Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Bildung der zweiten Kammer. lich wenn die Diäten Schuld daran würden, daß dieLandstandschaft zu einem Nahrungszweige ausartete, oder gar zum Armengelde; welcher Fall doch abzuwarten wäre, ehe man vorbeugt; so müßte auch hier eine künstliche Schranke eintreten, nur ja keine, welche den Schlüssel zur Kammer allein in die Hände des Reichthums giebt. Wo wohlgeordnete Provincial-Stände sind, da kann die Wählbarkeit der bäuerlichen Grundbesitzer an die Bedin- gung geknüpft werden, vorher in den Provincial-Ständen gesessen zu haben. 159. Die Wahl der Städte darf nie auf die Wähl- 1) Auch nach der Julius-Revolution hat man in Frankreich den Artikel 42. der Charte von 1814. beibehalten, welcher vor- schreibt, daß mindestens die Hälfte der Deputirten eines Depar- tements in demselben wohnhaft seyn müsse. 160. Wünschenswerth ist, daß die Wahlhandlung als Bildung der zweiten Kammer. lich wenn die Diaͤten Schuld daran wuͤrden, daß dieLandſtandſchaft zu einem Nahrungszweige ausartete, oder gar zum Armengelde; welcher Fall doch abzuwarten waͤre, ehe man vorbeugt; ſo muͤßte auch hier eine kuͤnſtliche Schranke eintreten, nur ja keine, welche den Schluͤſſel zur Kammer allein in die Haͤnde des Reichthums giebt. Wo wohlgeordnete Provincial-Staͤnde ſind, da kann die Waͤhlbarkeit der baͤuerlichen Grundbeſitzer an die Bedin- gung geknuͤpft werden, vorher in den Provincial-Staͤnden geſeſſen zu haben. 159. Die Wahl der Staͤdte darf nie auf die Waͤhl- 1) Auch nach der Julius-Revolution hat man in Frankreich den Artikel 42. der Charte von 1814. beibehalten, welcher vor- ſchreibt, daß mindeſtens die Haͤlfte der Deputirten eines Depar- tements in demſelben wohnhaft ſeyn muͤſſe. 160. Wuͤnſchenswerth iſt, daß die Wahlhandlung als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0147" n="135"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Bildung der zweiten Kammer</hi>.</fw><lb/> lich wenn die Diaͤten Schuld daran wuͤrden, daß die<lb/> Landſtandſchaft zu einem Nahrungszweige ausartete, oder<lb/> gar zum Armengelde; welcher Fall doch abzuwarten waͤre,<lb/> ehe man vorbeugt; ſo muͤßte auch hier eine kuͤnſtliche<lb/> Schranke eintreten, nur ja keine, welche den Schluͤſſel<lb/> zur Kammer allein in die Haͤnde des Reichthums giebt.<lb/> Wo wohlgeordnete Provincial-Staͤnde ſind, da kann die<lb/> Waͤhlbarkeit der baͤuerlichen Grundbeſitzer an die Bedin-<lb/> gung geknuͤpft werden, vorher in den Provincial-Staͤnden<lb/> geſeſſen zu haben.</p><lb/> <p>159. Die Wahl der Staͤdte darf nie auf die Waͤhl-<lb/> baren deſſelben Wahlbezirks beſchraͤnkt werden; und auch<lb/> fuͤr die Landwahlen muß die Regel gelten, daß dem<lb/> Vertrauen keine Schranke zu ſetzen iſt. Wo indeß neue<lb/> Provinzen ſind, die ſich noch nicht im Ganzen fuͤhlen, wo<lb/> der Provinzial-Sinn ſcharfe, nie kuͤnſtlich zu verſteckende<lb/> Gegenſaͤtze bildet, wo ſich gewiſſe Lebensarten beharrlich<lb/> dem Landtage entziehen moͤchten, wo fortwaͤhrende Beam-<lb/> ten-Wahlen zu fuͤrchten waͤren oder vorzugsweiſe groß-<lb/> ſtaͤdtiſche <hi rendition="#sup">1</hi>), da mag einſtweilen eine Ausnahme ſich recht-<lb/> fertigen.</p><lb/> <note place="end" n="1)">Auch nach der Julius-Revolution hat man in Frankreich den<lb/> Artikel 42. der Charte von 1814. beibehalten, welcher vor-<lb/> ſchreibt, daß mindeſtens die Haͤlfte der Deputirten eines Depar-<lb/> tements in demſelben wohnhaft ſeyn muͤſſe.</note><lb/> <p>160. Wuͤnſchenswerth iſt, daß die Wahlhandlung als<lb/> ein oͤffentlicher Act in Gegenwart der Gemeinde geſchehe,<lb/> und eben darum durch muͤndlich zu Protocoll gegebene Ab-<lb/> ſtimmung. Denn uͤberall verdient in oͤffentlichen Dingen<lb/> das offene Verfahren den Vorzug vor dem verdeckten, an<lb/> welchem ſich die liſtige Schwaͤche des Zeitalters weidet, es<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [135/0147]
Bildung der zweiten Kammer.
lich wenn die Diaͤten Schuld daran wuͤrden, daß die
Landſtandſchaft zu einem Nahrungszweige ausartete, oder
gar zum Armengelde; welcher Fall doch abzuwarten waͤre,
ehe man vorbeugt; ſo muͤßte auch hier eine kuͤnſtliche
Schranke eintreten, nur ja keine, welche den Schluͤſſel
zur Kammer allein in die Haͤnde des Reichthums giebt.
Wo wohlgeordnete Provincial-Staͤnde ſind, da kann die
Waͤhlbarkeit der baͤuerlichen Grundbeſitzer an die Bedin-
gung geknuͤpft werden, vorher in den Provincial-Staͤnden
geſeſſen zu haben.
159. Die Wahl der Staͤdte darf nie auf die Waͤhl-
baren deſſelben Wahlbezirks beſchraͤnkt werden; und auch
fuͤr die Landwahlen muß die Regel gelten, daß dem
Vertrauen keine Schranke zu ſetzen iſt. Wo indeß neue
Provinzen ſind, die ſich noch nicht im Ganzen fuͤhlen, wo
der Provinzial-Sinn ſcharfe, nie kuͤnſtlich zu verſteckende
Gegenſaͤtze bildet, wo ſich gewiſſe Lebensarten beharrlich
dem Landtage entziehen moͤchten, wo fortwaͤhrende Beam-
ten-Wahlen zu fuͤrchten waͤren oder vorzugsweiſe groß-
ſtaͤdtiſche 1), da mag einſtweilen eine Ausnahme ſich recht-
fertigen.
¹⁾ Auch nach der Julius-Revolution hat man in Frankreich den
Artikel 42. der Charte von 1814. beibehalten, welcher vor-
ſchreibt, daß mindeſtens die Haͤlfte der Deputirten eines Depar-
tements in demſelben wohnhaft ſeyn muͤſſe.
160. Wuͤnſchenswerth iſt, daß die Wahlhandlung als
ein oͤffentlicher Act in Gegenwart der Gemeinde geſchehe,
und eben darum durch muͤndlich zu Protocoll gegebene Ab-
ſtimmung. Denn uͤberall verdient in oͤffentlichen Dingen
das offene Verfahren den Vorzug vor dem verdeckten, an
welchem ſich die liſtige Schwaͤche des Zeitalters weidet, es
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