Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Dreizehntes Capitel. nie gelingt. Auch der Versuch die Methode der Universi-tät in der Schule nachzubilden, ist eitel. Es pflegt in die auf Professoren-Weise lehrenden Schullehrer ein umständ- lich-vornehmer Styl überzugehen, dem Unterrichte keines- wegs ersprießlich. Die einzige Sorge geht dahin, im wis- senschaftlichen Zusammenhange zu lehren und etwa Hefte schreiben zu lassen, das verdienstlichste Bemühen aber stets nachzufragen, ob auch die Lehre haftet, die lasse Aufmerk- samkeit immer wieder zu erwecken, wird hintangesetzt. Eben so nachtheilig aber ist die Einwirkung auf die Disciplin. Das gebundene Verhältniß, welches dem Schulalter ziemt, ist auch ohne solche Vermischung ganz verschiedenartiger Betriebe, gefährdet genug in einer Zeit, in welcher wenige zu befehlen wissen und fast niemand gehorchen mag. Ehe- dem übergaben die Eltern den Lehrern die volle väterliche Gewalt während der Dauer der Schulstunden; manche Leidenschaft konnte da vorfallen, allein der Sinn war rich- tig und dem nöthigen Ansehn der Lehrer angemessen. Auch jetzt gestattet man den Eltern keine Einmischung, aber man will durch öffentliche Instructionen (die magna charta der Schüler) und Schulcollegien zusehen, daß gerecht ge- straft werde, und zu dem Ende wird nicht nur durch weit- läuftige Censurprotocolle, die sich mit Unarten und Ver- säumnissen füllen, eine Art von Annalistik der Ungezogen- heit gegründet, die gute Zeit den Lehrern entwandt, son- dern was bei weitem schlimmer, ihr Ansehn bei Hauptfäl- len durch ein fast gerichtliches Verfahren gefährdet. Züch- tigung durch den Pedellen oder Carcer ist die Folge, wobei schon der Aufschub der Strafe schädlich wirkt, die Strafe aber jugendlichen Fehlern das Ansehn von Verbrechen giebt. Aber auch Freisprechung kann die Folge seyn, und so hat der Lehrer dem Schüler als Parthey gegenüber gestanden Dreizehntes Capitel. nie gelingt. Auch der Verſuch die Methode der Univerſi-taͤt in der Schule nachzubilden, iſt eitel. Es pflegt in die auf Profeſſoren-Weiſe lehrenden Schullehrer ein umſtaͤnd- lich-vornehmer Styl uͤberzugehen, dem Unterrichte keines- wegs erſprießlich. Die einzige Sorge geht dahin, im wiſ- ſenſchaftlichen Zuſammenhange zu lehren und etwa Hefte ſchreiben zu laſſen, das verdienſtlichſte Bemuͤhen aber ſtets nachzufragen, ob auch die Lehre haftet, die laſſe Aufmerk- ſamkeit immer wieder zu erwecken, wird hintangeſetzt. Eben ſo nachtheilig aber iſt die Einwirkung auf die Disciplin. Das gebundene Verhaͤltniß, welches dem Schulalter ziemt, iſt auch ohne ſolche Vermiſchung ganz verſchiedenartiger Betriebe, gefaͤhrdet genug in einer Zeit, in welcher wenige zu befehlen wiſſen und faſt niemand gehorchen mag. Ehe- dem uͤbergaben die Eltern den Lehrern die volle vaͤterliche Gewalt waͤhrend der Dauer der Schulſtunden; manche Leidenſchaft konnte da vorfallen, allein der Sinn war rich- tig und dem noͤthigen Anſehn der Lehrer angemeſſen. Auch jetzt geſtattet man den Eltern keine Einmiſchung, aber man will durch oͤffentliche Inſtructionen (die magna charta der Schuͤler) und Schulcollegien zuſehen, daß gerecht ge- ſtraft werde, und zu dem Ende wird nicht nur durch weit- laͤuftige Cenſurprotocolle, die ſich mit Unarten und Ver- ſaͤumniſſen fuͤllen, eine Art von Annaliſtik der Ungezogen- heit gegruͤndet, die gute Zeit den Lehrern entwandt, ſon- dern was bei weitem ſchlimmer, ihr Anſehn bei Hauptfaͤl- len durch ein faſt gerichtliches Verfahren gefaͤhrdet. Zuͤch- tigung durch den Pedellen oder Carcer iſt die Folge, wobei ſchon der Aufſchub der Strafe ſchaͤdlich wirkt, die Strafe aber jugendlichen Fehlern das Anſehn von Verbrechen giebt. Aber auch Freiſprechung kann die Folge ſeyn, und ſo hat der Lehrer dem Schuͤler als Parthey gegenuͤber geſtanden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0284" n="272"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dreizehntes Capitel</hi>.</fw><lb/> nie gelingt. Auch der Verſuch die Methode der Univerſi-<lb/> taͤt in der Schule nachzubilden, iſt eitel. Es pflegt in die<lb/> auf Profeſſoren-Weiſe lehrenden Schullehrer ein umſtaͤnd-<lb/> lich-vornehmer Styl uͤberzugehen, dem Unterrichte keines-<lb/> wegs erſprießlich. Die einzige Sorge geht dahin, im wiſ-<lb/> ſenſchaftlichen Zuſammenhange zu lehren und etwa Hefte<lb/> ſchreiben zu laſſen, das verdienſtlichſte Bemuͤhen aber ſtets<lb/> nachzufragen, ob auch die Lehre haftet, die laſſe Aufmerk-<lb/> ſamkeit immer wieder zu erwecken, wird hintangeſetzt. 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Dreizehntes Capitel.
nie gelingt. Auch der Verſuch die Methode der Univerſi-
taͤt in der Schule nachzubilden, iſt eitel. Es pflegt in die
auf Profeſſoren-Weiſe lehrenden Schullehrer ein umſtaͤnd-
lich-vornehmer Styl uͤberzugehen, dem Unterrichte keines-
wegs erſprießlich. Die einzige Sorge geht dahin, im wiſ-
ſenſchaftlichen Zuſammenhange zu lehren und etwa Hefte
ſchreiben zu laſſen, das verdienſtlichſte Bemuͤhen aber ſtets
nachzufragen, ob auch die Lehre haftet, die laſſe Aufmerk-
ſamkeit immer wieder zu erwecken, wird hintangeſetzt. Eben
ſo nachtheilig aber iſt die Einwirkung auf die Disciplin.
Das gebundene Verhaͤltniß, welches dem Schulalter ziemt,
iſt auch ohne ſolche Vermiſchung ganz verſchiedenartiger
Betriebe, gefaͤhrdet genug in einer Zeit, in welcher wenige
zu befehlen wiſſen und faſt niemand gehorchen mag. Ehe-
dem uͤbergaben die Eltern den Lehrern die volle vaͤterliche
Gewalt waͤhrend der Dauer der Schulſtunden; manche
Leidenſchaft konnte da vorfallen, allein der Sinn war rich-
tig und dem noͤthigen Anſehn der Lehrer angemeſſen. Auch
jetzt geſtattet man den Eltern keine Einmiſchung, aber
man will durch oͤffentliche Inſtructionen (die magna charta
der Schuͤler) und Schulcollegien zuſehen, daß gerecht ge-
ſtraft werde, und zu dem Ende wird nicht nur durch weit-
laͤuftige Cenſurprotocolle, die ſich mit Unarten und Ver-
ſaͤumniſſen fuͤllen, eine Art von Annaliſtik der Ungezogen-
heit gegruͤndet, die gute Zeit den Lehrern entwandt, ſon-
dern was bei weitem ſchlimmer, ihr Anſehn bei Hauptfaͤl-
len durch ein faſt gerichtliches Verfahren gefaͤhrdet. Zuͤch-
tigung durch den Pedellen oder Carcer iſt die Folge, wobei
ſchon der Aufſchub der Strafe ſchaͤdlich wirkt, die Strafe
aber jugendlichen Fehlern das Anſehn von Verbrechen giebt.
Aber auch Freiſprechung kann die Folge ſeyn, und ſo hat
der Lehrer dem Schuͤler als Parthey gegenuͤber geſtanden
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