Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Fünftes Capitel. persönliche Rachsucht aus den Staatsgeschäften entwichen.So wichtig es ferner ist, daß nie im Parlament der Per- son des Königs nachtheilig gedacht werde, das Volk ist nicht das Parlament; es läßt sich sein Recht der morali- schen Zurechnung nicht nehmen, und weise duldet die Krone selbst einige Ungebühr. Denn am Ende, wo kein Zorn, da ist keine Liebe, und dicht neben dem Könige, dem auch nicht das Geringste zur Last gelegt werden darf, steht, und wie leicht ist die Verwandlung! der ungeliebte König, das dem abstracten Denker allein verständliche unpersönliche Gespenst des Herrscherthums. Die berühmte politische Parömie: The King can do no wrong, verkündet zwar einen großen Wendepunkt des Staatslebens, deutlicher noch, als die Primogenitur. Ganz gewiß hat nun Blackstone Recht, wenn er behauptet, dieser Satz sey nicht um des Königs, sondern um des Staats Willen aufgestellt 5), aber wenn die Individualität des Herrschers auch zurück- tritt vor dem Staate, so wird sie doch so wenig gleich- gültig, als durch den politischen Spruch der Franzosen: Der König stirbt nicht, das Leben des regierenden Königs es wird. Wir wollen nicht, wie unsere alten Vorfahren thaten, die Schuld des schlechten Wetters, der Miserndten, des ausbleibenden Heerings, der Pesten auf die Könige des Landes schieben, aber wir bedürfen, gleich unsern Vorfahren, eines Königs, der persönliches Leben hat, der sein Urtheil über Staatssachen in der Wahl sei- ner Rathgeber an den Tag legt und die Fülle von Macht der Gnade und des Reichthums zu gebrauchen weiß, über deren Verwendung zwar die öffentliche Meinung, aber keine Anklage der Minister wacht 6). 1) Lingard, Gesch. v. England (übers. v. Salis) IV, 44 ff. 2) That no pardon under the great seal of England be pleadable Fuͤnftes Capitel. perſoͤnliche Rachſucht aus den Staatsgeſchaͤften entwichen.So wichtig es ferner iſt, daß nie im Parlament der Per- ſon des Koͤnigs nachtheilig gedacht werde, das Volk iſt nicht das Parlament; es laͤßt ſich ſein Recht der morali- ſchen Zurechnung nicht nehmen, und weiſe duldet die Krone ſelbſt einige Ungebuͤhr. Denn am Ende, wo kein Zorn, da iſt keine Liebe, und dicht neben dem Koͤnige, dem auch nicht das Geringſte zur Laſt gelegt werden darf, ſteht, und wie leicht iſt die Verwandlung! der ungeliebte Koͤnig, das dem abſtracten Denker allein verſtaͤndliche unperſoͤnliche Geſpenſt des Herrſcherthums. Die beruͤhmte politiſche Paroͤmie: The King can do no wrong, verkuͤndet zwar einen großen Wendepunkt des Staatslebens, deutlicher noch, als die Primogenitur. Ganz gewiß hat nun Blackſtone Recht, wenn er behauptet, dieſer Satz ſey nicht um des Koͤnigs, ſondern um des Staats Willen aufgeſtellt 5), aber wenn die Individualitaͤt des Herrſchers auch zuruͤck- tritt vor dem Staate, ſo wird ſie doch ſo wenig gleich- guͤltig, als durch den politiſchen Spruch der Franzoſen: Der Koͤnig ſtirbt nicht, das Leben des regierenden Koͤnigs es wird. Wir wollen nicht, wie unſere alten Vorfahren thaten, die Schuld des ſchlechten Wetters, der Miserndten, des ausbleibenden Heerings, der Peſten auf die Koͤnige des Landes ſchieben, aber wir beduͤrfen, gleich unſern Vorfahren, eines Koͤnigs, der perſoͤnliches Leben hat, der ſein Urtheil uͤber Staatsſachen in der Wahl ſei- ner Rathgeber an den Tag legt und die Fuͤlle von Macht der Gnade und des Reichthums zu gebrauchen weiß, uͤber deren Verwendung zwar die oͤffentliche Meinung, aber keine Anklage der Miniſter wacht 6). 1) Lingard, Geſch. v. England (uͤberſ. v. 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Fuͤnftes Capitel.
perſoͤnliche Rachſucht aus den Staatsgeſchaͤften entwichen.
So wichtig es ferner iſt, daß nie im Parlament der Per-
ſon des Koͤnigs nachtheilig gedacht werde, das Volk iſt
nicht das Parlament; es laͤßt ſich ſein Recht der morali-
ſchen Zurechnung nicht nehmen, und weiſe duldet die Krone
ſelbſt einige Ungebuͤhr. Denn am Ende, wo kein Zorn,
da iſt keine Liebe, und dicht neben dem Koͤnige, dem auch
nicht das Geringſte zur Laſt gelegt werden darf, ſteht,
und wie leicht iſt die Verwandlung! der ungeliebte Koͤnig,
das dem abſtracten Denker allein verſtaͤndliche unperſoͤnliche
Geſpenſt des Herrſcherthums. Die beruͤhmte politiſche
Paroͤmie: The King can do no wrong, verkuͤndet zwar
einen großen Wendepunkt des Staatslebens, deutlicher noch,
als die Primogenitur. Ganz gewiß hat nun Blackſtone
Recht, wenn er behauptet, dieſer Satz ſey nicht um des
Koͤnigs, ſondern um des Staats Willen aufgeſtellt 5),
aber wenn die Individualitaͤt des Herrſchers auch zuruͤck-
tritt vor dem Staate, ſo wird ſie doch ſo wenig gleich-
guͤltig, als durch den politiſchen Spruch der Franzoſen:
Der Koͤnig ſtirbt nicht, das Leben des regierenden
Koͤnigs es wird. Wir wollen nicht, wie unſere alten
Vorfahren thaten, die Schuld des ſchlechten Wetters, der
Miserndten, des ausbleibenden Heerings, der Peſten auf
die Koͤnige des Landes ſchieben, aber wir beduͤrfen, gleich
unſern Vorfahren, eines Koͤnigs, der perſoͤnliches Leben
hat, der ſein Urtheil uͤber Staatsſachen in der Wahl ſei-
ner Rathgeber an den Tag legt und die Fuͤlle von Macht
der Gnade und des Reichthums zu gebrauchen weiß, uͤber
deren Verwendung zwar die oͤffentliche Meinung, aber
keine Anklage der Miniſter wacht 6).
¹⁾ Lingard, Geſch. v. England (uͤberſ. v. Salis) IV, 44 ff.
²⁾ That no pardon under the great seal of England be pleadable
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