Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Vierzehntes Capitel. wickeltes Wesen. Dieses beruht auf der Lehrfreiheit, aufdieser so langsam gewonnenen, nicht wieder in einen Spe- cialbetrieb aufzulösenden, Vereinigung der Wissenschafts- lehre, ferner auf der steten Verjüngung, die der Wetteifer aller hohen Schulen hervorruft, indem jedwede der gesamm- ten Staatsjugend des Deutschen Vaterlandes offensteht. Sie beruht zum Theil auch auf der Erhaltung der alten glücklichen Mannigfaltigkeit der Universitäts-Locale, theils in großen, theils in Mittel- und kleinen Städten. 281. Die Lehrfreiheit begreift ein Zwiefaches: für den Vierzehntes Capitel. wickeltes Weſen. Dieſes beruht auf der Lehrfreiheit, aufdieſer ſo langſam gewonnenen, nicht wieder in einen Spe- cialbetrieb aufzuloͤſenden, Vereinigung der Wiſſenſchafts- lehre, ferner auf der ſteten Verjuͤngung, die der Wetteifer aller hohen Schulen hervorruft, indem jedwede der geſamm- ten Staatsjugend des Deutſchen Vaterlandes offenſteht. Sie beruht zum Theil auch auf der Erhaltung der alten gluͤcklichen Mannigfaltigkeit der Univerſitaͤts-Locale, theils in großen, theils in Mittel- und kleinen Staͤdten. 281. Die Lehrfreiheit begreift ein Zwiefaches: fuͤr den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0302" n="290"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vierzehntes Capitel</hi>.</fw><lb/> wickeltes Weſen. Dieſes beruht auf der Lehrfreiheit, auf<lb/> dieſer ſo langſam gewonnenen, nicht wieder in einen Spe-<lb/> cialbetrieb aufzuloͤſenden, Vereinigung der Wiſſenſchafts-<lb/> lehre, ferner auf der ſteten Verjuͤngung, die der Wetteifer<lb/> aller hohen Schulen hervorruft, indem jedwede der geſamm-<lb/> ten Staatsjugend des Deutſchen Vaterlandes offenſteht.<lb/> Sie beruht zum Theil auch auf der Erhaltung der alten<lb/> gluͤcklichen Mannigfaltigkeit der Univerſitaͤts-Locale, theils<lb/> in großen, theils in Mittel- und kleinen Staͤdten.</p><lb/> <p>281. Die Lehrfreiheit begreift ein Zwiefaches: fuͤr den<lb/> Lehrer das Recht innerhalb der Graͤnze ſeines Lehrberufs<lb/> zu lehren, was ihm wahr und gut duͤnkt; denn die wiſ-<lb/> ſenſchaftlichen Wahrheiten ſind keine Gegenſtaͤnde der Ge-<lb/> ſetzgebung: fuͤr die Studirenden die Freiheit der Auswahl<lb/> der Vorleſungen nach eigener oder entlehnter Anſicht und<lb/> nicht minder die Auswahl der Lehrer. Beide Befugniſſe<lb/> zwar koͤnnen gemisbraucht werden. Der Lehrer kann leh-<lb/> ren was zu leicht wiegt auf der Waage der Wiſſenſchaften,<lb/> indem er ſtatt einen wiſſenſchaftlichen, in den Grundbe-<lb/> griffen zuſammenhaͤngenden Vortrag zu geben, ſich einer<lb/> loſen, bloß aͤußerlich verbundenen Reflexion vertraut; er<lb/> kann lehren was beziehungsweiſe uͤberfluͤſſig iſt, indem er<lb/> nicht beruͤckſichtigt was gegenwaͤrtig aus dem reichen Vor-<lb/> rathe an Buͤchern ergaͤnzt werden kann und ſoll, und ſel-<lb/> ber Buͤcher giebt, der Form und der Stoffhaltigkeit nach,<lb/> Vorraͤthe aufſpeichert fuͤr den etwanigen kuͤnftigen Ge-<lb/> brauch, die aber fuͤr jetzt den Geiſt uͤberſchuͤtten und ihm<lb/> den Glauben nehmen an den jeder Wiſſenſchaft einwohnen-<lb/> den Grundgedanken. Er kann auch wieder zu eng begraͤnzt<lb/> lehren, ſowohl was die Wiſſenſchaft angeht, indem er nur<lb/> Lieblingstheile entwickelt, um das Ganze unbekuͤmmert<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [290/0302]
Vierzehntes Capitel.
wickeltes Weſen. Dieſes beruht auf der Lehrfreiheit, auf
dieſer ſo langſam gewonnenen, nicht wieder in einen Spe-
cialbetrieb aufzuloͤſenden, Vereinigung der Wiſſenſchafts-
lehre, ferner auf der ſteten Verjuͤngung, die der Wetteifer
aller hohen Schulen hervorruft, indem jedwede der geſamm-
ten Staatsjugend des Deutſchen Vaterlandes offenſteht.
Sie beruht zum Theil auch auf der Erhaltung der alten
gluͤcklichen Mannigfaltigkeit der Univerſitaͤts-Locale, theils
in großen, theils in Mittel- und kleinen Staͤdten.
281. Die Lehrfreiheit begreift ein Zwiefaches: fuͤr den
Lehrer das Recht innerhalb der Graͤnze ſeines Lehrberufs
zu lehren, was ihm wahr und gut duͤnkt; denn die wiſ-
ſenſchaftlichen Wahrheiten ſind keine Gegenſtaͤnde der Ge-
ſetzgebung: fuͤr die Studirenden die Freiheit der Auswahl
der Vorleſungen nach eigener oder entlehnter Anſicht und
nicht minder die Auswahl der Lehrer. Beide Befugniſſe
zwar koͤnnen gemisbraucht werden. Der Lehrer kann leh-
ren was zu leicht wiegt auf der Waage der Wiſſenſchaften,
indem er ſtatt einen wiſſenſchaftlichen, in den Grundbe-
griffen zuſammenhaͤngenden Vortrag zu geben, ſich einer
loſen, bloß aͤußerlich verbundenen Reflexion vertraut; er
kann lehren was beziehungsweiſe uͤberfluͤſſig iſt, indem er
nicht beruͤckſichtigt was gegenwaͤrtig aus dem reichen Vor-
rathe an Buͤchern ergaͤnzt werden kann und ſoll, und ſel-
ber Buͤcher giebt, der Form und der Stoffhaltigkeit nach,
Vorraͤthe aufſpeichert fuͤr den etwanigen kuͤnftigen Ge-
brauch, die aber fuͤr jetzt den Geiſt uͤberſchuͤtten und ihm
den Glauben nehmen an den jeder Wiſſenſchaft einwohnen-
den Grundgedanken. Er kann auch wieder zu eng begraͤnzt
lehren, ſowohl was die Wiſſenſchaft angeht, indem er nur
Lieblingstheile entwickelt, um das Ganze unbekuͤmmert
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