Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Von den Gemeinden. Großherzogthum Hessen 1821.) wird im Deutschen Volkekein Bedauern erwecken. Preußens Ziel war einfach: die Städte sollen selbständig, aber nicht wie vor Alters Staat im Staate seyn. Darum sollen sie wieder erhalten, wo man ihnen diesen genommen hat, ihren Haushalt, sollen abgeben was des Staates ist, Polizey und Justiz; ihr Gemeinwesen soll nicht länger von unabhängigen Corpora- tionen mit lebenslänglichen fast erblichen Mitgliedern, aber auch nicht von Staatsbeamten, es soll von Gemeindebe- amten, von wechselnden Behörden, deren Wahl von der Bürgerschaft ausgeht, verwaltet werden. Die Absicht war, der Städteordnung eine Organisation der Landgemeinden folgen zu lassen, wozu die nothwendigen Vorschritte durch das Gesetz vom 9. Oct. 1807 geschehen waren, welches die freie Wahl des Gewerbes und die Auflösung der Guts- unterthänigkeit verkündigt 2); den Schlußstein sollten die Reichsstände bilden. Indessen ward man wie die Jahre weiter gingen, und äußere Gefahr entfernt schien, an dem großen, und wer wollte es läugnen? allzeit gewagten Un- ternehmen irre, dessen Ausführung Preußen einen entschie- denen, des ersten protestantischen Staates der Christenheit würdigen Stand zwischen den aus Grundsatz unumschränk- ten Regierungen und den durch Umwälzung erneuten Staaten gegeben haben würde. Es liegt aber in den Le- bensbahnen der Staaten eine gewisse Nothwendigkeit. 1) Die Städte-Ordnung von 1808 hebt mit den Worten an: "Der besonders in neuern Zeiten sichtbar gewordene Mangel an angemessenen Bestimmungen in Absicht des städtischen Gemein- wesens und der Vertretung der Stadtgemeine, das jetzt nach Klassen und Zünften sich theilende Interesse der Bürger, und das dringend sich äußernde Bedürfniß einer wirksamern Theil- nahme der Bürgerschaft an der Verwaltung des Gemeinwesens, überzeugen uns von der Nothwendigkeit, den Städten eine selb- Von den Gemeinden. Großherzogthum Heſſen 1821.) wird im Deutſchen Volkekein Bedauern erwecken. Preußens Ziel war einfach: die Staͤdte ſollen ſelbſtaͤndig, aber nicht wie vor Alters Staat im Staate ſeyn. Darum ſollen ſie wieder erhalten, wo man ihnen dieſen genommen hat, ihren Haushalt, ſollen abgeben was des Staates iſt, Polizey und Juſtiz; ihr Gemeinweſen ſoll nicht laͤnger von unabhaͤngigen Corpora- tionen mit lebenslaͤnglichen faſt erblichen Mitgliedern, aber auch nicht von Staatsbeamten, es ſoll von Gemeindebe- amten, von wechſelnden Behoͤrden, deren Wahl von der Buͤrgerſchaft ausgeht, verwaltet werden. Die Abſicht war, der Staͤdteordnung eine Organiſation der Landgemeinden folgen zu laſſen, wozu die nothwendigen Vorſchritte durch das Geſetz vom 9. Oct. 1807 geſchehen waren, welches die freie Wahl des Gewerbes und die Aufloͤſung der Guts- unterthaͤnigkeit verkuͤndigt 2); den Schlußſtein ſollten die Reichsſtaͤnde bilden. Indeſſen ward man wie die Jahre weiter gingen, und aͤußere Gefahr entfernt ſchien, an dem großen, und wer wollte es laͤugnen? allzeit gewagten Un- ternehmen irre, deſſen Ausfuͤhrung Preußen einen entſchie- denen, des erſten proteſtantiſchen Staates der Chriſtenheit wuͤrdigen Stand zwiſchen den aus Grundſatz unumſchraͤnk- ten Regierungen und den durch Umwaͤlzung erneuten Staaten gegeben haben wuͤrde. Es liegt aber in den Le- bensbahnen der Staaten eine gewiſſe Nothwendigkeit. 1) Die Staͤdte-Ordnung von 1808 hebt mit den Worten an: “Der beſonders in neuern Zeiten ſichtbar gewordene Mangel an angemeſſenen Beſtimmungen in Abſicht des ſtaͤdtiſchen Gemein- weſens und der Vertretung der Stadtgemeine, das jetzt nach Klaſſen und Zuͤnften ſich theilende Intereſſe der Buͤrger, und das dringend ſich aͤußernde Beduͤrfniß einer wirkſamern Theil- nahme der Buͤrgerſchaft an der Verwaltung des Gemeinweſens, uͤberzeugen uns von der Nothwendigkeit, den Staͤdten eine ſelb- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0235" n="223"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Von den Gemeinden</hi>.</fw><lb/> Großherzogthum Heſſen 1821.) wird im Deutſchen Volke<lb/> kein Bedauern erwecken. Preußens Ziel war einfach: die<lb/> Staͤdte ſollen ſelbſtaͤndig, aber nicht wie vor Alters Staat<lb/> im Staate ſeyn. 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Von den Gemeinden.
Großherzogthum Heſſen 1821.) wird im Deutſchen Volke
kein Bedauern erwecken. Preußens Ziel war einfach: die
Staͤdte ſollen ſelbſtaͤndig, aber nicht wie vor Alters Staat
im Staate ſeyn. Darum ſollen ſie wieder erhalten, wo
man ihnen dieſen genommen hat, ihren Haushalt, ſollen
abgeben was des Staates iſt, Polizey und Juſtiz; ihr
Gemeinweſen ſoll nicht laͤnger von unabhaͤngigen Corpora-
tionen mit lebenslaͤnglichen faſt erblichen Mitgliedern, aber
auch nicht von Staatsbeamten, es ſoll von Gemeindebe-
amten, von wechſelnden Behoͤrden, deren Wahl von der
Buͤrgerſchaft ausgeht, verwaltet werden. Die Abſicht war,
der Staͤdteordnung eine Organiſation der Landgemeinden
folgen zu laſſen, wozu die nothwendigen Vorſchritte durch
das Geſetz vom 9. Oct. 1807 geſchehen waren, welches
die freie Wahl des Gewerbes und die Aufloͤſung der Guts-
unterthaͤnigkeit verkuͤndigt 2); den Schlußſtein ſollten die
Reichsſtaͤnde bilden. Indeſſen ward man wie die Jahre
weiter gingen, und aͤußere Gefahr entfernt ſchien, an dem
großen, und wer wollte es laͤugnen? allzeit gewagten Un-
ternehmen irre, deſſen Ausfuͤhrung Preußen einen entſchie-
denen, des erſten proteſtantiſchen Staates der Chriſtenheit
wuͤrdigen Stand zwiſchen den aus Grundſatz unumſchraͤnk-
ten Regierungen und den durch Umwaͤlzung erneuten
Staaten gegeben haben wuͤrde. Es liegt aber in den Le-
bensbahnen der Staaten eine gewiſſe Nothwendigkeit.
¹⁾ Die Staͤdte-Ordnung von 1808 hebt mit den Worten an:
“Der beſonders in neuern Zeiten ſichtbar gewordene Mangel an
angemeſſenen Beſtimmungen in Abſicht des ſtaͤdtiſchen Gemein-
weſens und der Vertretung der Stadtgemeine, das jetzt nach
Klaſſen und Zuͤnften ſich theilende Intereſſe der Buͤrger, und
das dringend ſich aͤußernde Beduͤrfniß einer wirkſamern Theil-
nahme der Buͤrgerſchaft an der Verwaltung des Gemeinweſens,
uͤberzeugen uns von der Nothwendigkeit, den Staͤdten eine ſelb-
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