Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Zehntes Capitel.
bung nicht widersprechen, bedürfen außer der Übereinstim-
mung des Magistrats und der Stadtverordneten in der
Regel bloß der Zustimmung der Ortspolizeibehörde. Wer-
den dadurch bestehende, höheren Orts genehmigte Anord-
nungen abgeändert, so kommt die Entscheidung an die Pro-
vinzialbehörde.

245. Im Fortgang der Jahre machte man in Preußen
mit der Städte-Ordnung die Erfahrung, die man anderswo
mit mancher Verfassungs-Urkunde gemacht hat, sie passe
nicht überall zu den Zuständen. Man fühlte in mancher
Stadt das Bedürfniß, neben ihr noch ein besonderes Sta-
tut, der örtlichen Eigenthümlichkeit entsprechend, zu besitzen,
man empfand an der öfter eintretenden Schwierigkeit, die
Magistrats-Stellen würdig zu besetzen, daß der Stadtrath
an seinem früheren Übergewicht im ersten Eifer wohl zu
sehr verkürzt und namentlich, insofern das Amt zugleich
einen Nahrungsstand begründet, wegen des Wechsels zu
unsicher gestellt sey. Seit der Einführung der Gewerbe-
freiheit paßte ferner die Bestimmung nicht mehr "das Bür-
gerrecht bestehe in der Befugniß städtische Gewerbe zu trei-
ben und Grundstücke im Polizeibezirk der Stadt zu be-
sitzen" (§. 15.); denn diese Befugniß war jetzt allgemein,
es gab seit 1810 keine ausschließlich städtischen Gewerbe
mehr, die Thoraccise war 1818 verschwunden und seit
1820 auch der Unterschied zwischen städtischen und ländli-
chen Steuern. Die Zahl der Stadtverordneten war offen-
bar bisher zu groß. Endlich mochten auch manche Sorg-
lichkeiten mitwirken, da man dieses Weges für jetzt ein-
mahl nicht weiter wollte, ob nicht schon viel zu viel ge-
schehen sey. Waren auch die Zeiten längst vorüber, da
man in allem Frieden die Städte abschäumte wie Sancho

Zehntes Capitel.
bung nicht widerſprechen, beduͤrfen außer der Übereinſtim-
mung des Magiſtrats und der Stadtverordneten in der
Regel bloß der Zuſtimmung der Ortspolizeibehoͤrde. Wer-
den dadurch beſtehende, hoͤheren Orts genehmigte Anord-
nungen abgeaͤndert, ſo kommt die Entſcheidung an die Pro-
vinzialbehoͤrde.

245. Im Fortgang der Jahre machte man in Preußen
mit der Staͤdte-Ordnung die Erfahrung, die man anderswo
mit mancher Verfaſſungs-Urkunde gemacht hat, ſie paſſe
nicht uͤberall zu den Zuſtaͤnden. Man fuͤhlte in mancher
Stadt das Beduͤrfniß, neben ihr noch ein beſonderes Sta-
tut, der oͤrtlichen Eigenthuͤmlichkeit entſprechend, zu beſitzen,
man empfand an der oͤfter eintretenden Schwierigkeit, die
Magiſtrats-Stellen wuͤrdig zu beſetzen, daß der Stadtrath
an ſeinem fruͤheren Übergewicht im erſten Eifer wohl zu
ſehr verkuͤrzt und namentlich, inſofern das Amt zugleich
einen Nahrungsſtand begruͤndet, wegen des Wechſels zu
unſicher geſtellt ſey. Seit der Einfuͤhrung der Gewerbe-
freiheit paßte ferner die Beſtimmung nicht mehr “das Buͤr-
gerrecht beſtehe in der Befugniß ſtaͤdtiſche Gewerbe zu trei-
ben und Grundſtuͤcke im Polizeibezirk der Stadt zu be-
ſitzen” (§. 15.); denn dieſe Befugniß war jetzt allgemein,
es gab ſeit 1810 keine ausſchließlich ſtaͤdtiſchen Gewerbe
mehr, die Thoracciſe war 1818 verſchwunden und ſeit
1820 auch der Unterſchied zwiſchen ſtaͤdtiſchen und laͤndli-
chen Steuern. Die Zahl der Stadtverordneten war offen-
bar bisher zu groß. Endlich mochten auch manche Sorg-
lichkeiten mitwirken, da man dieſes Weges fuͤr jetzt ein-
mahl nicht weiter wollte, ob nicht ſchon viel zu viel ge-
ſchehen ſey. Waren auch die Zeiten laͤngſt voruͤber, da
man in allem Frieden die Staͤdte abſchaͤumte wie Sancho

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0238" n="226"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Capitel</hi>.</fw><lb/>
bung nicht wider&#x017F;prechen, bedu&#x0364;rfen außer der Überein&#x017F;tim-<lb/>
mung des Magi&#x017F;trats und der Stadtverordneten in der<lb/>
Regel bloß der Zu&#x017F;timmung der Ortspolizeibeho&#x0364;rde. Wer-<lb/>
den dadurch be&#x017F;tehende, ho&#x0364;heren Orts genehmigte Anord-<lb/>
nungen abgea&#x0364;ndert, &#x017F;o kommt die Ent&#x017F;cheidung an die Pro-<lb/>
vinzialbeho&#x0364;rde.</p><lb/>
              <p>245. Im Fortgang der Jahre machte man in Preußen<lb/>
mit der Sta&#x0364;dte-Ordnung die Erfahrung, die man anderswo<lb/>
mit mancher Verfa&#x017F;&#x017F;ungs-Urkunde gemacht hat, &#x017F;ie pa&#x017F;&#x017F;e<lb/>
nicht u&#x0364;berall zu den Zu&#x017F;ta&#x0364;nden. Man fu&#x0364;hlte in mancher<lb/>
Stadt das Bedu&#x0364;rfniß, neben ihr noch ein be&#x017F;onderes Sta-<lb/>
tut, der o&#x0364;rtlichen Eigenthu&#x0364;mlichkeit ent&#x017F;prechend, zu be&#x017F;itzen,<lb/>
man empfand an der o&#x0364;fter eintretenden Schwierigkeit, die<lb/>
Magi&#x017F;trats-Stellen wu&#x0364;rdig zu be&#x017F;etzen, daß der Stadtrath<lb/>
an &#x017F;einem fru&#x0364;heren Übergewicht im er&#x017F;ten Eifer wohl zu<lb/>
&#x017F;ehr verku&#x0364;rzt und namentlich, in&#x017F;ofern das Amt zugleich<lb/>
einen Nahrungs&#x017F;tand begru&#x0364;ndet, wegen des Wech&#x017F;els zu<lb/>
un&#x017F;icher ge&#x017F;tellt &#x017F;ey. Seit der Einfu&#x0364;hrung der Gewerbe-<lb/>
freiheit paßte ferner die Be&#x017F;timmung nicht mehr &#x201C;das Bu&#x0364;r-<lb/>
gerrecht be&#x017F;tehe in der Befugniß &#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;che Gewerbe zu trei-<lb/>
ben und Grund&#x017F;tu&#x0364;cke im Polizeibezirk der Stadt zu be-<lb/>
&#x017F;itzen&#x201D; (§. 15.); denn die&#x017F;e Befugniß war jetzt allgemein,<lb/>
es gab &#x017F;eit 1810 keine aus&#x017F;chließlich &#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;chen Gewerbe<lb/>
mehr, die Thoracci&#x017F;e war 1818 ver&#x017F;chwunden und &#x017F;eit<lb/>
1820 auch der Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen &#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;chen und la&#x0364;ndli-<lb/>
chen Steuern. Die Zahl der Stadtverordneten war offen-<lb/>
bar bisher zu groß. Endlich mochten auch manche Sorg-<lb/>
lichkeiten mitwirken, da man die&#x017F;es Weges fu&#x0364;r jetzt ein-<lb/>
mahl nicht weiter wollte, ob nicht &#x017F;chon viel zu viel ge-<lb/>
&#x017F;chehen &#x017F;ey. Waren auch die Zeiten la&#x0364;ng&#x017F;t voru&#x0364;ber, da<lb/>
man in allem Frieden die Sta&#x0364;dte ab&#x017F;cha&#x0364;umte wie Sancho<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0238] Zehntes Capitel. bung nicht widerſprechen, beduͤrfen außer der Übereinſtim- mung des Magiſtrats und der Stadtverordneten in der Regel bloß der Zuſtimmung der Ortspolizeibehoͤrde. Wer- den dadurch beſtehende, hoͤheren Orts genehmigte Anord- nungen abgeaͤndert, ſo kommt die Entſcheidung an die Pro- vinzialbehoͤrde. 245. Im Fortgang der Jahre machte man in Preußen mit der Staͤdte-Ordnung die Erfahrung, die man anderswo mit mancher Verfaſſungs-Urkunde gemacht hat, ſie paſſe nicht uͤberall zu den Zuſtaͤnden. Man fuͤhlte in mancher Stadt das Beduͤrfniß, neben ihr noch ein beſonderes Sta- tut, der oͤrtlichen Eigenthuͤmlichkeit entſprechend, zu beſitzen, man empfand an der oͤfter eintretenden Schwierigkeit, die Magiſtrats-Stellen wuͤrdig zu beſetzen, daß der Stadtrath an ſeinem fruͤheren Übergewicht im erſten Eifer wohl zu ſehr verkuͤrzt und namentlich, inſofern das Amt zugleich einen Nahrungsſtand begruͤndet, wegen des Wechſels zu unſicher geſtellt ſey. Seit der Einfuͤhrung der Gewerbe- freiheit paßte ferner die Beſtimmung nicht mehr “das Buͤr- gerrecht beſtehe in der Befugniß ſtaͤdtiſche Gewerbe zu trei- ben und Grundſtuͤcke im Polizeibezirk der Stadt zu be- ſitzen” (§. 15.); denn dieſe Befugniß war jetzt allgemein, es gab ſeit 1810 keine ausſchließlich ſtaͤdtiſchen Gewerbe mehr, die Thoracciſe war 1818 verſchwunden und ſeit 1820 auch der Unterſchied zwiſchen ſtaͤdtiſchen und laͤndli- chen Steuern. Die Zahl der Stadtverordneten war offen- bar bisher zu groß. Endlich mochten auch manche Sorg- lichkeiten mitwirken, da man dieſes Weges fuͤr jetzt ein- mahl nicht weiter wollte, ob nicht ſchon viel zu viel ge- ſchehen ſey. Waren auch die Zeiten laͤngſt voruͤber, da man in allem Frieden die Staͤdte abſchaͤumte wie Sancho

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/238
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/238>, abgerufen am 21.11.2024.