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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Von den Gemeinden.
man nannte sie die Schlupfwinkel der Royalisten, die
Heerde des Widerstandes gegen die alldurchdringende Kraft
der Freiheit, und verfügte derzeit schon mit der äußersten
Willkühr über das Gemeindevermögen, und als darauf die
Directorial-Verfassung kam, warf diese fast alle Selbstän-
digkeit der Gemeinden über den Haufen, denn jetzt waren
es die Terroristen, die in den Gemeinden nisten sollten.
Es war das gerade um dieselbe Zeit, da Kaiser Paul von
Rußland terroristisch alle Städte in seinem Reiche, die ihm
nicht gefielen, aufhob und sie Marktflecken zu nennen befahl.
Die letzten Stöße hat Napoleon als Consul und Kaiser
gegeben. Von nun an stand ein Präfect unter strenger
Controle seines Ministers der Departemental-Verwaltung
vor; ein Unterpräfect der Bezirksverwaltung, mit dem dop-
pelten Gewichte der Verantwortlichkeit gegen Präfect und
Minister belastet, beaufsichtigte wieder die Gemeinden, de-
ren jede ihren Maire hat, der auf fünf Jahre angestellt ist.
Keine von diesen drei Behörden durfte aus der Gemeinde
selber hervorgehen, der Minister ernannte sie, mit Aus-
nahme der Maires in den kleineren Gemeinden, welche
der Präfect zu ernennen hatte, wie nicht minder die
Mitglieder des Gemeinderaths. Und wo der Präfect er-
nannte, da durfte er auch entsetzen, eben wie er selber
mit seinem Rathe, der Unterpräfect mit dem seinen der
Entsetzung durch den Minister unterworfen war. Alle drei
Verwaltungsräthe waren eben nichts anders als was ihr
Vorstand sie wollte gelten lassen, ohne alle collegialische
Bedeutung, selbst Sachen des Haushalts nicht ausgenom-
men; sie waren dem Staate für die Ausführung der Re-
gierungsbefehle unentbehrlich, aber keinen einzigen Gemein-
dezweck sicherzustellen im Stande. Darum auch konnte es
hinreichen, wenn der Gemeinderath sich nur einmahl im

Von den Gemeinden.
man nannte ſie die Schlupfwinkel der Royaliſten, die
Heerde des Widerſtandes gegen die alldurchdringende Kraft
der Freiheit, und verfuͤgte derzeit ſchon mit der aͤußerſten
Willkuͤhr uͤber das Gemeindevermoͤgen, und als darauf die
Directorial-Verfaſſung kam, warf dieſe faſt alle Selbſtaͤn-
digkeit der Gemeinden uͤber den Haufen, denn jetzt waren
es die Terroriſten, die in den Gemeinden niſten ſollten.
Es war das gerade um dieſelbe Zeit, da Kaiſer Paul von
Rußland terroriſtiſch alle Staͤdte in ſeinem Reiche, die ihm
nicht gefielen, aufhob und ſie Marktflecken zu nennen befahl.
Die letzten Stoͤße hat Napoleon als Conſul und Kaiſer
gegeben. Von nun an ſtand ein Praͤfect unter ſtrenger
Controle ſeines Miniſters der Departemental-Verwaltung
vor; ein Unterpraͤfect der Bezirksverwaltung, mit dem dop-
pelten Gewichte der Verantwortlichkeit gegen Praͤfect und
Miniſter belaſtet, beaufſichtigte wieder die Gemeinden, de-
ren jede ihren Maire hat, der auf fuͤnf Jahre angeſtellt iſt.
Keine von dieſen drei Behoͤrden durfte aus der Gemeinde
ſelber hervorgehen, der Miniſter ernannte ſie, mit Aus-
nahme der Maires in den kleineren Gemeinden, welche
der Praͤfect zu ernennen hatte, wie nicht minder die
Mitglieder des Gemeinderaths. Und wo der Praͤfect er-
nannte, da durfte er auch entſetzen, eben wie er ſelber
mit ſeinem Rathe, der Unterpraͤfect mit dem ſeinen der
Entſetzung durch den Miniſter unterworfen war. Alle drei
Verwaltungsraͤthe waren eben nichts anders als was ihr
Vorſtand ſie wollte gelten laſſen, ohne alle collegialiſche
Bedeutung, ſelbſt Sachen des Haushalts nicht ausgenom-
men; ſie waren dem Staate fuͤr die Ausfuͤhrung der Re-
gierungsbefehle unentbehrlich, aber keinen einzigen Gemein-
dezweck ſicherzuſtellen im Stande. Darum auch konnte es
hinreichen, wenn der Gemeinderath ſich nur einmahl im

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[221/0233] Von den Gemeinden. man nannte ſie die Schlupfwinkel der Royaliſten, die Heerde des Widerſtandes gegen die alldurchdringende Kraft der Freiheit, und verfuͤgte derzeit ſchon mit der aͤußerſten Willkuͤhr uͤber das Gemeindevermoͤgen, und als darauf die Directorial-Verfaſſung kam, warf dieſe faſt alle Selbſtaͤn- digkeit der Gemeinden uͤber den Haufen, denn jetzt waren es die Terroriſten, die in den Gemeinden niſten ſollten. Es war das gerade um dieſelbe Zeit, da Kaiſer Paul von Rußland terroriſtiſch alle Staͤdte in ſeinem Reiche, die ihm nicht gefielen, aufhob und ſie Marktflecken zu nennen befahl. Die letzten Stoͤße hat Napoleon als Conſul und Kaiſer gegeben. Von nun an ſtand ein Praͤfect unter ſtrenger Controle ſeines Miniſters der Departemental-Verwaltung vor; ein Unterpraͤfect der Bezirksverwaltung, mit dem dop- pelten Gewichte der Verantwortlichkeit gegen Praͤfect und Miniſter belaſtet, beaufſichtigte wieder die Gemeinden, de- ren jede ihren Maire hat, der auf fuͤnf Jahre angeſtellt iſt. Keine von dieſen drei Behoͤrden durfte aus der Gemeinde ſelber hervorgehen, der Miniſter ernannte ſie, mit Aus- nahme der Maires in den kleineren Gemeinden, welche der Praͤfect zu ernennen hatte, wie nicht minder die Mitglieder des Gemeinderaths. Und wo der Praͤfect er- nannte, da durfte er auch entſetzen, eben wie er ſelber mit ſeinem Rathe, der Unterpraͤfect mit dem ſeinen der Entſetzung durch den Miniſter unterworfen war. Alle drei Verwaltungsraͤthe waren eben nichts anders als was ihr Vorſtand ſie wollte gelten laſſen, ohne alle collegialiſche Bedeutung, ſelbſt Sachen des Haushalts nicht ausgenom- men; ſie waren dem Staate fuͤr die Ausfuͤhrung der Re- gierungsbefehle unentbehrlich, aber keinen einzigen Gemein- dezweck ſicherzuſtellen im Stande. Darum auch konnte es hinreichen, wenn der Gemeinderath ſich nur einmahl im

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/233>, abgerufen am 21.11.2024.