Faßt man aber diese drei hervorragenden Köpfe zusammen und fügt noch als vierten Mann den genialen Diderot hinzu, der noch mehr ätzende Elemente im Geiste trug, so erkennt man recht deutlich, daß der vierzehnte Ludwig bei weitem höhere Güter als bloß industrielle antastete, da- mals als er seine fleißigen Reformirten ausstieß. Denn er schnitt mit ihnen das Asyl für eine unabwendbare Ent- wickelung der menschlichen Geisteskräfte ab, welche sich in dieser bedächtig prüfenden Glaubensform unschädlich hätte ablagern können. Der Protestantismus ist ja nun einmal begnügt, wo man ihn auch allenfalls bloß duldet, der Katholicismus dagegen will die Alleinherrschaft führen, und Ludwigs Dragoner verhalfen ihm dazu. Aber herrscht denn am Ende eine Kirche wirklich, von welcher sich die ersten Köpfe der Nation mit Trotz und Geringschätzung abwenden? Ganz anders stand auch diese Sache im deut- schen Reiche. Denn in demselben achtzehnten Jahrhundert trug der deutsche Reichsboden vier groß begabte Männer, welche ihr gediegenes Wesen aufrichtig hinstellen durften wie es war, unbekümmert darum, wie es zu den Glau- benssatzungen stehe, welchen der westphälische Frieden Schutz verleiht: Winckelmann, Lessing, Goethe und Schil- ler. Pflanzen dieser edeln Gattung konnten allein auf einem Boden gedeihen und ihre unsterblichen Früchte zeiti- gen, auf welchem der Protestantismus ein Recht des Da- seyns hat und sich zugleich mit dem Katholicismus friedlich eingewöhnen und ausgleichen soll, da dann der unwider-
Faßt man aber dieſe drei hervorragenden Köpfe zuſammen und fügt noch als vierten Mann den genialen Diderot hinzu, der noch mehr ätzende Elemente im Geiſte trug, ſo erkennt man recht deutlich, daß der vierzehnte Ludwig bei weitem höhere Güter als bloß induſtrielle antaſtete, da- mals als er ſeine fleißigen Reformirten ausſtieß. Denn er ſchnitt mit ihnen das Aſyl für eine unabwendbare Ent- wickelung der menſchlichen Geiſteskräfte ab, welche ſich in dieſer bedächtig prüfenden Glaubensform unſchädlich hätte ablagern können. Der Proteſtantismus iſt ja nun einmal begnügt, wo man ihn auch allenfalls bloß duldet, der Katholicismus dagegen will die Alleinherrſchaft führen, und Ludwigs Dragoner verhalfen ihm dazu. Aber herrſcht denn am Ende eine Kirche wirklich, von welcher ſich die erſten Köpfe der Nation mit Trotz und Geringſchätzung abwenden? Ganz anders ſtand auch dieſe Sache im deut- ſchen Reiche. Denn in demſelben achtzehnten Jahrhundert trug der deutſche Reichsboden vier groß begabte Männer, welche ihr gediegenes Weſen aufrichtig hinſtellen durften wie es war, unbekümmert darum, wie es zu den Glau- bensſatzungen ſtehe, welchen der weſtphäliſche Frieden Schutz verleiht: Winckelmann, Leſſing, Goethe und Schil- ler. Pflanzen dieſer edeln Gattung konnten allein auf einem Boden gedeihen und ihre unſterblichen Früchte zeiti- gen, auf welchem der Proteſtantismus ein Recht des Da- ſeyns hat und ſich zugleich mit dem Katholicismus friedlich eingewöhnen und ausgleichen ſoll, da dann der unwider-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0019"n="9"/>
Faßt man aber dieſe drei hervorragenden Köpfe zuſammen<lb/>
und fügt noch als vierten Mann den genialen Diderot<lb/>
hinzu, der noch mehr ätzende Elemente im Geiſte trug, ſo<lb/>
erkennt man recht deutlich, daß der vierzehnte Ludwig bei<lb/>
weitem höhere Güter als bloß induſtrielle antaſtete, da-<lb/>
mals als er ſeine fleißigen Reformirten ausſtieß. Denn<lb/>
er ſchnitt mit ihnen das Aſyl für eine unabwendbare Ent-<lb/>
wickelung der menſchlichen Geiſteskräfte ab, welche ſich in<lb/>
dieſer bedächtig prüfenden Glaubensform unſchädlich hätte<lb/>
ablagern können. Der Proteſtantismus iſt ja nun einmal<lb/>
begnügt, wo man ihn auch allenfalls bloß duldet, der<lb/>
Katholicismus dagegen will die Alleinherrſchaft führen,<lb/>
und Ludwigs Dragoner verhalfen ihm dazu. Aber herrſcht<lb/>
denn am Ende eine Kirche wirklich, von welcher ſich die<lb/>
erſten Köpfe der Nation mit Trotz und Geringſchätzung<lb/>
abwenden? Ganz anders ſtand auch dieſe Sache im deut-<lb/>ſchen Reiche. Denn in demſelben achtzehnten Jahrhundert<lb/>
trug der deutſche Reichsboden vier groß begabte Männer,<lb/>
welche ihr gediegenes Weſen aufrichtig hinſtellen durften<lb/>
wie es war, unbekümmert darum, wie es zu den Glau-<lb/>
bensſatzungen ſtehe, welchen der weſtphäliſche Frieden<lb/>
Schutz verleiht: Winckelmann, Leſſing, Goethe und Schil-<lb/>
ler. Pflanzen dieſer edeln Gattung konnten allein auf<lb/>
einem Boden gedeihen und ihre unſterblichen Früchte zeiti-<lb/>
gen, auf welchem der Proteſtantismus ein Recht des Da-<lb/>ſeyns hat und ſich zugleich mit dem Katholicismus friedlich<lb/>
eingewöhnen und ausgleichen ſoll, da dann der unwider-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[9/0019]
Faßt man aber dieſe drei hervorragenden Köpfe zuſammen
und fügt noch als vierten Mann den genialen Diderot
hinzu, der noch mehr ätzende Elemente im Geiſte trug, ſo
erkennt man recht deutlich, daß der vierzehnte Ludwig bei
weitem höhere Güter als bloß induſtrielle antaſtete, da-
mals als er ſeine fleißigen Reformirten ausſtieß. Denn
er ſchnitt mit ihnen das Aſyl für eine unabwendbare Ent-
wickelung der menſchlichen Geiſteskräfte ab, welche ſich in
dieſer bedächtig prüfenden Glaubensform unſchädlich hätte
ablagern können. Der Proteſtantismus iſt ja nun einmal
begnügt, wo man ihn auch allenfalls bloß duldet, der
Katholicismus dagegen will die Alleinherrſchaft führen,
und Ludwigs Dragoner verhalfen ihm dazu. Aber herrſcht
denn am Ende eine Kirche wirklich, von welcher ſich die
erſten Köpfe der Nation mit Trotz und Geringſchätzung
abwenden? Ganz anders ſtand auch dieſe Sache im deut-
ſchen Reiche. Denn in demſelben achtzehnten Jahrhundert
trug der deutſche Reichsboden vier groß begabte Männer,
welche ihr gediegenes Weſen aufrichtig hinſtellen durften
wie es war, unbekümmert darum, wie es zu den Glau-
bensſatzungen ſtehe, welchen der weſtphäliſche Frieden
Schutz verleiht: Winckelmann, Leſſing, Goethe und Schil-
ler. Pflanzen dieſer edeln Gattung konnten allein auf
einem Boden gedeihen und ihre unſterblichen Früchte zeiti-
gen, auf welchem der Proteſtantismus ein Recht des Da-
ſeyns hat und ſich zugleich mit dem Katholicismus friedlich
eingewöhnen und ausgleichen ſoll, da dann der unwider-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/19>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.