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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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Eurer Rede die Erklärung des allgemeinen Willens der
gesetzgebenden Gewalt beileget, das ist der National-
versammlung und dem Könige, in Eurem Gesetzentwurfe
aber allein dem gesetzgebenden Körper, das ist allein
der Nationalversammlung? Durch Letzteres frevelt Ihr an
unserer Verfassung, stürzet alle Gesetze um, die wir ge-
macht haben. Wenn der gesetzgebende Körper allein ge-
nug ist, sobald es sich davon handelt den allgemeinen Wil-
len in Bezug auf den Krieg auszudrücken, so erhaltet Ihr,
da der König dann weder Theilnahme, noch Einfluß, noch
Controle, noch Etwas von dem besitzt was die Verfas-
sung der ausübenden Gewalt bewilligt hat, für die Ge-
setzgebung zwei verschiedene Principien, das eine für die
gewöhnliche Gesetzgebung, das andere für die Gesetzge-
bung, die den Krieg, das heißt, die fürchterlichste Krisis
angeht, welche den politischen Körper erschüttern kann.
Dort bedürft Ihr der Zustimmung des Königs, hier nicht
-- und Ihr sprecht von Gleichartigkeit, Einheit und Zu-
sammenhang der Verfassung! Ihr antwortet mir nicht;
ist dem nicht so? -- Fürwahr eine seltsame Verfassung,
die dem Könige die höchste ausführende Macht überträgt,
aber den Krieg erklärt haben will, ohne daß der König
zur Berathschlagung darüber auffordert und Mittheilun-
gen macht! Ihr habt dann keine beschließende National-
versammlung mehr, sie wird handelnd, sie herrscht. Oder
wollet Ihr dem Könige die Initiative geben? Was ver-
steht Ihr darunter? Soll er der Nationalversammlung bloß

Eurer Rede die Erklärung des allgemeinen Willens der
geſetzgebenden Gewalt beileget, das iſt der National-
verſammlung und dem Könige, in Eurem Geſetzentwurfe
aber allein dem geſetzgebenden Körper, das iſt allein
der Nationalverſammlung? Durch Letzteres frevelt Ihr an
unſerer Verfaſſung, ſtürzet alle Geſetze um, die wir ge-
macht haben. Wenn der geſetzgebende Körper allein ge-
nug iſt, ſobald es ſich davon handelt den allgemeinen Wil-
len in Bezug auf den Krieg auszudrücken, ſo erhaltet Ihr,
da der König dann weder Theilnahme, noch Einfluß, noch
Controle, noch Etwas von dem beſitzt was die Verfaſ-
ſung der ausübenden Gewalt bewilligt hat, für die Ge-
ſetzgebung zwei verſchiedene Principien, das eine für die
gewöhnliche Geſetzgebung, das andere für die Geſetzge-
bung, die den Krieg, das heißt, die fürchterlichſte Kriſis
angeht, welche den politiſchen Körper erſchüttern kann.
Dort bedürft Ihr der Zuſtimmung des Königs, hier nicht
— und Ihr ſprecht von Gleichartigkeit, Einheit und Zu-
ſammenhang der Verfaſſung! Ihr antwortet mir nicht;
iſt dem nicht ſo? — Fürwahr eine ſeltſame Verfaſſung,
die dem Könige die höchſte ausführende Macht überträgt,
aber den Krieg erklärt haben will, ohne daß der König
zur Berathſchlagung darüber auffordert und Mittheilun-
gen macht! Ihr habt dann keine beſchließende National-
verſammlung mehr, ſie wird handelnd, ſie herrſcht. Oder
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[316/0326] Eurer Rede die Erklärung des allgemeinen Willens der geſetzgebenden Gewalt beileget, das iſt der National- verſammlung und dem Könige, in Eurem Geſetzentwurfe aber allein dem geſetzgebenden Körper, das iſt allein der Nationalverſammlung? Durch Letzteres frevelt Ihr an unſerer Verfaſſung, ſtürzet alle Geſetze um, die wir ge- macht haben. Wenn der geſetzgebende Körper allein ge- nug iſt, ſobald es ſich davon handelt den allgemeinen Wil- len in Bezug auf den Krieg auszudrücken, ſo erhaltet Ihr, da der König dann weder Theilnahme, noch Einfluß, noch Controle, noch Etwas von dem beſitzt was die Verfaſ- ſung der ausübenden Gewalt bewilligt hat, für die Ge- ſetzgebung zwei verſchiedene Principien, das eine für die gewöhnliche Geſetzgebung, das andere für die Geſetzge- bung, die den Krieg, das heißt, die fürchterlichſte Kriſis angeht, welche den politiſchen Körper erſchüttern kann. Dort bedürft Ihr der Zuſtimmung des Königs, hier nicht — und Ihr ſprecht von Gleichartigkeit, Einheit und Zu- ſammenhang der Verfaſſung! Ihr antwortet mir nicht; iſt dem nicht ſo? — Fürwahr eine ſeltſame Verfaſſung, die dem Könige die höchſte ausführende Macht überträgt, aber den Krieg erklärt haben will, ohne daß der König zur Berathſchlagung darüber auffordert und Mittheilun- gen macht! Ihr habt dann keine beſchließende National- verſammlung mehr, ſie wird handelnd, ſie herrſcht. Oder wollet Ihr dem Könige die Initiative geben? Was ver- ſteht Ihr darunter? Soll er der Nationalverſammlung bloß

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/326>, abgerufen am 29.11.2024.