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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Blick auf d. Systematik d. Staatswissensch.
Felde der Sittenlehre. Platon stellt den Staat dar um
der Lehre von der Gerechtigkeit willen; er nimmt an, die Ge-
rechtigkeit, als die jedem Theile des Ganzen die Gebühr
zutheilende Tugend, müsse sich im guten Staate im größe-
sten Maasstabe und dadurch in deutlicheren Umrissen dar-
legen als sie in den Seelen Einzelner erscheinen kann.
Allein schon dieser Ausgangspunkt entfernt ihn vom wirk-
lichen Leben, welches häufig in kleineren Kreisen des Da-
seyns die sittlich befriedigendsten Verhältnisse entfaltet, wäh-
rend die Staatseinrichtung in Ungerechtigkeit versun-
ken ist.

Das Werk der Gerechtigkeit aber soll so vollbracht wer-
den, daß die Bevölkerung sich theilt in solche die zu be-
fehlen und solche die zu gehorchen haben, die Befehlenden
sich aber wieder theilen in Befehlshaber und Ausrichter
oder Gehülfen. Wie demnach die in der besten Erziehung
bestbewährten als die eigentlichen Weisen (Philosophen) im
Staate, die Hüter sind, d. h. den Staat regieren, ihm
seine Gränze setzen, Gesetze geben, Gericht und Verwal-
tung einsetzen, und selber, doch nicht vor dem funfzigsten
Jahre, an die höchste Stelle treten, so wirken die mit den
Kräften der Tapferkeit begabten Jünglinge in tieferer Ord-
nung als der Weisen Helfer und Ausrichter ihrer Anord-
nungen. Sie sind die Wehrmänner, das stehende Heer
des Staats. So kommen in die dritte Classe die bloß
Gehorchenden, welches die Gewerbtreibenden sind und dar-
um dahin gehören, weil sie nur den eigenen, nicht des
Staates Nutzen suchen. Daher dürfen sie weder befehlen,
noch selbst mit schützen helfen. Ihnen liegt ob jene Obe-
ren zu ernähren, von dem Gewinne, welchen sie aus den
Gewerben ziehen, die jedem von ihnen nach seiner Fähig-
keit vom Staate angewiesen werden. Eine eigentliche Ge-

Blick auf d. Syſtematik d. Staatswiſſenſch.
Felde der Sittenlehre. Platon ſtellt den Staat dar um
der Lehre von der Gerechtigkeit willen; er nimmt an, die Ge-
rechtigkeit, als die jedem Theile des Ganzen die Gebuͤhr
zutheilende Tugend, muͤſſe ſich im guten Staate im groͤße-
ſten Maasſtabe und dadurch in deutlicheren Umriſſen dar-
legen als ſie in den Seelen Einzelner erſcheinen kann.
Allein ſchon dieſer Ausgangspunkt entfernt ihn vom wirk-
lichen Leben, welches haͤufig in kleineren Kreiſen des Da-
ſeyns die ſittlich befriedigendſten Verhaͤltniſſe entfaltet, waͤh-
rend die Staatseinrichtung in Ungerechtigkeit verſun-
ken iſt.

Das Werk der Gerechtigkeit aber ſoll ſo vollbracht wer-
den, daß die Bevoͤlkerung ſich theilt in ſolche die zu be-
fehlen und ſolche die zu gehorchen haben, die Befehlenden
ſich aber wieder theilen in Befehlshaber und Ausrichter
oder Gehuͤlfen. Wie demnach die in der beſten Erziehung
beſtbewaͤhrten als die eigentlichen Weiſen (Philoſophen) im
Staate, die Huͤter ſind, d. h. den Staat regieren, ihm
ſeine Graͤnze ſetzen, Geſetze geben, Gericht und Verwal-
tung einſetzen, und ſelber, doch nicht vor dem funfzigſten
Jahre, an die hoͤchſte Stelle treten, ſo wirken die mit den
Kraͤften der Tapferkeit begabten Juͤnglinge in tieferer Ord-
nung als der Weiſen Helfer und Ausrichter ihrer Anord-
nungen. Sie ſind die Wehrmaͤnner, das ſtehende Heer
des Staats. So kommen in die dritte Claſſe die bloß
Gehorchenden, welches die Gewerbtreibenden ſind und dar-
um dahin gehoͤren, weil ſie nur den eigenen, nicht des
Staates Nutzen ſuchen. Daher duͤrfen ſie weder befehlen,
noch ſelbſt mit ſchuͤtzen helfen. Ihnen liegt ob jene Obe-
ren zu ernaͤhren, von dem Gewinne, welchen ſie aus den
Gewerben ziehen, die jedem von ihnen nach ſeiner Faͤhig-
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[185/0197] Blick auf d. Syſtematik d. Staatswiſſenſch. Felde der Sittenlehre. Platon ſtellt den Staat dar um der Lehre von der Gerechtigkeit willen; er nimmt an, die Ge- rechtigkeit, als die jedem Theile des Ganzen die Gebuͤhr zutheilende Tugend, muͤſſe ſich im guten Staate im groͤße- ſten Maasſtabe und dadurch in deutlicheren Umriſſen dar- legen als ſie in den Seelen Einzelner erſcheinen kann. Allein ſchon dieſer Ausgangspunkt entfernt ihn vom wirk- lichen Leben, welches haͤufig in kleineren Kreiſen des Da- ſeyns die ſittlich befriedigendſten Verhaͤltniſſe entfaltet, waͤh- rend die Staatseinrichtung in Ungerechtigkeit verſun- ken iſt. Das Werk der Gerechtigkeit aber ſoll ſo vollbracht wer- den, daß die Bevoͤlkerung ſich theilt in ſolche die zu be- fehlen und ſolche die zu gehorchen haben, die Befehlenden ſich aber wieder theilen in Befehlshaber und Ausrichter oder Gehuͤlfen. Wie demnach die in der beſten Erziehung beſtbewaͤhrten als die eigentlichen Weiſen (Philoſophen) im Staate, die Huͤter ſind, d. h. den Staat regieren, ihm ſeine Graͤnze ſetzen, Geſetze geben, Gericht und Verwal- tung einſetzen, und ſelber, doch nicht vor dem funfzigſten Jahre, an die hoͤchſte Stelle treten, ſo wirken die mit den Kraͤften der Tapferkeit begabten Juͤnglinge in tieferer Ord- nung als der Weiſen Helfer und Ausrichter ihrer Anord- nungen. Sie ſind die Wehrmaͤnner, das ſtehende Heer des Staats. So kommen in die dritte Claſſe die bloß Gehorchenden, welches die Gewerbtreibenden ſind und dar- um dahin gehoͤren, weil ſie nur den eigenen, nicht des Staates Nutzen ſuchen. Daher duͤrfen ſie weder befehlen, noch ſelbſt mit ſchuͤtzen helfen. Ihnen liegt ob jene Obe- ren zu ernaͤhren, von dem Gewinne, welchen ſie aus den Gewerben ziehen, die jedem von ihnen nach ſeiner Faͤhig- keit vom Staate angewieſen werden. Eine eigentliche Ge-

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/197>, abgerufen am 22.11.2024.