Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Bildung des Ober-Hauses. sollten, daß ferner der bisherige Adel nun in die zweite Kammerrückte. Man sah hierin eine doppelte Repräsentation des Adels. 148. Je ärmer eine erste Kammer an politischem 149. In einem Staate von sehr schwacher Bevölke- Bildung des Ober-Hauſes. ſollten, daß ferner der bisherige Adel nun in die zweite Kammerruͤckte. Man ſah hierin eine doppelte Repraͤſentation des Adels. 148. Je aͤrmer eine erſte Kammer an politiſchem 149. In einem Staate von ſehr ſchwacher Bevoͤlke- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <pb facs="#f0139" n="127"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Bildung des Ober-Hauſes</hi>.</fw><lb/> <hi rendition="#et">ſollten, daß ferner der bisherige Adel nun in die zweite Kammer<lb/> ruͤckte. Man ſah hierin eine doppelte Repraͤſentation des Adels.</hi> </p><lb/> <p>148. Je aͤrmer eine erſte Kammer an politiſchem<lb/> Gewichte iſt, um ſo mehr fragt die oͤffentliche Meinung<lb/> nach der Einſicht und Wuͤrde der Mitglieder dieſes ſtaͤndi-<lb/> ſchen Senats. Fehlt die Schwerkraft des Vermoͤgens, ſo<lb/> ſtaͤnde theoretiſch nichts im Wege, das Steuergeſetz ledig-<lb/> lich von der Bewilligung der zweiten Kammer abhaͤngig<lb/> zu machen, und gut, wenn die Sache factiſch ſich ſo ſtellt.<lb/> Nicht rathſam jedoch, eine ſolche Gefaͤhrdung des Gleich-<lb/> gewichts beider Arme der Geſetzgebung anzuordnen, zu-<lb/> mahl es ſich heut zu Tage gewoͤhnlich weniger um die<lb/> Hoͤhe der auf der Steuerkraft baſirten Steuern, als um<lb/> deren geſchickte Anordnung handelt, wobei die Einſicht<lb/> einer nicht verheimlichten Berathung das Beſte thut.</p><lb/> <p>149. In einem Staate von ſehr ſchwacher Bevoͤlke-<lb/> rung trachte man nach zwei Kammern nicht. Hier iſt die<lb/> Hauptſache die Vereinigung der geſammten geiſtigen Kraft,<lb/> damit es an einer tuͤchtigen Discuſſion der Geſetze nicht<lb/> mangle. „In einem Theetopfe kann man kein Bier<lb/> brauen.“ Aber eben hier, wo das Gefuͤhl der politiſchen<lb/> Bedeutſamkeit verloren geht, wird der Einzel-Bildung<lb/> mehr Raum vergoͤnnt werden koͤnnen. Eine Vor-Bera-<lb/> thung nach Standes-Curien, der großen und der kleinen<lb/> Grundbeſitzer, und der Staͤdter kann <hi rendition="#g">hier</hi> ſtattfinden;<lb/> die Schluß-Berathung und Abſtimmung falle in die all-<lb/> gemeine Verſammlung, doch muß in gewiſſen Faͤllen der<lb/> Einſpruch einer Curie Geltung haben. So duͤrfte uͤber<lb/> Verhaͤltniſſe zwiſchen Stadt und Land nicht gegen den<lb/> Einſpruch aller Staͤdte entſchieden werden.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0139]
Bildung des Ober-Hauſes.
ſollten, daß ferner der bisherige Adel nun in die zweite Kammer
ruͤckte. Man ſah hierin eine doppelte Repraͤſentation des Adels.
148. Je aͤrmer eine erſte Kammer an politiſchem
Gewichte iſt, um ſo mehr fragt die oͤffentliche Meinung
nach der Einſicht und Wuͤrde der Mitglieder dieſes ſtaͤndi-
ſchen Senats. Fehlt die Schwerkraft des Vermoͤgens, ſo
ſtaͤnde theoretiſch nichts im Wege, das Steuergeſetz ledig-
lich von der Bewilligung der zweiten Kammer abhaͤngig
zu machen, und gut, wenn die Sache factiſch ſich ſo ſtellt.
Nicht rathſam jedoch, eine ſolche Gefaͤhrdung des Gleich-
gewichts beider Arme der Geſetzgebung anzuordnen, zu-
mahl es ſich heut zu Tage gewoͤhnlich weniger um die
Hoͤhe der auf der Steuerkraft baſirten Steuern, als um
deren geſchickte Anordnung handelt, wobei die Einſicht
einer nicht verheimlichten Berathung das Beſte thut.
149. In einem Staate von ſehr ſchwacher Bevoͤlke-
rung trachte man nach zwei Kammern nicht. Hier iſt die
Hauptſache die Vereinigung der geſammten geiſtigen Kraft,
damit es an einer tuͤchtigen Discuſſion der Geſetze nicht
mangle. „In einem Theetopfe kann man kein Bier
brauen.“ Aber eben hier, wo das Gefuͤhl der politiſchen
Bedeutſamkeit verloren geht, wird der Einzel-Bildung
mehr Raum vergoͤnnt werden koͤnnen. Eine Vor-Bera-
thung nach Standes-Curien, der großen und der kleinen
Grundbeſitzer, und der Staͤdter kann hier ſtattfinden;
die Schluß-Berathung und Abſtimmung falle in die all-
gemeine Verſammlung, doch muß in gewiſſen Faͤllen der
Einſpruch einer Curie Geltung haben. So duͤrfte uͤber
Verhaͤltniſſe zwiſchen Stadt und Land nicht gegen den
Einſpruch aller Staͤdte entſchieden werden.
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