er ſtarr in Schriften heraus, einerlei ob ſie
den Hof verletzte. Seine „Theorie der Steuer“ brachte
ihn auf kurze Zeit nach Vincennes, er hatte das Allerhei-
ligſte, die Generalpächter angetaſtet. Nicht zu bewegen
war er, eine ſeiner Schriften dem Dauphin, nachherigem
König Ludwig XVI. zu widmen, er ſchrieb ſie dem Groß-
herzog Leopold von Toscana zu, mit welchem wie mit dem
Markgrafen von Baden, ſeinem ökonomiſtiſchen Glaubens-
genoſſen, er in vertrautem Briefwechſel ſtand. Es war
mit dieſem Marquis nicht mehr wie zur Zeit ſeiner Vor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0182" n="172"/>
&#x017F;choltenen Ehe &#x017F;eines Vaters kein Mu&#x017F;ter nahm. Die&#x017F;er<lb/>
wollte von &#x017F;einer Verlobten durchaus kein Vermögen, nicht<lb/>
einmal eine Aus&#x017F;teuer; der Marquis heirathet ein Ver-<lb/>
mögen, er wird der Geizhals des Hau&#x017F;es. Das Verneh-<lb/>
men der Eheleute, von jeher kalt, wird feind&#x017F;elig, &#x017F;eit<lb/>
der Mann mit einem &#x017F;chlauen Weibe, das ihn zu benutzen<lb/>
weiß, unrühmliche Gemein&#x017F;chaft hat. Dazu kommen öko-<lb/>
nomi&#x017F;che Verwickelungen, be&#x017F;onders durch &#x017F;eine verun-<lb/>
glückten Ver&#x017F;uche als Landwirth, Volksbeglücker, Späher<lb/>
nach Minen und Güterkäufen veranlaßt. Die eilf Kinder<lb/>
erwuch&#x017F;en fa&#x017F;t als ob &#x017F;ie Wai&#x017F;en wären. Er war der<lb/>
Schrecken des Hau&#x017F;es und doch innerlich überzeugt von<lb/>
&#x017F;einer Gutherzigkeit, wie er denn wirklich jedermann, der<lb/>
&#x017F;einem Gebot &#x017F;ich unterwarf, und, wenn es möglich wäre,<lb/>
&#x017F;einen <hi rendition="#aq">Ami des hommes</hi> und &#x017F;eine ökonomi&#x017F;chen Epheme-<lb/>
riden las, gern dien&#x017F;tlich war, &#x017F;eine Ein&#x017F;a&#x017F;&#x017F;en gut hielt,<lb/>
keinen Armen leicht ungetrö&#x017F;tet ziehen ließ. Seine Mei-<lb/>
nung &#x017F;agte er &#x017F;tarr in Schriften heraus, einerlei ob &#x017F;ie<lb/>
den Hof verletzte. Seine &#x201E;Theorie der Steuer&#x201C; brachte<lb/>
ihn auf kurze Zeit nach Vincennes, er hatte das Allerhei-<lb/>
lig&#x017F;te, die Generalpächter angeta&#x017F;tet. Nicht zu bewegen<lb/>
war er, eine &#x017F;einer Schriften dem Dauphin, nachherigem<lb/>
König Ludwig <hi rendition="#aq">XVI.</hi> zu widmen, er &#x017F;chrieb &#x017F;ie dem Groß-<lb/>
herzog Leopold von Toscana zu, mit welchem wie mit dem<lb/>
Markgrafen von Baden, &#x017F;einem ökonomi&#x017F;ti&#x017F;chen Glaubens-<lb/>
geno&#x017F;&#x017F;en, er in vertrautem Briefwech&#x017F;el &#x017F;tand. Es war<lb/>
mit die&#x017F;em Marquis nicht mehr wie zur Zeit &#x017F;einer Vor-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0182] ſcholtenen Ehe ſeines Vaters kein Muſter nahm. Dieſer wollte von ſeiner Verlobten durchaus kein Vermögen, nicht einmal eine Ausſteuer; der Marquis heirathet ein Ver- mögen, er wird der Geizhals des Hauſes. Das Verneh- men der Eheleute, von jeher kalt, wird feindſelig, ſeit der Mann mit einem ſchlauen Weibe, das ihn zu benutzen weiß, unrühmliche Gemeinſchaft hat. Dazu kommen öko- nomiſche Verwickelungen, beſonders durch ſeine verun- glückten Verſuche als Landwirth, Volksbeglücker, Späher nach Minen und Güterkäufen veranlaßt. Die eilf Kinder erwuchſen faſt als ob ſie Waiſen wären. Er war der Schrecken des Hauſes und doch innerlich überzeugt von ſeiner Gutherzigkeit, wie er denn wirklich jedermann, der ſeinem Gebot ſich unterwarf, und, wenn es möglich wäre, ſeinen Ami des hommes und ſeine ökonomiſchen Epheme- riden las, gern dienſtlich war, ſeine Einſaſſen gut hielt, keinen Armen leicht ungetröſtet ziehen ließ. Seine Mei- nung ſagte er ſtarr in Schriften heraus, einerlei ob ſie den Hof verletzte. Seine „Theorie der Steuer“ brachte ihn auf kurze Zeit nach Vincennes, er hatte das Allerhei- ligſte, die Generalpächter angetaſtet. Nicht zu bewegen war er, eine ſeiner Schriften dem Dauphin, nachherigem König Ludwig XVI. zu widmen, er ſchrieb ſie dem Groß- herzog Leopold von Toscana zu, mit welchem wie mit dem Markgrafen von Baden, ſeinem ökonomiſtiſchen Glaubens- genoſſen, er in vertrautem Briefwechſel ſtand. Es war mit dieſem Marquis nicht mehr wie zur Zeit ſeiner Vor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/182
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/182>, abgerufen am 23.11.2024.