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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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V. Unterricht d. Unerwachsenen, od. v. Schulwesen.
und hat seine Sache verloren. Eine starke disci-
plinarische Gewalt muß in den Händen der Lehrer ruhen.
Die in Eton-School verbrauchten Birken-Wälder (auf
welche Burke mit der Hand hinzeigte, als ihn Madame
de Genlis um das pädagogische Princip der Engländer
fragte), denen selbst der schon erwachsene Fox nicht entge-
hen konnte, sind fruchtbringender gewesen als unsere Schul-
ordnungen, die den Schülern sagen, wann sie den Schlä-
gen entwachsen sind und die Lehrer unter die Aufsicht der
Schüler stellen. Müssen denn die Gesetze immer nur dann
kommen, wenn sie nicht mehr nöthig sind? Gegen Schul-
tyrannen hatte in Deutschland die öffentliche Meinung
längst entschieden, litt sie nirgend mehr, als eine verweich-
lichte Schulgesetzgebung der leeren Furcht vor ihnen die
Disciplin zum Opfer brachte. Nichts muß in dieser Hinsicht
so vorliegen, daß es ein Recht des Schülers werden
könnte, Alles der Anordnung der Obern und der stillen
Übereinkunft der Lehrer überlassen bleiben. Durchaus kein
Contract mit den ausgesetzten Theilen des Körpers, keine
Assecuranz irgend einer Art.

272. Wie weit man mit der Bildung der unteren
Classen der Bevölkerung gehen dürfe? Die Beantwortung
dieser Frage hängt weit weniger von der Anlage, die kei-
nem Volke fehlt, von dem Begehren nach Bildung, das
sich wecken läßt, als von dem Bildungsvermögen ab. Das
Angebot der Bildung soll stattfinden, Bibel und Kate-
chismus dringen sich dem Protestanten auf, und so wenig
der Vater jetzt sein Kind tödten darf wie in den alten Rö-
mertagen, so wenig darf die Gleichgültigkeit und der Ei-
gennutz der Ältern seinen Geist abtödten; der Staat hat
ein Einsehn darin. Die Reformation ist die Mutter der

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V. Unterricht d. Unerwachſenen, od. v. Schulweſen.
und hat ſeine Sache verloren. Eine ſtarke disci-
plinariſche Gewalt muß in den Haͤnden der Lehrer ruhen.
Die in Eton-School verbrauchten Birken-Waͤlder (auf
welche Burke mit der Hand hinzeigte, als ihn Madame
de Genlis um das paͤdagogiſche Princip der Englaͤnder
fragte), denen ſelbſt der ſchon erwachſene Fox nicht entge-
hen konnte, ſind fruchtbringender geweſen als unſere Schul-
ordnungen, die den Schuͤlern ſagen, wann ſie den Schlaͤ-
gen entwachſen ſind und die Lehrer unter die Aufſicht der
Schuͤler ſtellen. Muͤſſen denn die Geſetze immer nur dann
kommen, wenn ſie nicht mehr noͤthig ſind? Gegen Schul-
tyrannen hatte in Deutſchland die oͤffentliche Meinung
laͤngſt entſchieden, litt ſie nirgend mehr, als eine verweich-
lichte Schulgeſetzgebung der leeren Furcht vor ihnen die
Disciplin zum Opfer brachte. Nichts muß in dieſer Hinſicht
ſo vorliegen, daß es ein Recht des Schuͤlers werden
koͤnnte, Alles der Anordnung der Obern und der ſtillen
Übereinkunft der Lehrer uͤberlaſſen bleiben. Durchaus kein
Contract mit den ausgeſetzten Theilen des Koͤrpers, keine
Aſſecuranz irgend einer Art.

272. Wie weit man mit der Bildung der unteren
Claſſen der Bevoͤlkerung gehen duͤrfe? Die Beantwortung
dieſer Frage haͤngt weit weniger von der Anlage, die kei-
nem Volke fehlt, von dem Begehren nach Bildung, das
ſich wecken laͤßt, als von dem Bildungsvermoͤgen ab. Das
Angebot der Bildung ſoll ſtattfinden, Bibel und Kate-
chismus dringen ſich dem Proteſtanten auf, und ſo wenig
der Vater jetzt ſein Kind toͤdten darf wie in den alten Roͤ-
mertagen, ſo wenig darf die Gleichguͤltigkeit und der Ei-
gennutz der Ältern ſeinen Geiſt abtoͤdten; der Staat hat
ein Einſehn darin. Die Reformation iſt die Mutter der

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[273/0285] V. Unterricht d. Unerwachſenen, od. v. Schulweſen. und hat ſeine Sache verloren. Eine ſtarke disci- plinariſche Gewalt muß in den Haͤnden der Lehrer ruhen. Die in Eton-School verbrauchten Birken-Waͤlder (auf welche Burke mit der Hand hinzeigte, als ihn Madame de Genlis um das paͤdagogiſche Princip der Englaͤnder fragte), denen ſelbſt der ſchon erwachſene Fox nicht entge- hen konnte, ſind fruchtbringender geweſen als unſere Schul- ordnungen, die den Schuͤlern ſagen, wann ſie den Schlaͤ- gen entwachſen ſind und die Lehrer unter die Aufſicht der Schuͤler ſtellen. Muͤſſen denn die Geſetze immer nur dann kommen, wenn ſie nicht mehr noͤthig ſind? Gegen Schul- tyrannen hatte in Deutſchland die oͤffentliche Meinung laͤngſt entſchieden, litt ſie nirgend mehr, als eine verweich- lichte Schulgeſetzgebung der leeren Furcht vor ihnen die Disciplin zum Opfer brachte. Nichts muß in dieſer Hinſicht ſo vorliegen, daß es ein Recht des Schuͤlers werden koͤnnte, Alles der Anordnung der Obern und der ſtillen Übereinkunft der Lehrer uͤberlaſſen bleiben. Durchaus kein Contract mit den ausgeſetzten Theilen des Koͤrpers, keine Aſſecuranz irgend einer Art. 272. Wie weit man mit der Bildung der unteren Claſſen der Bevoͤlkerung gehen duͤrfe? Die Beantwortung dieſer Frage haͤngt weit weniger von der Anlage, die kei- nem Volke fehlt, von dem Begehren nach Bildung, das ſich wecken laͤßt, als von dem Bildungsvermoͤgen ab. Das Angebot der Bildung ſoll ſtattfinden, Bibel und Kate- chismus dringen ſich dem Proteſtanten auf, und ſo wenig der Vater jetzt ſein Kind toͤdten darf wie in den alten Roͤ- mertagen, ſo wenig darf die Gleichguͤltigkeit und der Ei- gennutz der Ältern ſeinen Geiſt abtoͤdten; der Staat hat ein Einſehn darin. Die Reformation iſt die Mutter der 18

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/285>, abgerufen am 22.11.2024.