Stammland Lothringen durch das einzige politische Ge- lingen zur Zeit Ludwigs XV. an Frankreich kam. Die zärtliche Mutter erniedrigte sich vor der Pompadour, um ihrer Tochter die Hoheit eines Thrones und eines Blut- gerüstes zu bereiten. Die Ehe ward 1770 geschlossen. Man übergab die junge funfzehnjährige Dauphine an der Rheingränze zu Straßburg an Frankreich. Unser großer Goethe, derzeit als Jüngling zu Straßburg verweilend, gewahrte auch hier die traurigste Vorbedeutung; denn auf den zum Empfange des jungen Paares festlich ausgespann- ten Teppichen sah man die Hochzeit Jasons mit Medeen abgebildet. Aber eine andere ernsthaftere Ungeschicklichkeit verwandelte die prächtigen Vermählungsfeste, die nun in Versailles und Paris sich drängten, in eine Trauerfeier. Ein Feuerwerk soll auf dem Platze Ludwigs des Funfzehn- ten, welcher eben erst mit der Statue dieses Königs geziert ist, abgebrannt werden; aus übel angewandter Sparsam- keit sind schlechte Anstalten gegen das Gedränge getroffen. Da bricht in den Gerüsten Feuer aus und über hundert Menschen werden erdrückt, wohl tausend starben an den Folgen. Es war der 30. Mai 1770. Auf diesem Platze fiel zwei und zwanzig Jahre darauf das Haupt des Kö- nigs und der Königin.
Der König, mit einem körperlichen Gebrechen behaftet, welches erst später geheilt ward, schien seine junge Ge- mahlin zu Anfang mit Kälte zu betrachten. Einer seiner Brüder, der Graf von Artois, war früh beerbt, die könig-
Stammland Lothringen durch das einzige politiſche Ge- lingen zur Zeit Ludwigs XV. an Frankreich kam. Die zärtliche Mutter erniedrigte ſich vor der Pompadour, um ihrer Tochter die Hoheit eines Thrones und eines Blut- gerüſtes zu bereiten. Die Ehe ward 1770 geſchloſſen. Man übergab die junge funfzehnjährige Dauphine an der Rheingränze zu Straßburg an Frankreich. Unſer großer Goethe, derzeit als Jüngling zu Straßburg verweilend, gewahrte auch hier die traurigſte Vorbedeutung; denn auf den zum Empfange des jungen Paares feſtlich ausgeſpann- ten Teppichen ſah man die Hochzeit Jaſons mit Medeen abgebildet. Aber eine andere ernſthaftere Ungeſchicklichkeit verwandelte die prächtigen Vermählungsfeſte, die nun in Verſailles und Paris ſich drängten, in eine Trauerfeier. Ein Feuerwerk ſoll auf dem Platze Ludwigs des Funfzehn- ten, welcher eben erſt mit der Statue dieſes Königs geziert iſt, abgebrannt werden; aus übel angewandter Sparſam- keit ſind ſchlechte Anſtalten gegen das Gedränge getroffen. Da bricht in den Gerüſten Feuer aus und über hundert Menſchen werden erdrückt, wohl tauſend ſtarben an den Folgen. Es war der 30. Mai 1770. Auf dieſem Platze fiel zwei und zwanzig Jahre darauf das Haupt des Kö- nigs und der Königin.
Der König, mit einem körperlichen Gebrechen behaftet, welches erſt ſpäter geheilt ward, ſchien ſeine junge Ge- mahlin zu Anfang mit Kälte zu betrachten. Einer ſeiner Brüder, der Graf von Artois, war früh beerbt, die könig-
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Stammland Lothringen durch das einzige politiſche Ge-
lingen zur Zeit Ludwigs XV. an Frankreich kam. Die
zärtliche Mutter erniedrigte ſich vor der Pompadour, um
ihrer Tochter die Hoheit eines Thrones und eines Blut-
gerüſtes zu bereiten. Die Ehe ward 1770 geſchloſſen.
Man übergab die junge funfzehnjährige Dauphine an der
Rheingränze zu Straßburg an Frankreich. Unſer großer
Goethe, derzeit als Jüngling zu Straßburg verweilend,
gewahrte auch hier die traurigſte Vorbedeutung; denn auf
den zum Empfange des jungen Paares feſtlich ausgeſpann-
ten Teppichen ſah man die Hochzeit Jaſons mit Medeen
abgebildet. Aber eine andere ernſthaftere Ungeſchicklichkeit
verwandelte die prächtigen Vermählungsfeſte, die nun in
Verſailles und Paris ſich drängten, in eine Trauerfeier.
Ein Feuerwerk ſoll auf dem Platze Ludwigs des Funfzehn-
ten, welcher eben erſt mit der Statue dieſes Königs geziert
iſt, abgebrannt werden; aus übel angewandter Sparſam-
keit ſind ſchlechte Anſtalten gegen das Gedränge getroffen.
Da bricht in den Gerüſten Feuer aus und über hundert
Menſchen werden erdrückt, wohl tauſend ſtarben an den
Folgen. Es war der 30. Mai 1770. Auf dieſem Platze
fiel zwei und zwanzig Jahre darauf das Haupt des Kö-
nigs und der Königin.
Der König, mit einem körperlichen Gebrechen behaftet,
welches erſt ſpäter geheilt ward, ſchien ſeine junge Ge-
mahlin zu Anfang mit Kälte zu betrachten. Einer ſeiner
Brüder, der Graf von Artois, war früh beerbt, die könig-
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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