zwei Minister waren wider Willen des Alten eingeschwärzt, in die Marine de Castries, in das Kriegswesen Graf Segur. Da strömte plötzlich eine Zahl von Flugschriften gegen Necker aus, eifrig befördert und verbreitet von allen Denen, welchen das Ersparungssystem zuwider war, na- mentlich dem Grafen von Artois, und Necker verdarb seine Sache, indem er mit krankhafter Reizbarkeit Verfolgungen gegen die Verfasser anstellte. Nicht lange so ward der König stutzig, wandte sich an Vergennes und vernahm von diesem, daß es allerdings gewagt sey ein so zartes Geschäft wie die Verwaltung der Finanzen in die Hände eines Aus- länders niederzulegen, der Protestant sey und republika- nische Grundsätze mit der Muttermilch eingesogen habe. Als nun Necker gerade jetzt einen Beweis der königlichen Gunst seinen Feinden gegenüber begehrte, den Eintritt in das Cabinet mit Sitz und Stimme als wirklicher Finanz- minister erbat, traf ihn das Nein des Königs so bitter, daß selbst die Bitten der Königin nichts über ihn vermoch- ten; er reichte seine Entlassung ein, die ihm gern ertheiltMai 20. ward, wenig Wochen nach Turgots Tode. Neckers Ent- fernung ward wie ein öffentliches Unglück betrauert und er selbst hat später die Hast bereut, mit welcher er seine Finanzarbeiten und die eben erst nach Turgots Plane in ein Paar Provinzen versuchsweise eingeführten Provin- zialversammlungen im Stiche ließ. Nur ein halbes Jahr noch Geduld, mit dem öffentlichen Zutraun sich getröstet, und Maurepas hatte seine Schuldigkeit gethan, war todt!
zwei Miniſter waren wider Willen des Alten eingeſchwärzt, in die Marine de Caſtries, in das Kriegsweſen Graf Segur. Da ſtrömte plötzlich eine Zahl von Flugſchriften gegen Necker aus, eifrig befördert und verbreitet von allen Denen, welchen das Erſparungsſyſtem zuwider war, na- mentlich dem Grafen von Artois, und Necker verdarb ſeine Sache, indem er mit krankhafter Reizbarkeit Verfolgungen gegen die Verfaſſer anſtellte. Nicht lange ſo ward der König ſtutzig, wandte ſich an Vergennes und vernahm von dieſem, daß es allerdings gewagt ſey ein ſo zartes Geſchäft wie die Verwaltung der Finanzen in die Hände eines Aus- länders niederzulegen, der Proteſtant ſey und republika- niſche Grundſätze mit der Muttermilch eingeſogen habe. Als nun Necker gerade jetzt einen Beweis der königlichen Gunſt ſeinen Feinden gegenüber begehrte, den Eintritt in das Cabinet mit Sitz und Stimme als wirklicher Finanz- miniſter erbat, traf ihn das Nein des Königs ſo bitter, daß ſelbſt die Bitten der Königin nichts über ihn vermoch- ten; er reichte ſeine Entlaſſung ein, die ihm gern ertheiltMai 20. ward, wenig Wochen nach Turgots Tode. Neckers Ent- fernung ward wie ein öffentliches Unglück betrauert und er ſelbſt hat ſpäter die Haſt bereut, mit welcher er ſeine Finanzarbeiten und die eben erſt nach Turgots Plane in ein Paar Provinzen verſuchsweiſe eingeführten Provin- zialverſammlungen im Stiche ließ. Nur ein halbes Jahr noch Geduld, mit dem öffentlichen Zutraun ſich getröſtet, und Maurepas hatte ſeine Schuldigkeit gethan, war todt!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0097"n="87"/>
zwei Miniſter waren wider Willen des Alten eingeſchwärzt,<lb/>
in die Marine de Caſtries, in das Kriegsweſen Graf<lb/>
Segur. Da ſtrömte plötzlich eine Zahl von Flugſchriften<lb/>
gegen Necker aus, eifrig befördert und verbreitet von allen<lb/>
Denen, welchen das Erſparungsſyſtem zuwider war, na-<lb/>
mentlich dem Grafen von Artois, und Necker verdarb ſeine<lb/>
Sache, indem er mit krankhafter Reizbarkeit Verfolgungen<lb/>
gegen die Verfaſſer anſtellte. Nicht lange ſo ward der<lb/>
König ſtutzig, wandte ſich an Vergennes und vernahm von<lb/>
dieſem, daß es allerdings gewagt ſey ein ſo zartes Geſchäft<lb/>
wie die Verwaltung der Finanzen in die Hände eines Aus-<lb/>
länders niederzulegen, der Proteſtant ſey und republika-<lb/>
niſche Grundſätze mit der Muttermilch eingeſogen habe.<lb/>
Als nun Necker gerade jetzt einen Beweis der königlichen<lb/>
Gunſt ſeinen Feinden gegenüber begehrte, den Eintritt in<lb/>
das Cabinet mit Sitz und Stimme als wirklicher Finanz-<lb/>
miniſter erbat, traf ihn das Nein des Königs ſo bitter,<lb/>
daß ſelbſt die Bitten der Königin nichts über ihn vermoch-<lb/>
ten; er reichte ſeine Entlaſſung ein, die ihm gern ertheilt<noteplace="right">Mai 20.</note><lb/>
ward, wenig Wochen nach Turgots Tode. Neckers Ent-<lb/>
fernung ward wie ein öffentliches Unglück betrauert und<lb/>
er ſelbſt hat ſpäter die Haſt bereut, mit welcher er ſeine<lb/>
Finanzarbeiten und die eben erſt nach Turgots Plane in<lb/>
ein Paar Provinzen verſuchsweiſe eingeführten Provin-<lb/>
zialverſammlungen im Stiche ließ. Nur ein halbes Jahr<lb/>
noch Geduld, mit dem öffentlichen Zutraun ſich getröſtet,<lb/>
und Maurepas hatte ſeine Schuldigkeit gethan, war todt!<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[87/0097]
zwei Miniſter waren wider Willen des Alten eingeſchwärzt,
in die Marine de Caſtries, in das Kriegsweſen Graf
Segur. Da ſtrömte plötzlich eine Zahl von Flugſchriften
gegen Necker aus, eifrig befördert und verbreitet von allen
Denen, welchen das Erſparungsſyſtem zuwider war, na-
mentlich dem Grafen von Artois, und Necker verdarb ſeine
Sache, indem er mit krankhafter Reizbarkeit Verfolgungen
gegen die Verfaſſer anſtellte. Nicht lange ſo ward der
König ſtutzig, wandte ſich an Vergennes und vernahm von
dieſem, daß es allerdings gewagt ſey ein ſo zartes Geſchäft
wie die Verwaltung der Finanzen in die Hände eines Aus-
länders niederzulegen, der Proteſtant ſey und republika-
niſche Grundſätze mit der Muttermilch eingeſogen habe.
Als nun Necker gerade jetzt einen Beweis der königlichen
Gunſt ſeinen Feinden gegenüber begehrte, den Eintritt in
das Cabinet mit Sitz und Stimme als wirklicher Finanz-
miniſter erbat, traf ihn das Nein des Königs ſo bitter,
daß ſelbſt die Bitten der Königin nichts über ihn vermoch-
ten; er reichte ſeine Entlaſſung ein, die ihm gern ertheilt
ward, wenig Wochen nach Turgots Tode. Neckers Ent-
fernung ward wie ein öffentliches Unglück betrauert und
er ſelbſt hat ſpäter die Haſt bereut, mit welcher er ſeine
Finanzarbeiten und die eben erſt nach Turgots Plane in
ein Paar Provinzen verſuchsweiſe eingeführten Provin-
zialverſammlungen im Stiche ließ. Nur ein halbes Jahr
noch Geduld, mit dem öffentlichen Zutraun ſich getröſtet,
und Maurepas hatte ſeine Schuldigkeit gethan, war todt!
Mai 20.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/97>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.