Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Blick auf d. Systematik d. Staatswissensch. verdammt, zumahl im Vergleiche mit den Juristen undTheologen Wittenbergs, welche sich mit der glimpflichen Entscheidung begnügten, dem Kaiser sey in Glaubens- Sachen nicht zu gehorchen. 228. Wie kundig und gründlich man sich auch um Blick auf d. Syſtematik d. Staatswiſſenſch. verdammt, zumahl im Vergleiche mit den Juriſten undTheologen Wittenbergs, welche ſich mit der glimpflichen Entſcheidung begnuͤgten, dem Kaiſer ſey in Glaubens- Sachen nicht zu gehorchen. 228. Wie kundig und gruͤndlich man ſich auch um <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0209" n="197"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Blick auf d. Syſtematik d. Staatswiſſenſch</hi>.</fw><lb/> verdammt, zumahl im Vergleiche mit den Juriſten und<lb/> Theologen Wittenbergs, welche ſich mit der glimpflichen<lb/> Entſcheidung begnuͤgten, dem Kaiſer ſey in Glaubens-<lb/> Sachen nicht zu gehorchen.</p><lb/> <p>228. Wie kundig und gruͤndlich man ſich auch um<lb/><hi rendition="#g">Machiavelli</hi> bemuͤhe, immer bleibt feſt, daß “dem<lb/> Spinoſa der Politik” (<hi rendition="#g">Stahl</hi>) das Tuͤchtige fuͤr das Gute<lb/> gegolten, das Schwache fuͤr das Boͤſe; daher er auch kei-<lb/> nen Anſtand nahm, den Staat nach Weiſe der Alten,<lb/> als hoͤchſtes Ziel zu ſetzen, und zugleich als die Urſache,<lb/> daß uͤberhaupt von <hi rendition="#g">gut</hi> und <hi rendition="#g">recht</hi> und ihren Gegenſaͤtzen<lb/> die Rede iſt. Die hoͤchſte Eigenſchaft des Staates aber<lb/> iſt ſeine <hi rendition="#g">Macht</hi>, deren Urſache nicht in der Privatwohl-<lb/> farth, ſondern in der allgemeinen Wohlfarth ruht. Außer-<lb/> dem verſtimmt ihn der Anblick der ſchlaffer gewordenen<lb/> Volksbande und der ſo ſchwer ins Rechte zu ſtellenden<lb/> Kirchenmacht, gegen das Chriſtenthum. Die Verderbniſſe<lb/> des Pabſtthums, welches er als den eigentlichen Grund<lb/> der politiſchen Schwaͤche Italiens betrachtet, hofft er<lb/> durch ein gewaltiges Tyrannenthum zu beſiegen, Italien<lb/> wiederherzuſtellen, und alle ſeine vaterlaͤndiſchen Hoffnun-<lb/> gen begleiten einen Caͤſar Borgia. Hinterher moͤgen dann<lb/> auf dem durch Trug und Gewalt geglaͤtteten Boden der<lb/> Ordnung auch Sitte und Froͤmmigkeit ſich anbauen und<lb/> zur wahren Freiheit fuͤhren. An Machiavell mag man<lb/> die Schwachherzigkeit verlernen, welche die Staats-Bahn<lb/> durchweg im Geleiſe des Zuſchnitts der Privatrechte feſt-<lb/> halten moͤchte, aber ſeine Lehre iſt Umwaͤlzung, gewiſſe<lb/> Verſchlimmerung ſeiner ſelbſt und Anderer im rechten Kerne<lb/> des Weſens um eines zweifelhaften aͤußerlichen Erfolges<lb/> willen, der thoͤricht nun auf dieſelben Tugenden Rechnung<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0209]
Blick auf d. Syſtematik d. Staatswiſſenſch.
verdammt, zumahl im Vergleiche mit den Juriſten und
Theologen Wittenbergs, welche ſich mit der glimpflichen
Entſcheidung begnuͤgten, dem Kaiſer ſey in Glaubens-
Sachen nicht zu gehorchen.
228. Wie kundig und gruͤndlich man ſich auch um
Machiavelli bemuͤhe, immer bleibt feſt, daß “dem
Spinoſa der Politik” (Stahl) das Tuͤchtige fuͤr das Gute
gegolten, das Schwache fuͤr das Boͤſe; daher er auch kei-
nen Anſtand nahm, den Staat nach Weiſe der Alten,
als hoͤchſtes Ziel zu ſetzen, und zugleich als die Urſache,
daß uͤberhaupt von gut und recht und ihren Gegenſaͤtzen
die Rede iſt. Die hoͤchſte Eigenſchaft des Staates aber
iſt ſeine Macht, deren Urſache nicht in der Privatwohl-
farth, ſondern in der allgemeinen Wohlfarth ruht. Außer-
dem verſtimmt ihn der Anblick der ſchlaffer gewordenen
Volksbande und der ſo ſchwer ins Rechte zu ſtellenden
Kirchenmacht, gegen das Chriſtenthum. Die Verderbniſſe
des Pabſtthums, welches er als den eigentlichen Grund
der politiſchen Schwaͤche Italiens betrachtet, hofft er
durch ein gewaltiges Tyrannenthum zu beſiegen, Italien
wiederherzuſtellen, und alle ſeine vaterlaͤndiſchen Hoffnun-
gen begleiten einen Caͤſar Borgia. Hinterher moͤgen dann
auf dem durch Trug und Gewalt geglaͤtteten Boden der
Ordnung auch Sitte und Froͤmmigkeit ſich anbauen und
zur wahren Freiheit fuͤhren. An Machiavell mag man
die Schwachherzigkeit verlernen, welche die Staats-Bahn
durchweg im Geleiſe des Zuſchnitts der Privatrechte feſt-
halten moͤchte, aber ſeine Lehre iſt Umwaͤlzung, gewiſſe
Verſchlimmerung ſeiner ſelbſt und Anderer im rechten Kerne
des Weſens um eines zweifelhaften aͤußerlichen Erfolges
willen, der thoͤricht nun auf dieſelben Tugenden Rechnung
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |