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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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wagte Vermuthungen, ein unsicheres Betasten, das ist Al-
les, wozu wir es in diesem Augenblicke bringen können.
Was werden wir also vollbringen mit einem Vorbehalt
längerer Erwägung? Wir werden den rechten Augenblick
verfehlen, werden unsere Eigenliebe erhitzen, um Verände-
rungen an einem Plane zu beschließen, in dessen Zusam-
menhang wir nicht eingedrungen sind, werden durch un-
sere unbesonnene Einmischung den Einfluß eines Ministers
schwächen, dessen Geltung in den Finanzen größer als die
unsere ist und seyn muß. Gewiß, meine Herren, das
zeugte weder von Weisheit noch von Vorsicht! Aber zeugt
es denn mindestens von Treu und Glauben?"

"Ja, wären nicht so feierliche Erklärungen gegeben,
die unsere Ehrfurcht vor der öffentlichen Treue, unsern Ab-
scheu vor dem ehrlosen Wort Bankerutt verbürgen, so
würde ich es wagen, die geheimen und vielleicht ach! uns
selbst unbewußten Beweggründe zu erspähen, welche in
uns diese unbedachte Scheu vor einer öffentlichen Hand-
lung des Vertrauens erwecken, die, wenn nicht schnell
vollbracht, sicherlich unwirksam und wahrhaft zwecklos
ist. Dann würde ich denjenigen, welche sich vielleicht
mit dem Gedanken, die öffentliche Treue zu brechen, aus
Furcht vor übermäßigen Opfern, aus Scheu vor Steuern,
befreunden möchten, zurufen: Was ist denn der Bankerutt
anders als die grausamste, die unbilligste, die ungleichmä-
ßigste und unglückseligste aller Steuern? -- Meine Freunde,
höret ein Wort, ein einziges Wort."


wagte Vermuthungen, ein unſicheres Betaſten, das iſt Al-
les, wozu wir es in dieſem Augenblicke bringen können.
Was werden wir alſo vollbringen mit einem Vorbehalt
längerer Erwägung? Wir werden den rechten Augenblick
verfehlen, werden unſere Eigenliebe erhitzen, um Verände-
rungen an einem Plane zu beſchließen, in deſſen Zuſam-
menhang wir nicht eingedrungen ſind, werden durch un-
ſere unbeſonnene Einmiſchung den Einfluß eines Miniſters
ſchwächen, deſſen Geltung in den Finanzen größer als die
unſere iſt und ſeyn muß. Gewiß, meine Herren, das
zeugte weder von Weisheit noch von Vorſicht! Aber zeugt
es denn mindeſtens von Treu und Glauben?“

„Ja, wären nicht ſo feierliche Erklärungen gegeben,
die unſere Ehrfurcht vor der öffentlichen Treue, unſern Ab-
ſcheu vor dem ehrloſen Wort Bankerutt verbürgen, ſo
würde ich es wagen, die geheimen und vielleicht ach! uns
ſelbſt unbewußten Beweggründe zu erſpähen, welche in
uns dieſe unbedachte Scheu vor einer öffentlichen Hand-
lung des Vertrauens erwecken, die, wenn nicht ſchnell
vollbracht, ſicherlich unwirkſam und wahrhaft zwecklos
iſt. Dann würde ich denjenigen, welche ſich vielleicht
mit dem Gedanken, die öffentliche Treue zu brechen, aus
Furcht vor übermäßigen Opfern, aus Scheu vor Steuern,
befreunden möchten, zurufen: Was iſt denn der Bankerutt
anders als die grauſamſte, die unbilligſte, die ungleichmä-
ßigſte und unglückſeligſte aller Steuern? — Meine Freunde,
höret ein Wort, ein einziges Wort.“


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[279/0289] wagte Vermuthungen, ein unſicheres Betaſten, das iſt Al- les, wozu wir es in dieſem Augenblicke bringen können. Was werden wir alſo vollbringen mit einem Vorbehalt längerer Erwägung? Wir werden den rechten Augenblick verfehlen, werden unſere Eigenliebe erhitzen, um Verände- rungen an einem Plane zu beſchließen, in deſſen Zuſam- menhang wir nicht eingedrungen ſind, werden durch un- ſere unbeſonnene Einmiſchung den Einfluß eines Miniſters ſchwächen, deſſen Geltung in den Finanzen größer als die unſere iſt und ſeyn muß. Gewiß, meine Herren, das zeugte weder von Weisheit noch von Vorſicht! Aber zeugt es denn mindeſtens von Treu und Glauben?“ „Ja, wären nicht ſo feierliche Erklärungen gegeben, die unſere Ehrfurcht vor der öffentlichen Treue, unſern Ab- ſcheu vor dem ehrloſen Wort Bankerutt verbürgen, ſo würde ich es wagen, die geheimen und vielleicht ach! uns ſelbſt unbewußten Beweggründe zu erſpähen, welche in uns dieſe unbedachte Scheu vor einer öffentlichen Hand- lung des Vertrauens erwecken, die, wenn nicht ſchnell vollbracht, ſicherlich unwirkſam und wahrhaft zwecklos iſt. Dann würde ich denjenigen, welche ſich vielleicht mit dem Gedanken, die öffentliche Treue zu brechen, aus Furcht vor übermäßigen Opfern, aus Scheu vor Steuern, befreunden möchten, zurufen: Was iſt denn der Bankerutt anders als die grauſamſte, die unbilligſte, die ungleichmä- ßigſte und unglückſeligſte aller Steuern? — Meine Freunde, höret ein Wort, ein einziges Wort.“

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/289>, abgerufen am 26.11.2024.