begehrten, von innern Zweifeln zerrissen, aber dennoch widerstanden. Jetzt war er sich selbst wieder gegeben. Tief erschüttert durch das Blutvergießen in der Hauptstadt, aber wohl damit zufrieden, von seiner Zusage Gewalt zu üben befreit zu seyn, ließ er seine Brüder rufen; Mon- sieur stimmte bei und Artois beugte sich vor der Nothwen- digkeit.
Eben war die Nationalversammlung im Begriffe eine dritte Deputation mit herben Beschwerden und Anklagen auf das Schloß zu senden, als Liancourt die Nachricht brachte, der König schicke sich an in die Versammlung zu kommen, er bringe Frieden und Versöhnung. Ludwig war gewinnend, sobald der reine Strahl seiner Herzens- güte hervorbrechen durfte. Man war sich ziemlich einig ge- worden den Monarchen mit finsterer Stille zu empfangen, die Worte waren gesprochen: "Das Schweigen des Volks ist die Schule der Könige," aber als er nun in den Saal trat, der ehrliche und so bedrängte Mann, allein von sei- nen Brüdern begleitet, tönten ihm Bewillkommnungen ent- gegen. Und Beifallsrufe unterbrachen seine Rede, als er nun zum ersten Male die bisher versagte Benennung: "Nationalversammlung" einfließen ließ, gleich als ver- stände sie sich von selber, die Entfernung der Truppen als schon befohlen verkündigte, mit dem unverhehlten Kum- mer seines Herzens einen Ausdruck des Vertrauens ver- band, daß die Versammlung rathen und helfen werde. Die Antwort des Präsidenten erinnerte daran, daß die im Rathe
begehrten, von innern Zweifeln zerriſſen, aber dennoch widerſtanden. Jetzt war er ſich ſelbſt wieder gegeben. Tief erſchüttert durch das Blutvergießen in der Hauptſtadt, aber wohl damit zufrieden, von ſeiner Zuſage Gewalt zu üben befreit zu ſeyn, ließ er ſeine Brüder rufen; Mon- ſieur ſtimmte bei und Artois beugte ſich vor der Nothwen- digkeit.
Eben war die Nationalverſammlung im Begriffe eine dritte Deputation mit herben Beſchwerden und Anklagen auf das Schloß zu ſenden, als Liancourt die Nachricht brachte, der König ſchicke ſich an in die Verſammlung zu kommen, er bringe Frieden und Verſöhnung. Ludwig war gewinnend, ſobald der reine Strahl ſeiner Herzens- güte hervorbrechen durfte. Man war ſich ziemlich einig ge- worden den Monarchen mit finſterer Stille zu empfangen, die Worte waren geſprochen: „Das Schweigen des Volks iſt die Schule der Könige,“ aber als er nun in den Saal trat, der ehrliche und ſo bedrängte Mann, allein von ſei- nen Brüdern begleitet, tönten ihm Bewillkommnungen ent- gegen. Und Beifallsrufe unterbrachen ſeine Rede, als er nun zum erſten Male die bisher verſagte Benennung: „Nationalverſammlung“ einfließen ließ, gleich als ver- ſtände ſie ſich von ſelber, die Entfernung der Truppen als ſchon befohlen verkündigte, mit dem unverhehlten Kum- mer ſeines Herzens einen Ausdruck des Vertrauens ver- band, daß die Verſammlung rathen und helfen werde. Die Antwort des Präſidenten erinnerte daran, daß die im Rathe
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begehrten, von innern Zweifeln zerriſſen, aber dennoch
widerſtanden. Jetzt war er ſich ſelbſt wieder gegeben. Tief
erſchüttert durch das Blutvergießen in der Hauptſtadt,
aber wohl damit zufrieden, von ſeiner Zuſage Gewalt zu
üben befreit zu ſeyn, ließ er ſeine Brüder rufen; Mon-
ſieur ſtimmte bei und Artois beugte ſich vor der Nothwen-
digkeit.
Eben war die Nationalverſammlung im Begriffe eine
dritte Deputation mit herben Beſchwerden und Anklagen
auf das Schloß zu ſenden, als Liancourt die Nachricht
brachte, der König ſchicke ſich an in die Verſammlung zu
kommen, er bringe Frieden und Verſöhnung. Ludwig
war gewinnend, ſobald der reine Strahl ſeiner Herzens-
güte hervorbrechen durfte. Man war ſich ziemlich einig ge-
worden den Monarchen mit finſterer Stille zu empfangen,
die Worte waren geſprochen: „Das Schweigen des Volks
iſt die Schule der Könige,“ aber als er nun in den Saal
trat, der ehrliche und ſo bedrängte Mann, allein von ſei-
nen Brüdern begleitet, tönten ihm Bewillkommnungen ent-
gegen. Und Beifallsrufe unterbrachen ſeine Rede, als er
nun zum erſten Male die bisher verſagte Benennung:
„Nationalverſammlung“ einfließen ließ, gleich als ver-
ſtände ſie ſich von ſelber, die Entfernung der Truppen als
ſchon befohlen verkündigte, mit dem unverhehlten Kum-
mer ſeines Herzens einen Ausdruck des Vertrauens ver-
band, daß die Verſammlung rathen und helfen werde. Die
Antwort des Präſidenten erinnerte daran, daß die im Rathe
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/245>, abgerufen am 24.11.2024.
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