Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Sechstes Capitel. jetzt ist des beweglichen Gutes viel geworden, die Steuern wissen es zu ergreifen; die Rechte der Wähler und die Wählbarkeit sind nicht mehr an Grundeigenthum ge- bunden. Den Landtag berief die Landesherrschaft; aber die Ritter- jetzt weiß man, was dergleichen Ausschüsse den Stän- den, was sie dem Fürsten drohen. Wer in den Landständen nicht aus persönlichem Rechte jetzt stimmt jedweder, als Vertreter des ganzen Landes betrachtet, über jeden Antrag, mag er vom Landesherrn oder von den Ständen ausgehn, nach Gewissen und nach der Einsicht, die er mitbringt, oder die ihm durch die Berathschlagung mit seinen Mitständen zuwächst. Keine Verantwortlichkeit gegen die Wähler; aber diese bedürfen zum Ersatz der Kenntniß der Verhandlungen im ganzen Zusammenhange, nicht bloß der Resultate, um ihren Deputirten beurtheilen zu können. Die Zu- lassung von Vollmachten im Englischen Oberhause wird als Veraltung betrachtet. Die Landtagskosten wurden nicht vom Lande, sondern Sechstes Capitel. jetzt iſt des beweglichen Gutes viel geworden, die Steuern wiſſen es zu ergreifen; die Rechte der Waͤhler und die Waͤhlbarkeit ſind nicht mehr an Grundeigenthum ge- bunden. Den Landtag berief die Landesherrſchaft; aber die Ritter- jetzt weiß man, was dergleichen Ausſchuͤſſe den Staͤn- den, was ſie dem Fuͤrſten drohen. Wer in den Landſtaͤnden nicht aus perſoͤnlichem Rechte jetzt ſtimmt jedweder, als Vertreter des ganzen Landes betrachtet, uͤber jeden Antrag, mag er vom Landesherrn oder von den Staͤnden ausgehn, nach Gewiſſen und nach der Einſicht, die er mitbringt, oder die ihm durch die Berathſchlagung mit ſeinen Mitſtaͤnden zuwaͤchst. Keine Verantwortlichkeit gegen die Waͤhler; aber dieſe beduͤrfen zum Erſatz der Kenntniß der Verhandlungen im ganzen Zuſammenhange, nicht bloß der Reſultate, um ihren Deputirten beurtheilen zu koͤnnen. Die Zu- laſſung von Vollmachten im Engliſchen Oberhauſe wird als Veraltung betrachtet. Die Landtagskoſten wurden nicht vom Lande, ſondern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0128" n="116"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechstes Capitel</hi>.</fw><lb/> <list> <item>jetzt iſt des beweglichen Gutes viel geworden, die Steuern<lb/> wiſſen es zu ergreifen; die Rechte der Waͤhler und die<lb/> Waͤhlbarkeit ſind nicht mehr an Grundeigenthum ge-<lb/> bunden.</item> </list><lb/> <p>Den Landtag berief die Landesherrſchaft; aber die Ritter-<lb/> ſchaft erwarb ſich nicht ſelten das Recht, beliebig fuͤr ſich<lb/> Convente zu halten, und beſtaͤndige Ausſchuͤſſe bildeten in<lb/> vielen Reichslanden eine fortdauernde engere Landtags-<lb/> verſammlung;</p><lb/> <list> <item>jetzt weiß man, was dergleichen Ausſchuͤſſe den Staͤn-<lb/> den, was ſie dem Fuͤrſten drohen.</item> </list><lb/> <p>Wer in den Landſtaͤnden nicht aus perſoͤnlichem Rechte<lb/> tagte, wer als Deputirter, ſey’s einer Provincial-Ritter-<lb/> ſchaft, eines Stifts, einer Stadt, erſchien, war an die<lb/> Auftraͤge ſeiner Koͤrperſchaft gebunden und holte ſich,<lb/> wenn außer den vorher bekannten landesherrlichen Propo-<lb/> ſitionen etwas Unerwartetes vorkam, neue Inſtructionen<lb/> ein. Darum durfte auch in der Regel der Abweſende<lb/> durch Vollmacht ſtimmen;</p><lb/> <list> <item>jetzt ſtimmt jedweder, als Vertreter des ganzen Landes<lb/> betrachtet, uͤber jeden Antrag, mag er vom Landesherrn<lb/> oder von den Staͤnden ausgehn, nach Gewiſſen und<lb/> nach der Einſicht, die er mitbringt, oder die ihm durch<lb/> die Berathſchlagung mit ſeinen Mitſtaͤnden zuwaͤchst.<lb/> Keine Verantwortlichkeit gegen die Waͤhler; aber dieſe<lb/> beduͤrfen zum Erſatz der Kenntniß der Verhandlungen<lb/> im ganzen Zuſammenhange, nicht bloß der Reſultate,<lb/> um ihren Deputirten beurtheilen zu koͤnnen. Die Zu-<lb/> laſſung von Vollmachten im Engliſchen Oberhauſe wird<lb/> als Veraltung betrachtet.</item> </list><lb/> <p>Die Landtagskoſten wurden nicht vom Lande, ſondern<lb/> von jedem fuͤr ſich, oder von ſeiner Koͤrperſchaft aufgebracht;</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0128]
Sechstes Capitel.
jetzt iſt des beweglichen Gutes viel geworden, die Steuern
wiſſen es zu ergreifen; die Rechte der Waͤhler und die
Waͤhlbarkeit ſind nicht mehr an Grundeigenthum ge-
bunden.
Den Landtag berief die Landesherrſchaft; aber die Ritter-
ſchaft erwarb ſich nicht ſelten das Recht, beliebig fuͤr ſich
Convente zu halten, und beſtaͤndige Ausſchuͤſſe bildeten in
vielen Reichslanden eine fortdauernde engere Landtags-
verſammlung;
jetzt weiß man, was dergleichen Ausſchuͤſſe den Staͤn-
den, was ſie dem Fuͤrſten drohen.
Wer in den Landſtaͤnden nicht aus perſoͤnlichem Rechte
tagte, wer als Deputirter, ſey’s einer Provincial-Ritter-
ſchaft, eines Stifts, einer Stadt, erſchien, war an die
Auftraͤge ſeiner Koͤrperſchaft gebunden und holte ſich,
wenn außer den vorher bekannten landesherrlichen Propo-
ſitionen etwas Unerwartetes vorkam, neue Inſtructionen
ein. Darum durfte auch in der Regel der Abweſende
durch Vollmacht ſtimmen;
jetzt ſtimmt jedweder, als Vertreter des ganzen Landes
betrachtet, uͤber jeden Antrag, mag er vom Landesherrn
oder von den Staͤnden ausgehn, nach Gewiſſen und
nach der Einſicht, die er mitbringt, oder die ihm durch
die Berathſchlagung mit ſeinen Mitſtaͤnden zuwaͤchst.
Keine Verantwortlichkeit gegen die Waͤhler; aber dieſe
beduͤrfen zum Erſatz der Kenntniß der Verhandlungen
im ganzen Zuſammenhange, nicht bloß der Reſultate,
um ihren Deputirten beurtheilen zu koͤnnen. Die Zu-
laſſung von Vollmachten im Engliſchen Oberhauſe wird
als Veraltung betrachtet.
Die Landtagskoſten wurden nicht vom Lande, ſondern
von jedem fuͤr ſich, oder von ſeiner Koͤrperſchaft aufgebracht;
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