treu verschwiegen, und jedermann konnte sich von der stets wachsenden Truppenzahl auf dem Wege nach Paris, zu Sevres, in Paris auf dem Marsfelde durch seine Augen überzeugen. Mirabeau's Antrag, den König um die Ent- fernung der Truppen zu ersuchen, fand daher die einstim- Juli 8.mige Genehmigung der Nationalversammlung, eben so die von ihm entworfene beredte Adresse, an deren Über- reichung er selber theilnahm. Sie schildert die getroffene Maßregel als zugleich unnütz und gefahrvoll. "Wo wäre denn die Gefahr von den Truppen, werden freilich unsere Feinde sagen wollen, wenn die Versammlung selbst keine Furcht hegte? Es ist, Sire, eine dringende und allge- meine Gefahr vorhanden, Gefahr über alle Berechnungen menschlicher Klugheit hinaus; Gefahr für die Bevölkerung der Provinzen! Schleicht sich in diese der Argwohn ein, unsere Freiheit sey bedroht, so giebt es keinen Zügel mehr, der sie zurückhält. Die Entfernung schon vergrößert, übertreibt Alles, verdoppelt die Beunruhigung, schärft, vergiftet sie. Gefahr für die Hauptstadt! Mit welchen Augen wird ihre darbende, unsäglich gequälte Volksmenge die drohen- den Soldaten betrachten, welche ihr den Rest ihrer Lebens- mittel streitig machen? Die Gegenwart der Truppen führt Aufregung und Meuterei herbei, eine allgemeine Gäh- rung, und an die erste That der Gewalt, unter dem Vor- wande einer Polizeimaßregel ausgeführt, kann sich eine schreckliche Folgenreihe von Unheil knüpfen. Gefahr für die Truppen! Französische Soldaten, die man in den
treu verſchwiegen, und jedermann konnte ſich von der ſtets wachſenden Truppenzahl auf dem Wege nach Paris, zu Sevres, in Paris auf dem Marsfelde durch ſeine Augen überzeugen. Mirabeau’s Antrag, den König um die Ent- fernung der Truppen zu erſuchen, fand daher die einſtim- Juli 8.mige Genehmigung der Nationalverſammlung, eben ſo die von ihm entworfene beredte Adreſſe, an deren Über- reichung er ſelber theilnahm. Sie ſchildert die getroffene Maßregel als zugleich unnütz und gefahrvoll. „Wo wäre denn die Gefahr von den Truppen, werden freilich unſere Feinde ſagen wollen, wenn die Verſammlung ſelbſt keine Furcht hegte? Es iſt, Sire, eine dringende und allge- meine Gefahr vorhanden, Gefahr über alle Berechnungen menſchlicher Klugheit hinaus; Gefahr für die Bevölkerung der Provinzen! Schleicht ſich in dieſe der Argwohn ein, unſere Freiheit ſey bedroht, ſo giebt es keinen Zügel mehr, der ſie zurückhält. Die Entfernung ſchon vergrößert, übertreibt Alles, verdoppelt die Beunruhigung, ſchärft, vergiftet ſie. Gefahr für die Hauptſtadt! Mit welchen Augen wird ihre darbende, unſäglich gequälte Volksmenge die drohen- den Soldaten betrachten, welche ihr den Reſt ihrer Lebens- mittel ſtreitig machen? Die Gegenwart der Truppen führt Aufregung und Meuterei herbei, eine allgemeine Gäh- rung, und an die erſte That der Gewalt, unter dem Vor- wande einer Polizeimaßregel ausgeführt, kann ſich eine ſchreckliche Folgenreihe von Unheil knüpfen. Gefahr für die Truppen! Franzöſiſche Soldaten, die man in den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0232"n="222"/>
treu verſchwiegen, und jedermann konnte ſich von der ſtets<lb/>
wachſenden Truppenzahl auf dem Wege nach Paris, zu<lb/>
Sevres, in Paris auf dem Marsfelde durch ſeine Augen<lb/>
überzeugen. Mirabeau’s Antrag, den König um die Ent-<lb/>
fernung der Truppen zu erſuchen, fand daher die einſtim-<lb/><noteplace="left">Juli 8.</note>mige Genehmigung der Nationalverſammlung, eben ſo<lb/>
die von ihm entworfene beredte Adreſſe, an deren Über-<lb/>
reichung er ſelber theilnahm. Sie ſchildert die getroffene<lb/>
Maßregel als zugleich unnütz und gefahrvoll. „Wo wäre<lb/>
denn die Gefahr von den Truppen, werden freilich unſere<lb/>
Feinde ſagen wollen, wenn die Verſammlung ſelbſt keine<lb/>
Furcht hegte? Es iſt, Sire, eine dringende und allge-<lb/>
meine Gefahr vorhanden, Gefahr über alle Berechnungen<lb/>
menſchlicher Klugheit hinaus; Gefahr für die Bevölkerung<lb/>
der Provinzen! Schleicht ſich in dieſe der Argwohn ein,<lb/>
unſere Freiheit ſey bedroht, ſo giebt es keinen Zügel mehr, der<lb/>ſie zurückhält. Die Entfernung ſchon vergrößert, übertreibt<lb/>
Alles, verdoppelt die Beunruhigung, ſchärft, vergiftet<lb/>ſie. Gefahr für die Hauptſtadt! Mit welchen Augen wird<lb/>
ihre darbende, unſäglich gequälte Volksmenge die drohen-<lb/>
den Soldaten betrachten, welche ihr den Reſt ihrer Lebens-<lb/>
mittel ſtreitig machen? Die Gegenwart der Truppen führt<lb/>
Aufregung und Meuterei herbei, eine allgemeine Gäh-<lb/>
rung, und an die erſte That der Gewalt, unter dem Vor-<lb/>
wande einer Polizeimaßregel ausgeführt, kann ſich eine<lb/>ſchreckliche Folgenreihe von Unheil knüpfen. Gefahr für<lb/>
die Truppen! Franzöſiſche Soldaten, die man in den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[222/0232]
treu verſchwiegen, und jedermann konnte ſich von der ſtets
wachſenden Truppenzahl auf dem Wege nach Paris, zu
Sevres, in Paris auf dem Marsfelde durch ſeine Augen
überzeugen. Mirabeau’s Antrag, den König um die Ent-
fernung der Truppen zu erſuchen, fand daher die einſtim-
mige Genehmigung der Nationalverſammlung, eben ſo
die von ihm entworfene beredte Adreſſe, an deren Über-
reichung er ſelber theilnahm. Sie ſchildert die getroffene
Maßregel als zugleich unnütz und gefahrvoll. „Wo wäre
denn die Gefahr von den Truppen, werden freilich unſere
Feinde ſagen wollen, wenn die Verſammlung ſelbſt keine
Furcht hegte? Es iſt, Sire, eine dringende und allge-
meine Gefahr vorhanden, Gefahr über alle Berechnungen
menſchlicher Klugheit hinaus; Gefahr für die Bevölkerung
der Provinzen! Schleicht ſich in dieſe der Argwohn ein,
unſere Freiheit ſey bedroht, ſo giebt es keinen Zügel mehr, der
ſie zurückhält. Die Entfernung ſchon vergrößert, übertreibt
Alles, verdoppelt die Beunruhigung, ſchärft, vergiftet
ſie. Gefahr für die Hauptſtadt! Mit welchen Augen wird
ihre darbende, unſäglich gequälte Volksmenge die drohen-
den Soldaten betrachten, welche ihr den Reſt ihrer Lebens-
mittel ſtreitig machen? Die Gegenwart der Truppen führt
Aufregung und Meuterei herbei, eine allgemeine Gäh-
rung, und an die erſte That der Gewalt, unter dem Vor-
wande einer Polizeimaßregel ausgeführt, kann ſich eine
ſchreckliche Folgenreihe von Unheil knüpfen. Gefahr für
die Truppen! Franzöſiſche Soldaten, die man in den
Juli 8.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/232>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.